Die Hitze des Sommers endete abrupt, und just zur Traubenernte setzte Regen ein. Stimmen aus der Branche.
Seit einiger Zeit reiht sich ein schwieriges Weinjahr an das vorangehende. «2019 war das letzte Jahr mit einer mengenmässig reichen Ernte, die dem Durchschnitt der Vorjahre entsprach», sagt Alfred De Martin, Önologe bei Gialdi Vini in Mendrisio/TI. «Diesen Herbst haben wir auf das Kilo genau gleich wenig Trauben geerntet wie im Jahr 2024, der zweitkleinsten Ernte seit 50 Jahren.»
Im Tessin begann die Ernte bereits Mitte August und endete letzte Woche mit dem Cabernet. Während der Regen Ende August den Reben gut tat, gab es im September zu viel Niederschlag im falschen Moment. «Viele Traubenbeeren sind geplatzt und boten einen Nährboden für Schimmel», erklärt Alfred De Martin. «Wie die Erntehelfer, die zum Teil kurze Zeitfenster nutzen mussten, hatten wir auch im Keller lange Tage. Aufgrund der dünnen Beerenhäute galt es, im Keller jede Charge sofort zu verarbeiten.» Im Sottoceneri sorgte zudem der Japankäfer für Probleme.
Alfred De Martin ist zufrieden mit der Qualität. «Es ist kein Jahrhundertjahrgang. Die 2025er-Weine werden eher jung zu trinken sein.» Aus allen Landesteilen melden Winzerinnen und Winzer das Gleiche: Bis zum Regen während der Erntezeit zeichnete sich ein hervorragendes Jahr ab.
Mit den Niederschlägen kam es auf jeden einzelnen Entscheid der Betriebsleiter an. «Die weissen Trauben hatten eine lange Reifezeit. Sie haben viel Frucht und genügend Säure», sagt Martin Wiederkehr. «Die 110 Tage von der Blüte bis zur Lese abzuwarten, hat sich gelohnt», erklärt, Geschäftsführer des Weinbauzentrums in Wädenswil/ZH. Doch das war auch mit Risiken verbunden. Deshalb machte die Sönderungsarbeit die Ernte aufwendig. Bei jeder Traube mussten die Erntehelfer verschimmelte oder von der Kirschessigfliege befallene Beeren herausschneiden. «Auch wenn wir damit rund 150 Gramm pro Quadratmeter verloren, war dies der Schlüssel zur guten Qualität des Jahrgangs», so Martin Wiederkehr. «Das zahlt sich aus.»
Catherine Cruchon, Önologin
In der Waadtländer La Côte streifte Catherine Cruchon täglich durch ihre Rebparzellen. «Wir analysierten Tag für Tag die Balance zwischen optimaler Reife und Botrytisbefall und entschieden, welche Parzellen wir ernten», sagt die Önologin auf dem Familienweingut Domaine Henry Cruchon in Echichens/VD. Mit der Qualität ist sie zufrieden. Auch wenn sie witterungsbedingt 10 bis 15 Prozent Einbussen hinnehmen musste. «Ein Plus für uns ist der Chasselas. Diese Rebe ist weniger anfällig, wir konnten die Trauben reifen lassen und diese Woche als letzte ernten.»
Dass generell weniger Wein konsumiert wird, bereitet vielen Produzenten Sorgen. «Dieses Jahr hat das Wetter die Erntemengen an den Markt angepasst», sagt Alfred De Martin. «Dies ganz ohne Zutun der Winzer.»
(Gabriel Tinguely)