Benny Epstein, Redaktor und Online-Leiter der Hotellerie Gastronomie Zeitung, wünscht sich mehr Mut zur eigenen Meinung beim Degustieren von Wein.
«S’git lüt, die würden alletwäge nie es Lied vorsinge», sang Mani Matter in seinem Stück «Will sie Hemmige hei». Beim Degustieren von Wein ist es wie beim Vorsingen. Hierzulande haben viele Angst, den Ton nicht zu treffen.
Man könnte ausgelacht oder korrigiert werden. Vielsagende Blicke würden durch den Raum schweifen, um die Ahnungslosigkeit des Mutigen zu signalisieren. Also lieber abwarten. Dem Nachbarn den ersten Schritt überlassen. Dann die Reaktion des Moderators und der übrigen Teilnehmer abwarten. Schliesslich zustimmend nicken oder abschätzig oder peinlich berührt dreinblicken, wenn die Meinung beim Gastgeber nicht auf klares Wohlwollen stösst. Letztlich erwidert einer: «Ja, die Säure gefällt mir auch.» Oder: «Ja, das Holz ist wirklich schön integriert.»
Aber warum? Ich fordere auf zu mehr Mut und Offenheit. Weg mit den fiesen Blicken! Her mit eigenen Meinungen! So wie es Francesco Benvenuto, der Schweizer Sommelier des Jahres 2018, in Israel erlebte. Aussagen wie: «Den Wein kann ich mir zu Wild gut vorstellen.» Oder: «Mir wäre dazu eher nach einer Zigarre und nicht nach Essen.» Oder: «Mir ist der Wein zu erdig.» Das kann, darf und soll jeder sagen.
Der Ahnungslose ist jener, der nach solchen Aussagen die Augen rollt. Nicht der Mutige.
(Benny Epstein)