Ein Wunder steht am Anfang der Geschichte des Kurtourismus auf der Rigi.
Man schrieb das Jahr 1540, als Barthli Joler aus Weggis/LU in der fünf Grad kalten Quelle mit angeblich heilender Kraft in Kaltbad auf der Rigi badete. Joler wurde gesund. Und der Kurtourismus auf der Rigi nahm seinen Anfang. Bereits um 1600 kamen jeden Tag 100 Badegäste auf die Rigi.
1868, über 300 Jahre später, wurde auf Rigi Kaltbad der Grundstein für ein Nobelhotel mit 240 Betten, Speisesaal, Gesellschafts-, Damen-, Schreib- und Musiksalon gelegt. Im edlen Hotel wurde über viele Jahrzehnte getanzt, gefeiert, geschlemmt und geschlafen. Bis 1961 ein grosser Brand das Grand Hotel bis auf die Grundmauern zerstörte.
Die neu gegründete Rigi-Kaltbad-Hotel AG erstellte in den späten 1960er-Jahre die Hostellerie Rigi Kaltbad. 2012 änderte sich das Bild auf Rigi Kaltbad erneut. Nach einer intensiven Bauphase wurde im Sommer das renovierte Hotel Rigi Kaltbad, der neu gestaltete Dorfplatz und das Mineralbad & Spa Rigi Kaltbad eröffnet.
Vom Bad profitiert das nahe gelegene Hotel Rigi Kaltbad besonders. «Wir haben das Glück, mit dem Bad einen USP zu haben», sagt Direktorin Angela Boddé-Camenzind. Sie führt das Haus gemeinsam mit ihrem Ehemann Aron Boddé, einem ausgebildeten Hotelkaufmann. Angela Boddé geniesst in der Zentralschweiz Heimvorteil. Sie ist im nahen Gersau/SZ aufgewachsen und hat in Chur Tourism and Hospitality studiert.
Das Hotel Rigi Kaltbad gehört zu jenen Häusern, die von der Corona-Pandemie profitieren. «Wir haben schon immer vor allem auf den Schweizer Markt gesetzt», so die Direktorin. «Doch seit Corona ist die Auslastung noch höher.» Will heissen: Statt 70 Prozent sind es heuer stolze 94 Prozent. «80 Prozent unserer Gäste kommen vor allem wegen der Kombination mit dem Mineralbad», weiss Angela Boddé.
Ihre Hotelgäste profitieren durch den direkten Zugang ins Bad, das sie bis morgens um zehn Uhr exklusiv nutzen können. Auch Kombis für Tagesgäste mit Frühstück im Hotel verkaufen sich gut. «Das Mineralbad ist für uns ein Glücksfall. Ohne das würde unser Betrieb wohl kaum rentabel arbeiten können», vermutet Angela Boddé. Doch die positive Entwicklung hat auch ihre Schattenseite: «Es ist schwierig, für einen Bergbetrieb genügend Mitarbeitende zu finden», sagt Angela Boddé. So sah sich die Hotelleitung gezwungen, im September im Hauptrestaurant Rigi-Stübli, wo viele Tagesgäste einkehren, zwei Ruhetage einzuführen. «So konnten wir den Mitarbeitenden eine Ruhepause verschaffen.»
Ein Zustand, der sich auf die Wintermonate hin verbessert hat. «Über den Winter sind viele Hotels unten am See geschlossen, das hat unsere Personalsituation entspannt», bestätigt Angela Boddé.
Das Botta-Bad auf Rigi Kaltbad ist die markanteste Erinnerung an die alten Zeiten des Kurtourismus in der Zentralschweiz. Dieser nahm im 18. Jahrhundert so richtig Fahrt auf mit Molken-, Milch-, Trauben- und Luftkuren. Besonders die Milchkuren waren auf der Rigi bedeutend. Das weisse Getränk erfuhr damals eine neue Wertschätzung und galt vor allem wegen der Alpenkräuter, die Albrecht Haller in seinem literarischen Werk «Die Alpen» lobte, als gesund. Diese Kräuter galten damals als wahres Wunderelixier und fanden ab 1700 als «Schweizerthee» in Europa Verbreitung.
Aus dem Kurbetrieb von Rigi Scheidegg ist überliefert, dass jeweils morgens und abends Kühe und Ziegen in die Halle geführt wurden, um den Gästen die Milch direkt in ihre Gläser zu melken. Die empfohlene Tagesration lag bei drei Litern. Zum guten Ruf eines Kurortes gehörte ein hauseigener Kurarzt, der die Seriosität des Betriebes bestätigte.
Ein Kuraufenthalt dauerte in jener Zeit mehrere Wochen bis Monate. Und immer mehr wurde dieser mit Wallfahrten kombiniert. Die Kapelle in Rigi Klösterli entwickelte sich nach ihrem Bau 1688 unter anderem dank Gerüchten von Wunderheilungen rasch zu einem Wallfahrtsziel. Und Rigi Kaltbad mit seiner Kapelle von 1585 soll im 18. Jahrhundert jährlich bis zu 15 000 Wallfahrer angezogen haben. Die Bedürfnisse von Wallfahrern und Badenden nach Verpflegung und Beherbergung legten gemeinsam den Grundstein für die Entwicklung der Rigi als Reiseziel.
Der Trend zu Kuraufenthalten hielt sich bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts und machte danach einem zweckfreien Urlaub in einem mondänen Aussichtshotel Platz. Und auch wenn die Zentralschweiz nicht zu den Pionieren des Kurtourismus zählte wie das Appenzellerland mit seinen Molkenkuren oder die Bündner Höhenorte Davos und Arosa mit ihren Luft- und Lungenkuren, so war sie doch bedeutend. Der Baedeker-Reiseführer von 1913 erwähnte neben der Rigi eine Reihe von Kurorten wie etwa das Eigental bei Luzern, Beckenried/NW, Stoos/SZ, Engelberg/OW, Melchsee-Frutt/OW oder Lungern/OW. Internationales Renommee genossen die Kuranstalten Schöneck in Emmetten und Sonnenberg in Seelisberg, die in der Belle Epoque im Sommer bis zu 500 Gäste beherbergten.
(Ruth Marending)