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Kilometer Null der Eisenbahn

Die Stadt Olten/SO kennen die meisten nur vom Durchfahren oder Umsteigen. Dabei hat der Ort so manches zu bieten.

  • Die Fachhochschule Nordwestschweiz befindet sich im ehemaligen Industriegebiet von Olten. (Bilder Filipa Peixeiro)
  • Pittoreske Gassen prägen die Altstadt.
  • Auf Gleis Zwölf gibt es eine Erinnerungstafel an den Anfang der Gleiskilometervermessung der Schweizer Bundesbahnen.
  • Angeregt unterhielten sich die vier Gastronomen und Touristiker über Olten und die Eigenheiten seiner Bewohner.
  • Dominique Mattenberger führt seit 2014 zusammen mit Darko Bosnjak das Hotel Olten.
    2017 wurde die Glacelinie Kalte Lust mit dem Slogan «Gefroren in Olten» lanciert.
  • Thomas Nussbaumer ist seit 2013 Leiter Gastronomie der Fachhochschule Nordwestschweiz, Standort Olten. Er und sein Team servieren pro Tag 500 Mittagessen. Seit 2015 ist er Präsident des skv.
  • Peter Oesch führte unter anderem 33 Jahre den «Goldenen Ochsen» in Olten. Heute ist er Gastro
    Coach und Berater im Hygienebereich. Seit 18 Jahren präsidiert er Gastro Solothurn. Ihm liegt der Nachwuchs am Herzen. Deshalb engagiert er sich im ÜK-Zentrum von Gastro Solothurn.
  • Stefan Ulrich führt seit bald sechs Jahren Region Olten Tourismus. In diesem Jahr wird die Destination auf kantonaler Ebene neu strukturiert. Zudem soll ab Anfang 2021 die Tourismusregion Aargau–Solothurn entstehen. Olten in der Mitte kommt dann eine noch grössere Bedeutung zu.

Das schweizerische Eisenbahnnetz hat eine Länge von 5251 Kilometern. Es gehört damit zu den dichtesten der Welt und beginnt im Bahnhof Olten. Auf Gleis zwölf erinnert ein Gedenkstein an diesen historischen Moment, als die Eisenbahnpioniere das Bahnnetz der damaligen Schweizer Centralbahnen auszumessen begannen und Olten als Kilometer Null wählten. 

Olten rückte damit auf einen Schlag ins Zentrum der Schweiz, gut zu erreichen von allen grösseren Städten. Und deshalb auch Geburtsort von so manchen bekannten Organisationen: Die FDP wurde beispielsweise hier gegründet und auch der Schweizer Alpen-Club. Die Eisenbahn bescherte Olten im 20. Jahrhundert eine wahre Blütezeit. Zwischenzeitlich wuchs die Einwohnerzahl auf 22 000, um dann wieder, bedingt durch die Deindustrialisierung, auf 17 000 zu sinken. In den letzten Jahren nahm die Bevölkerungszahl wieder zu und liegt nun bei 19 000. Die Kurve wird weiter nach oben zeigen. Mit der Realisierung des Projekts Olten Süd-West sollen zwei- bis dreitausend neue Einwohner dazukommen.

Noch heute ist Olten, das lange im Schatten der nahe gelegenen Barockstadt Solothurn stand, geprägt von der Eisenbahn. Ein dichter Schienenstrang teilt die Kleinstadt an der Aare in zwei Teile: die pittoreske Altstadt einerseits und das so genannte Bifang-Quartier, eine Wohn- und Industriezone, auf der anderen Seite des Bahnhofs. 

Den Geleisen entlang wichen in den letzten Jahren alte Industrieanlagen wie die Eisenwerke der Von Roll modernen Überbauungen. Olten warb neue Einwohner mit Transparenten, die anpriesen, dass alle grossen Städte der Schweiz in etwa gleich weit entfernt sind: Bern, Luzern, Zürich, Basel. In diesem ehemaligen Industriegebiet hat die Fachhochschule Nordwestschweiz 2013 einen Neubau bezogen. Dort hat sich Anfang Jahr eine vierköpfige Gruppe von Gastronomen, Hoteliers und Touristikern getroffen, um sich über Olten und seine Gastronomie auszutauschen.  

Die meisten Schweizer kennen in Olten nur den Bahnhof beziehungsweise diesen vom Durchfahren. Warum soll man in Olten aussteigen?
Peter Oesch:
Olten hat eine schöne Altstadt und eine gut funktionierende Gastronomie. Vor der Einführung des Taktfahrplans blieben viele Reisende hier stecken, weil sie oftmals über eine Stunde Wartezeit hatten. Diese überbrückten sie im Bahnhofbuffet, das damals einen über die Region hinaus bekannten Namen hatte. Heute hat das Bahnhofbuffet seine einstige Bedeutung verloren. Aber die Oltner Gastronomie kann sich noch immer sehen lassen. Als ich vor 34 Jahren hierher kam, stellte ich schnell fest, dass die Einwohner ihre Stadt unterschätzten. Sie waren bescheiden und zurückhaltend. Eine richtige Eisenbahnermentalität herrschte vor. 

Ist diese Eisenbähnler-Stimmung noch immer so?
Oesch
: Es ändert sich. Das Selbstbewusstsein steigt. Die Eisenbähnler-Generation stirbt aus.

Hat Olten Potenzial, mehr Pendler abzuholen?
Dominique
Mattenberger: Ja, es hätte viel mehr Potenzial. Doch es ist schwierig. Als die SBB Cargo gleich neben unserem Hotel ihr neues Gebäude bezog, rieben wir uns die Hände. Wir träumten von so manchem Geschäft. Die Realität sieht aber anders aus. Die meisten Mitarbeiter, auch diejenigen des daneben gelegenen Swisscom-Gebäudes, kennen nur den Weg vom Bahnhof zum Arbeitsplatz und zurück. Sie wissen nicht, dass Olten eine pittoreske Altstadt hat. Wir haben viel versucht, die Leute mit Flyern in unser Haus, in die Gelateria Olten oder in das Restaurant Stadtbad zu locken, hatten aber keinen Erfolg.
ThomasNussbaumer: Das erinnert mich an mein eigenes Verhalten. Ich bin in Olten aufgewachsen, wohne nun aber schon bald 20 Jahre im Baselbiet. Durch die Arbeit bin ich zurückgekommen. Nach Feierabend gehe ich aber umgehend zurück ins Baselbiet. Ich denke, dass die Oltner Gastronomen noch viel mehr die Firmen abholen und direkte Angebote machen müssen.
Oesch: Ja, zum Beispiel kombiniert mit Stadtführungen. Schon alleine der Gang über die Holzbrücke in die Altstadt bringt die Besucher zum Staunen.
Nussbaumer: Auch diese Seite des Bahnhofs, wo die Schule steht, hat sich stark entwickelt. Ich erinnere mich,dass der so genannte Bifang in den 1980er-Jahren ein Tabu war. Da ging man nicht hin.
Oesch: Das stimmt. Es gab sehr viele Einwohner, die nicht einmal im Leben ihren Fuss auf die andere Seite des Bahnhofs gesetzt hatten. Doch diese Generation stirbt nach und nach aus.

Trotzdem. Der Schienenstrang bleibt. Wie stark hindert er die Oltner, um noch mehr zusammenwachsen zu können?
Stefan
Ulrich: Da ist noch vieles im Argen. Nehmen wir zum Beispiel die Bahnhofunterführung, die direkt von den Gleisen zur Aare führt. Es ist ein unschöner Betondurchgang. Daraus liesse sich noch viel mehr machen.
Oesch: Auch die daneben liegen- de Fussgängerunterführung, die direkt von diesem Schulgebäude hinüber zum Hotel Olten führt, ist suboptimal. Sie verlockt nicht wirklich, auf diesem Weg in die Altstadt rüberzugehen. 

Apropos Altstadt. Die Schweiz hat viele schöne Altstädte. Doch meistens sind sie nicht sehr belebt. Wie ist das in Olten?
Oesch
: Wenn im Winter über dem Mittelland Nebel liegt, ist Olten in der Regel auch davon betroffen. Im Sommer herrscht hier aber ein mediterranes Flair. Doch die Klagen wie «Es läuft ja nichts. Es geht ja nichts.» sind das ganze Jahr über die gleichen wie in andern Orten. Für mich ist Sissach im Oberbaselbiet ein Vorzeigebeispiel. Die haben es gut gelöst. Der Verkehr geht aussen herum, über den Bahnhof oder durch den Umfahrungstunnel. Die Hauptstrasse ist zwar verkehrsfrei, aber mit Tempo 20 ist die Durchfahrt erlaubt. Die Kunden können kurz reinfahren und vor dem Laden parkieren. Wer länger bleiben will, parkiert weiter weg. Da ist immer viel los, auch in den zentral gelegenen Cafés und Restaurants.

Und in Olten, wo die Altstadt ganz verkehrsfrei ist. Wie sieht es mit der Zahl der Beizen aus?
Oesch
: Seit ich das Präsidium von Gastro Solothurn innehabe, ist die Mitgliederzahl in der Region von 700 auf 500 gesunken. Diese Zahl ist jedoch mit Vorbehalt zu betrachten. Vielfach werden Gastronomiebetriebe heutzutage zusammengelegt. In der Stadt Olten selber ist die Mitgliederzahl mit zirka 65 Betrieben einigermassen stabil. Jedoch hat sich die Art der Gastronomie geändert. 

Inwiefern hat sich diese denn in der Stadt verändert? 
Mattenberger
: In Olten gibt es etwa zehn Restaurants, die schon immer da waren und gut funktionieren. Der grosse Wechsel findet bei den Take-aways und Kebabbetrieben statt. 
Nussbaumer: Es gibt tolle neue Konzepte. Nehmen wir zum Beispiel die Gelateria Olten mit der Glacelinie Kalte Lust von Dominique Mattenberger. Das ist ein cooles Konzept. 
Mattenberger: Für mehr Besucher in Olten braucht es einen attraktiven Detailhandel, damit die Gäste länger im Ort bleiben.

Was kann Region Olten Tourismus dazu beitragen, damit mehr Gäste hierher kommen?
Ulrich
: Wir sind eine noch junge Organisation, die es erst seit zehn Jahren gibt. Wir haben damals bei Null angefangen. Die Region Olten existierte auf der touristischen Landkarte nicht. Es galt, mit attraktiven Angeboten Gäste nach Olten zu bringen. Eine schöne Altstadt reicht nicht.

Können Sie uns ein  konkretes Beispiel für ein solches Angebot nennen?
Ulrich
: Ja, das kann ich. Olten ist ein Zentrum von schweizweit bekannten Schriftstellern, Literaten und Slam-Poeten. Das hat uns auf die Idee des Schweizer Schriftstellerwegs gebracht. An der 60 Stationen umfassenden Tour sind zwei- bis vierminütige Geschichten von Alex Capus, Franz Hohler, Pedro Lenz, Peter Bichsel, Lorenz Pauli, Tanja Kummer und weiteren Schriftstellern zu hören. Die Gäste können mit dem eigenen Smartphone oder Tablet an den Stationen die QR-Codes scannen. Doch das ist nur eines von vielen Beispielen. Es gibt noch viel Luft nach oben.
Mattenberger: Ja, das stimmt. Olten hat noch viel Potenzial. Die zentrale Lage ist für uns Hoteliers aber leider immer wieder ein Nachteil. So gut wir zu erreichen sind, so einfach ist es, abends wieder nach Hause zu fahren.
Ulrich: Es braucht einen Imagewechsel. Vor rund vierzig Jahren hat sich Olten als Eisenbahnerstadt definiert. Die Bevölkerung war bescheiden und hat sich unter dem Scheffel verkauft. Es gab aber schon damals ein reges kulturelles Leben. Nehmen wir als Beispiel das Stadttheater. Dieses inszeniert jedes Jahr Aufführungen mit internationaler Besetzung. Doch es fehlte damals der Transporteur, der das kulturelle Schaffen vermittelte.

Ist es mit dem Bewerben der kulturellen Anlässe getan?
Ulrich
: Nein, da muss jeder mitmachen. Jeder Gastronom, jeder Kulturschaffende, jeder Touristiker und Gewerbler. Auch die Politik muss an Bord sein. Das Image des bescheidenen Oltners ist über Jahrzehnte gewachsen. Es braucht Jahrzehnte, um es wieder abzustreifen.
Oesch: Olten wird nur über den Bahnhof definiert und dem vielen Nebel. Doch wer einmal entdeckt hat, dass Olten viel mehr zu bieten hat, wird Fan. 

In aller Munde ist die Neugestaltung des Bahnhofplatzes. Wie wichtig ist das für Olten?
Ulrich
: Sehr wichtig. Der Bahnhof ist die Visitenkarte und das Tor zur Altstadt. Die Zugänge sind alle zubetoniert. Da liegt viel brach.

(Interview Ruth Marending)