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Mit Brot und Rüebli zum Gourmet-Tempel?

Nach sechs Monaten Planung legt Sven Wassmer los. Wird er den hohen Erwartungen im «Memories» gerecht?

  • Sven Wassmer (l.) und sein Team kochen im «Memories» vor dem Gast. (Bilder ZVG)
  • Im «Memories» kann der Gast dem Spitzenkoch bei der Arbeit zuschauen.
  • Sven Wassmer serviert und erklärt manche Gerichte persönlich.
  • Eleganz und Wohlfühl-Charakter ganz nach dem Geschmack von Sven Wassmer.
  • Im «Memories» gibt es keine Trennung zwischen Gastraum und Küche.
  • Sven Wassmer bereitet im Hauptgang ein Flat Iron zu.
  • Durchlässige Trennwände und Parkett aus dem Jahr 1869 – Sven Wassmer fühlt sich wohl an seinem neuen Arbeitsort.
  • Pâtissier Andy Vorbusch (l.) ist der zweite Star im Küchenteam von Sven Wassmer (r.).

Endlich geht es los im Restaurant Memories. Mehr als ein Jahr nach seinem Abgang im «Silver» in Vals/GR (2 Sterne, 18 Punkte) ist Sven Wassmer zurück auf der grossen Bühne. Eine massgeschneiderte Bühne im Grand Resort Bad Ragaz. Ein halbes Jahr lang durften Wassmer und seine Köche tüfteln und kreieren. Der Spitzenkoch liess das Lokal nach seinem Geschmack umbauen und taufte es «Memories», weil er alte Erinnerungen hervorrufen und neue Erinnerungen schaffen möchte. Er stellte sich ein Team zusammen, in dem jeder Koch bereits auf Dreisterne- und 19-Punktelevel gearbeitet hat. All dies führt beim Gast zu sehr hohen Erwartungen. Können die erfüllt werden?

Wer das Restaurant betritt, soll Stunden der Entschleunigung erleben. Das Interieur dafür ist gegeben: mattes Parkett, durchlässige Trennwände aus hellem Holz, stimmiges Licht. Und eine Küche, die im Gastraum steht. Stein statt Chromstahl sorgt hier für Wärme. Die Einblicke, die dem Gast gewährt werden, sind zu Beginn sehr speziell, weil man das so kaum kennt. Je länger der Abend dauert, umso normaler erscheint, dass hier nicht nur gegessen, sondern auch gekocht wird. Ähnlich einer modernen Loft-Wohnung mit offener Küche.

Ein einfaches Gemüse als Star

Auch kulinarisch geht das «Memories» eigene Pfade. Hier wird Brot als eigener Gang in Szene gesetzt oder eine Karotte. Rindsfilet und Hummer? Fehlanzeige. Das Rüebli wird geschält in ein Kalzium-Bad eingelegt, um das Aroma zu verdichten. So wie früher, als man Gemüse über den Winter in der Erde einbuddelte. Serviert wird das Rüebli mit einem Karottengrün-Pesto, Rollgersten-Koji und Bergsanddorn.

Was für manchen nicht nach einem fertigen Gericht klingen mag, widerspiegelt Wassmers Idee gänzlich. Ein einfaches Gemüse, sorgfältig in der nahen Umgebung ausgesucht, sich in die Geschichte vertieft und alte Prozesse optimiert. Die vermeintlichen Abfälle fängt der Koch im Pesto auf. Der fruchtig-säuerliche Bergsanddorn aus der Region ersetzt die trendige, allseits verwendete Physalis ebenso wie die Rollgerste den Reis.

Andy Vorbuschs Suche nach dem perfekten Sauerteigbrot

Wie schon in Vals darf auch in Bad Ragaz der Saibling aus dem Val Lumnezia nicht fehlen. Sanft gegart, mit gebranntem Sennenrahm und Tanne zergeht er auf der Zunge, die herrliche Sauce tunkt wohl jeder Gast mit dem Brot auf. Apropos Brot: Was Pâtissier Andy Vorbusch hier gelungen ist, kann sich sehen lassen. Wochenlang suchte er die perfekte Abstimmung für das Sauerteigbrot – er hat sie gefunden.

Auch die alkoholfreie Getränkebegleitung zeigt, dass hier in den letzten Monaten intensiv gearbeitet wurde. Zentrifugierter Rhabarber-Spritz, ein tanninreicher Saft von wilden Preiselbeeren, Heu-Kombucha – hier leistete Amanda Wassmer Bulgin, Svens Gattin, vorzügliche Arbeit.

Doch wie wird der Gast dieses neuartige Erlebnis annehmen? Ist er bereit, 475 Franken für den Zwölfgänger mit Weinbegleitung hinzublättern? Schafft es Sven Wassmer, das Restaurant zum Pilgerort für Feinschmecker zu machen? Dafür wird er viele Punkte und Sterne holen müssen. Sehr viele. Geduld, Ausdauer und Konstanz sind gefragt.

(Benny Epstein)


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