Positionierung: Wissen, wer man ist und wo man steht

Sich klar und deutlich von seinen Mitbewerbern zu unterscheiden, ist gerade jetzt ein wichtiges Thema, denn es kommt auch eine Zeit nach Corona. Wer sich bis dahin nicht richtig positioniert hat, riskiert, auf der Strecke zu bleiben. 

  • Die Grafik «Value Proposition» aus dem Buch «Strategisches Marketing in der Hotellerie» verdeutlicht, wie und mit welchen Vorteilen sich ein Betrieb im Markt positioniert. 
  • «Es brauch Mut, seiner Linie treu zu bleiben» - Lucie Heim.
  • «Eine fundierte Analyse ist unabdingbar» - Christoph Nussbaumer
  • «Die Positionierung muss zur Kultur passen» - Philine Betz-Werner

Gäste haben heute schier endlose Möglichkeiten, auswärts zu speisen oder zu nächtigen. Was also tun, um aus der Masse an Informationen mit dem eigenen Betrieb herauszustechen? Die Antwort lautet: Sich bewusst von den Mitbewerbern abheben und im Markt entsprechend positionieren. 

Sich positionieren heisst, klar Stellung zu etwas zu beziehen. Im Kontext des strategischen Marketings bezeichnet die Positionierung das gezielte Herausschälen von Stärken und Qualitäten, durch die sich eine Marke, ein Unternehmen oder ein Produkt in der Wahrnehmung der Zielgruppe klar von den Mitbewerbern unterscheidet. 

Dabei reicht es jedoch nicht, wenn man die Positionierung schärft und auf einem Blatt Papier festhält. Es gilt, diese konsequent umzusetzen. Sie muss sich wie ein roter Faden durch den Betrieb ziehen. Von den Lieferanten über die Mitarbeitenden und den Gastgebenden selbst bis hin zur Einrichtung und zum Angebot: Die eigene Aufstellung im Markt muss deutlich spürbar sein.

Die Kunst liegt darin, sich gezielt und für den Gast sichtbar zu positionieren

Ein gutes Beispiel hierfür ist das «Rechberg 1837» in Zürich. In diesem Restaurant gibt es neu interpretierte Gerichte mit Lebensmitteln, die es schon 1837 auf den Märkten in Zürich zu kaufen gab. In dem Jahr, in dem das Gebäude erbaut wurde, in welchem sich das «Rechberg 1837» befindet. 

Wer genau hinsieht, erkennt: Das Restaurant setzt im Grunde auf regionale und saisonale Produkte. So, wie viele andere Betriebe auch. Doch durch die Positionierung mit der Beschränkung auf das Jahr 1837 hebt sich das Restaurant Rechberg 1837 deutlich von den Mitbewerbern ab. Nicht zuletzt deshalb, weil die Positionierung konsequent umgesetzt wird. Überall im Lokal finden sich Bücher von anno dazumal, die Speisekarte wiederum ist in Schweizerdeutsch verfasst, und alles ist sehr familiär gehalten. Das sieht man auch an der Sprache. Was auf anderen Webseiten mit «Home» bezeichnet wird, heisst im «Rechberg 1837» Dihei. Das Gründerteam des Restaurants Rechberg 1837 hat sich sehr genau überlegt, für welche Werte und Qualitäten es bei seiner Zielgruppe bekannt sein möchte. Dafür bedarf es vorab einer gründlichen Analyse des Umfelds, aber auch der eigenen Stärken und Schwächen. Die Analyse legt den Grundstein für die anderen zwei Bausteine: die Strategie und die Positionierung. Welche Wichtigkeit die Verzahnung der drei Bausteine hat, wird in den folgenden Interviews mit Lucie Heim, Christoph Nussbaumer und Philine Betz-Werner klar.

(Désirée Klarer)


Lucie Heim

«ES BRAUCHT MUT, SEINER LINIE TREU ZU BLEIBEN»

Lucie Heim, wenn man Gastgeber fragt, warum sie sich nicht stärker im Markt positionieren, kommt häufig das Argument, dass dies zu viel kosten würde. Ist dieser Einwand begründet? 
Lucie Heim:
Eine haarscharfe Positionierung hat nur indirekt mit Kosten zu tun. Einerseits braucht es Mut, nicht alles für alle sein zu wollen. Andererseits braucht es sicher einen längeren Schnauf und mehr Marketingbudget, bis der nötige Bekanntheitsgrad aufgebaut ist. Ich kann die Frage also weder klar mit ja noch klar mit nein beantworten. Es kommt auf den Betrieb und die Umstände an. Eine gelungene Positionierung ist jedoch auf lange Sicht erfolgversprechend. Vorausgesetzt, man bleibt seiner Linie und Positionierung treu.

Wie schafft man es, diese Linie zu finden und die Positionierung letztlich auch für den Gast erlebbar zu machen? 
Aus meiner Sicht gelingt dies am besten, wenn Gastgebende eine Positionierung in den Themenfeldern suchen, die ihrer Persönlichkeit entsprechen. Also solche, von denen die Gastgeber fasziniert sind und wofür ihr Feuer brennt. 

Weshalb? 
So kann die Positionierung am glaubwürdigsten und erfolgreichsten umgesetzt werden: angefangen bei der Kreation des Angebotes über das direkte Gespräch mit dem Gast bis hin zu kommunikativen Massnahmen. Damit das gelingt, muss man sich jedoch auch in den Gast hineinversetzen. Der «Blick von aussen» ist wichtig, um die Positionierung herausarbeiten zu können. «Nur» zu wissen, wofür man brennt, reicht nicht. 

Wie gelingt der Perspektivenwechsel von «wir bieten» zu «was wünscht sich der Gast»?
Indem man sich in einer bestimmten Nische auskennt und die Wünsche der Gäste der gesamten Dienstleistungskette entlang voraussehen kann und auch erfüllen möchte. 

Ein wichtiger Bestandteil dieser Kette sind die Mitarbeitenden. Welche Rolle spielen diese bei der Positionierung? 
Die Mitarbeitenden tragen sehr viel dazu bei, dass die Positionierung gelebt wird und sich wie ein roter Faden durch die ganze  Gasterlebniskette zieht. Schliesslich haben sie direkten Kontakt zum Gast. Wie bei den Gastgebenden sollte auch bei den Mitarbeitenden das Feuer für eine bestimmte Positionierung brennen. Sie müssen in den Betrieb passen. 

Wie geht man die Sache am besten an, wenn man einen bestehenden Betrieb übernimmt? 
Im Gegensatz zu einem neuen Hotel überlegt man sich, ob man eine bestehende Marketingstrategie und Positionierung übernehmen möchte oder ob man, wie bei einem Neubau, völlig auf der grünen Wiese starten will. Eine Neupositionierung und Imageänderung bei einem bestehenden Betrieb braucht jedoch viel Marketingpower. Es besteht das Risiko, dass bisherige Stammgäste verunsichert werden und verloren gehen, wenn sie nicht mehr zur neuen Positionierung passen. Andererseits eröffnet die Neupositionierung natürlich auch Chancen. 

Welche? 
Neue Zielgruppen anzusprechen und neue Bedürfnisse abzudecken. Wichtig ist dabei jedoch, genau zu wissen, warum man sich für eine Neupositionierung entscheidet und welche Zielgruppe man dabei erreichen möchte. Denn die Positionierung muss für den Kunden attraktiv sein: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. 

Mein Tipp:
Das Angebot anpassen ist jetzt wichtig. Doch Strategie und Positionierung sollten langfristig Gültigkeit haben. Dies schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. 


Lucie Heim

Lucie Heim ist Gründerin und Inhaberin von Heim Hotelmarketing, einer Fullservice-Marketingagentur, die sich ausschliesslich auf die professionelle Entwicklung und Vermarktung von Hotels spezialisiert hat. Die eidgenössisch diplomierte Marketingleiterin hat das Hotelfach von der Pike auf gelernt und war mehrere Jahre in Hotellerie und Tourismus tätig. Heim Hotelmarketing wurde in 2011 gegründet und ist seit 2020 als unabhängige Schweizer Hotelmarketingagentur auf dem Markt. Ihre fundierte Erfahrung gibt Lucie Heim auch als Dozentin für Hotelmarketing weiter.


Christoph Nussbaumer

«EINE FUNDIERTE ANALYSE IST UNABDINGBAR»

Christoph Nussbaumer, in welchem Zusammenhang stehen Unternehmensstrategie und Positionierung?
Christoph Nussbaumer:
Die Positionierung ist ein wesentliches Element der Unternehmensstrategie. Positionierung bedeutet, klar Position zu beziehen. Es braucht also ein Positionierungsprofil, das einerseits den Vorstellungen der Gäste entspricht und sich andererseits deutlich vom Wettbewerb unterscheidet. Im Sinne von: Nur bei uns bekommt der Gast das, was er sich wirklich wünscht.

Wie verhält es sich bei einem Betrieb, den man übernimmt? 
Hier stellt sich die Frage: Lohnt es sich, die Positionierung im Grossen und Ganzen zu übernehmen oder sollte man besser eine komplett neue Positionierung erarbeiten? Um das herauszufinden, braucht es eine fundierte Analyse und eine Simulation, wohin uns die bestehende Positionierung voraussichtlich bringen wird.

Worauf sollte man bei der Analyse achten? 
Zuerst sollte man sich die Kennzahlen des Hotels anschauen. Danach die Entwicklungen der Preise im Markt sowie das Umfeld mit den Mitbewerbern. 

Welche Mitstreiter sollte man sich dabei ansehen? 
Die relevante Konkurrenz aus der Region sollten auf jeden Fall genauer angeschaut werden. Allein zur Erarbeitung der Preisstrategie ist dies sehr wichtig. 

Was gilt es, in der Analysephase sonst noch zu beachten? 
Zunächst einmal sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Gäste stets aus einer Fülle von Angeboten wählen können. Daher ist es auch wichtig zu wissen, wie das eigene Hotel am Markt wahrgenommen wird. Um dies in Erfahrung zu bringen, eignen sich Umfragen wie etwa der Marken-Monitor für Hotelbetriebe. 

Was folgt auf die Analyse?
Wenn man mit der Analyse fertig ist, braucht es eine Strategie, die von der Ausgangssituation zur Vision führt. Oder umgekehrt: Man erarbeitet eine Vision und sucht dafür die optimale Strategie. 

Geht man bei der Entwicklung einer Positionierung nicht stets vom Ist-Zustand aus? 
Natürlich spielt die Ausgangssituation in beiden Fällen eine wichtige Rolle. Doch es ist ein Unterschied, ob man aus einer Ist-Situation mit ein paar wenigen Änderungen das Optimum herausholen möchte oder auf eine komplett neue Positionierung setzt. Zumal Letzteres mehr Mut erfordert und oft auch mit einem grösseren finanziellen Aufwand verbunden ist.

Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
In einem unserer Strategieworkshops hatten wir eine Gastgeberin, die sich ganz bewusst für eine Neuausrichtung ihres Hotels entschied. Bei der Suche nach einer neuen möglichen Positionierung ging es auch darum herauszufinden, woran sie als Person Freude hat. Dabei ist sie auf die Idee gekommen, «Urlaub mit Hund» anzubieten. Diese Positionierung hatte überhaupt nichts mit der vorherigen zu tun. Und dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist die Dame damit sehr erfolgreich.

Was tun, wenn man nicht ganz so mutig ist? 
Dann schälen Sie jene Eigenschaft heraus, die ihren Betrieb klar von den anderen unterscheidet. Und wenn Sie nicht sicher sind, was das sein könnte, dann fragen Sie jene, die es wissen könnten: Ihre Gäste. 

Mein Tipp:
Erarbeiten Sie für die nächsten 5 bis 10 Jahre eine Strategie und setzen Sie diese konsequent um. Seien Sie aber auch bereit, Veränderungen zu antizipieren.


Christoph Nussbaumer

Dr. Christoph Nussbaumer ist bereits seit 28 Jahren als Berater tätig. Bis zur Gründung der gleichnamigen Unternehmensberatung im Jahr 2000 war er Mitglied der Konzernleitung einer deutschen Industriegruppe. Bei dieser reorganisierte er einen weltweit tätigen Unternehmensbereich mit Produktionsstätten in Asien. Seit 17 Jahren unterstützt er mit seinem Team Hoteliers bei der strategischen Steuerung ihrer Betriebe. Christoph Nussbaumer hat in Betriebswirtschaft mit Vertiefung strategisches Marketing promoviert. Zudem ist er mehrfacher Preisträger des Constantinus Awards, eines österreichischen Beratungs- und IT-Awards. 


Philine Betz-Werner

«DIE POSITIONIERUNG MUSS ZUR KULTUR PASSEN»

Philine Betz-Werner, bei vielen Hotels ist das Alleinstellungsmerkmal eines, das alle teilen, wie zum Beispiel die Region. Wie kann ich mich als Betrieb zusätzlich abheben?
Philine Betz-Werner
: Ich bin der Meinung, dass starke Betriebe mit einer klaren Positionierung die Positionierung der Destination gar nicht brauchen. Nur schwache, weniger gut positionierte Betriebe müssen die Anlehnung an den USP der Destination suchen.

Wie kommen Sie darauf? 
Als Gast schaue ich doch zuerst, wo ich Ferien machen möchte und entscheide mich erst dann für das Hotel. Nehmen wir das Hotel Stanglwirt in Österreich als Beispiel. Die Gäste träumen davon, im «Stanglwirt» unter Prominenten und Stars Urlaub zu machen. Für die Region Wilder Kaiser interessieren sich dabei die Wenigsten, die ist «nice to have». Andere Hotels in der Region hingegen brauchen die Anlehnung an die «Glamour-Region» Kitzbühel, um am Markt wahrgenommen zu werden.  

Wie kann man vorgehen, damit die Positionierung auch unabhängig von der Region gelingt?
Natürlich sollte man als Hotelier zuerst einmal voll hinter dem stehen können, was man anbietet. Doch «Gastgeber aus Leidenschaft» zu sein, reicht in einem hart umkämpften Markt längst nicht mehr aus, um Erfolg zu haben. Deshalb ist es wichtig, sich zunächst einmal klare Gedanken darüber zu machen, welche Gästesegmente es grundsätzlich im Markt gibt und welche Bedürfnisse diese haben. 

Lohnt es sich, hierfür auch auf die Konkurrenz zu schielen? 
Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, das zu kopieren, was der Wettbewerb macht. Man hinkt dem Markt dadurch nur hinterher und startet ein Wettrüsten, das häufig am Bedürfnis des Marktes vorbeigeht. «Der Wettbewerb erweitert seine Wellnesslandschaft? Gut, dann erweitern wir unsere noch mehr.» Hotels sollten sich lieber auf ihre eigenen Stärken besinnen, entsprechend ihrem Weg und ihrer Positionierung.  

Worauf sollte man bei der Erarbeitung der Positionierung achten?
Es gilt, eine Positionierung zu entwickeln, die einerseits die Bedürfnisse der anvisierten Gästesegmente befriedigt und andererseits den eigenen Betrieb wirksam vom Wettbewerb differenziert. Bei den Gästesegmenten gilt es zudem, vorab zu prüfen, welche wirtschaftlich interessant sind. Abschliessend, und das wird häufig vergessen, ist sicherzustellen, dass die Positionierung auch wirklich zum Betrieb, seiner Infrastruktur, seiner Kultur und seinen Werten passt. 

Weshalb? 
Wenn sich beispielsweise die bestehenden Mitarbeitenden nicht mit der Positionierung des Betriebes identifizieren können, ist das problematisch. Sie sind meiner Ansicht nach der wichtigste Erfolgsfaktor für die Positionierung. Sie sind dafür verantwortlich, diese mit Leben zu füllen und in jedem einzelnen Kontakt mit dem Gast das in der Positionierung gegebene Versprechen einzulösen. Meiner Ansicht nach erhalten die Mitarbeitenden hierbei leider noch immer zu wenig Beachtung. 

Mein Tipp:
Alles, was man jetzt kurzfristig macht, muss zur Positionierung passen, denn Krisen gehen vorbei. Doch die Positionierung trägt den Betrieb über Jahre. 


Philine Betz-Werner 

Dr. Philine Betz-Werner studierte im Bachelor Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der Copenhagen Business School. Ihren Master in «Marketing, Services und Communication Management» absolvierte sie an der Universität St. Gallen (HSG), wo sie anschliessend zum Thema Aus- und Weiterbildung in Marketing und Vertrieb promovierte. Seit 2011 ist sie als Beraterin zu den Themen Marketing und Vertrieb am Institut für Marketing der HSG tätig. Des Weiteren ist sie Lehrbeauftragte für Marketing an der HSG.

Weitere Informationen unter:
www.vdh.swiss