Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Rezepte gegen Fachkräftemangel

Bald endet für viele die obligatorische Schulzeit. Da lohnt es sich, einen Blick auf die Lage im Lehrstellenmarkt des Gastgewerbes zu werfen. Zudem gibt es Tipps, wie Lernende interessant geschult werden können.

Schlagzeile im «Blick» vor Ostern: «Die Berufslehre ist nur noch in der Schweiz ein Hit». Und weiter: «Die Lehre gilt als Stolz der deutschsprachigen Länder. Doch in Deutschland und Österreich steckt sie tief in der Krise.» Das duale Bildungssystem wird hierzulande nicht nur gelebt, sondern hat sogar Vorzeigecharakter. Dies war zum Beispiel vor ein paar Jahren zu erleben, als der belgische König Philippe verschiedene Schulklassen besuchte, um unser Bildungssystem kennenzulernen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist es wichtig, diesem System Sorge zu tragen.

Endspurt bei den Lehrstellen

In den letzten Jahren war es vielerorts schwierig, offene Lehrstellen im Gastgewerbe zu besetzen. Piera Dalla Via, Präsidentin des Berufsverbandes Hotellerie & Hauswirtschaft, hält für ihren Bereich fest: «Für den Lehrbeginn 2025 haben wir leider noch rund 300 offene Stellen.» Derzeit laufen sechs Berufe parallel. Einerseits die bisherigen Berufe Hotelfachfrau/-mann EFZ, Hotellerieangestellte/-r EBA sowie die alten Berufe in der Hauswirtschaft Fachfrau/-mann Hauswirtschaft EFZ und Hauswirtschaftspraktiker/-in EBA. Andererseits die beiden neuen Lehrgänge Fachmann/-frau Hotellerie-Hauswirtschaft EFZ sowie Praktiker/-in Hauswirtschaft EFZ und EBA.

Neu werden die Klassen im Bereich Hotellerie-Hauswirtschaft gemischt geführt. «Wir stellen fest, dass 60 Prozent der Schüler aus sozialen Institutionen kommen. In der klassischen Gastronomie hat es in unseren Augen noch Potenzial für mehr Lehrstellen.» Dalla Via stellt zudem regionale Unterschiede fest: «Die Lehrverhältnisse im Bereich Hotellerie-Hauswirtschaft sinken leider in den Tourismusregionen. Dies hat sicher auch mit der hohen Nachfrage des Hoko-Berufes zu tun.»

Arlette Scheidegger, Präsidentin des Berufsverbandes Hotel, Administration & Management und Guest Relations Manager & Talent Coach im «Continental» in Luzern, stellt in ihrem Betrieb fest: «Die Lehrstellen im Bereich Hotel-Kommunikation EFZ, KV und Refa konnten wir bei uns sehr einfach besetzen.» Hingegen seien die Ausbildungsplätze als Koch sowie als Fachfrau/Fachmann Hotellerie-Hauswirtschaft noch offen. Bei den Bewerbungen für die Kochlehrstelle seien zwar wieder mehr Bewerbungen eingegangen, doch sei der passende Kandidat noch nicht gefunden worden. Auch bei der Lehrstellenbesetzung für den Beruf Fachfrau/-mann Hotellerie-Hauswirtschaft sei man noch auf der Suche.


«In unseren Berufen sind noch viele Lehrstellen offen.»

Piera Dalla Via, Präsidentin Berufsverband Hotellerie & Hauswirtschaft


Pirmin Corradini, Präsident des Berufsverbandes Bäckerei & Confiserie, sagt zu seiner Branche: «Bei uns ist die Situation etwa gleich wie letztes Jahr. Obwohl unsere Branche viele Schnupperstellen anbietet, kommt es selten zu effektiven Bewerbungen für Lehren.»

In den Nachwuchs investieren

Zufriedenstellend sieht die Situation im Kanton Zürich aus. Christoph Muggli, Berufsschullehrperson und Präsident des Berufsverbandes Service/ Restauration, sagt: «Die Lernendenzahlen bewegen sich auf demselben Niveau wie letztes Jahr. Und schon da waren wir zufrieden.» In Zürich konnte man zwei zusätzliche Klassen für Restaurantfachleute führen und auch die Anzahl der Kochlernenden nahm zu. Bei den Systemgastronomen hingegen entwickle sich die Anzahl Lernender noch nicht im gewünschten Rahmen.

Bei der Wahl des Ausbildungsbetriebs stellt Muggli noch etwas Wichtiges fest: «Vorrang haben Heime und Spitäler, aber auch Lehrbetriebe, die sich den Lernenden annehmen.» Muggli ergänzt: «Auch bei uns sind in allen Bereichen noch Lehrstellen offen oder es werden zu wenig angeboten zum Beispiel im Bereich Hoko.»

Erfreulich sieht es in Graubünden aus. Dort konnten 20 Prozent mehr Lehrverträge als im Vorjahr unterzeichnet werden, wie die «Südostschweiz» berichtete. Ebenfalls ein gutes Gefühl hat Thomas Nussbaumer, Präsident des Schweizer Kochverbandes und Geschäftsführer von Gastro Baselland: «In der Region Basel hat es zwar noch einige offene Lehrstellen mehr als im Vorjahr.» Doch: «Die letzten beiden Jahre waren im Ausbildungsbereich bei uns gut bis sogar sehr gut. Erfreulich ist dabei auch, dass relativ viele Lernende motiviert und engagiert ihre Ausbildung machen und wir wenig Lehrabbrüche haben. Ein Beispiel für einen Lehrbetrieb, der viel in junge Leute investiert, ist das Restaurant Säge in Rothenfluh/BL. Das Küchenteam besteht aus vier Mitarbeitenden: dem Chef und drei Lernenden, zwei davon im ersten Lehrjahr und einer im dritten. Dazu kommt eine Service-Lernend im ersten Lehrjahr. Das Gastgeberpaar Stefanie und David Cairoli hat einen guten Grund für sein Engagement. «Meine Frau und ich arbeiten leidenschaftlich gerne mit jungen Menschen, und es bereitet uns grosse Freude, unser Handwerk weiterzugeben», so David Cairoli. «Es ist zwar immer eine Herausforderung, aber auch eine schöne Aufgabe, unseren Auszubildenden unsere Philosophie, Ethik und Werte mitzugeben. Der Gedanke, dass sie dieses Wissen später weitertragen, motiviert uns stetig weiterzumachen.»


«Wir müssen uns als Lehrbetrieb nach aussen sichtbar machen.»

Arlette Scheidegger, Präsidentin Berufsverband Hotel, Administration & Management


Arlette Scheidegger hält zudem fest: «Wir müssen uns als Lehrbetrieb sichtbar machen.» Einerseits mit dem Label Top Ausbildungsbetrieb sowie Aktionen wie Rent-a-Stift oder Kitchen Ninjas (siehe Kacheln unten). Andererseits würden sich auch Berufswahlparcours, die Teilnahme am Tag der offenen Tür Please Disturb, am Nationalen Zukunftstag, bei Great Place to Work, an Berufsmessen und vielem anderem lohnen. «Auch berufehotelgastro.ch ist super, um auf seinen Lehrbetrieb hinzuweisen», so Arlette Scheidegger.

(Ruth Marending)


Vereinheitlichen

Strukturiert ausbilden

Die Solothurner Spitäler soH haben ein Ausbildungshandbuch geschaffen, das allen Auszubildenden und ihren gesetzlichen Vertretern die wesentlichsten Inhalte der Ausbildung aufzeigt. Als eine der grössten Ausbildungsstätten des Kantons bieten die soH 420 Ausbildungsplätze in verschiedenen Bereichen an. Die Lehrstellen mit EFZ decken ein breites Spektrum ab. Dazu gehören auch jene der Gastronomie und Hauswirtschaft. Den Betreuerpersonen dient das Buch als Leitfaden für die Arbeit mit den Lernenden. Wichtige Punkte wie Kompetenzbereiche oder rechtliche Situationen werden darin geklärt. Auf der Website steht dazu: «Wir betrachten die Lernendenausbildung als eine volkswirtschaftliche Aufgabe, welche nicht primär auf Ertrag ausgerichtet ist. Die soH will den Lernenden eine solide Ausbildung anbieten.» solothurnerspitaeler.ch


Werben

Botschafter für die eigene Lehre

Um sich für einen bestimmten Beruf und eine entsprechende Lehre entscheiden zu können, benötigen Schülerinnen und Schüler eine Vielzahl an fachlichen Informationen. Sie haben aber auch Fragen: Wie gehe ich vor bei der Bewerbung? Werde ich als Lernende/-r im Betrieb überhaupt ernst genommen? Hier setzt Rent-a-stift an: Lernende aus verschiedenen Berufen besuchen ihre nur wenig jüngeren Kolleginnen und Kollegen persönlich oder virtuell in der Schule und berichten über ihre Erfahrungen mit der Berufslehre. So bauen sie Unsicherheiten und Vorurteile im direkten Gespräch zwischen Jugendlichen ab. Als Ergänzung zum normalen Berufswahlunterricht können Unsicherheiten vor der Lehrstellensuche und vor dem Lehrbeginn sowie eine Unterschätzung der Lehre als Ausbildungsweg überwunden werden. rentastift.ch


Auszeichnen

Label für den guten Ausbildungsbetrieb

Gut ausgebildete Lernende sind die besten Botschafter für ihren Ausbildungsbetrieb. Die Ausbildung von Lernenden ist jedoch eine grosse Herausforderung. Die Berufsbildner und Berufsbilderinnen müssen nicht nur mit dem technologischen Fortschritt mithalten und produktiv sein, sondern auch Know-how vermitteln und ihre Rolle als Bezugsperson für die Lernenden wahrnehmen. TAB Top-Ausbildungsbetrieb mit Sitz im aargauischen Zofingen unterstützt Betriebe dabei, ihre Ausbildungsqualität zu erhöhen und zeichnet branchenübergreifend Unternehmen, die sich besonders intensiv in der Ausbildung von jungen Menschen engagieren, mit einem Label aus. Top-Ausbildungsbetrieb ist ein nationales Unterstützungs- und Auszeichnungssystem, das zur Attraktivität der Ausbildungsberufe beiträgt. topausbildungsbetrieb.ch


Schnuppern

Einblicke in den Wunschberuf

«Kitchen Ninjas» ist ein Berufsinformationskurs für Jugendliche zwischen neun und fünfzehn Jahren in verschiedenen Kantonen. Die Teilnehmenden absolvieren bis zu drei Workshops im Restaurant ihrer Wahl. Dabei lernen sie, was alles dazu gehört, um ein Menü zu kochen. Als krönenden Abschluss bekochen sie am Schlussevent ihre Familie und Freunde. Die Teilnahme an den Workshops ist für die Jugendlichen kostenlos. Gäste, welche am Schlussevent zum Essen kommen, bezahlen einen Pauschalbetrag, den die Gastrobetriebe selber definieren. Davon wird ein Teil an eine soziale Institution gespendet, die der kantonale Verband im Vorfeld bekanntgibt. «Kitchen Ninjas» wurde von Gastro Stadt Zürich, Gastro Zürich und dem Netzwerk Schweizer Gastronomie Grossunternehmen SGG 2017 lanciert. kitchen-ninjas.ch


Praxisnah schulen

Von der Schulstube zum Landwirt

Im Kanton Zug können sich Kochlernende auf dem Feld und im Stall praktisches Wissen aneignen. Die kantonale Kampagne Smart Food Zug organisierte dazu neue Unterrichtsmodule. Das hat Christoph Wildhaber auf die Idee gebracht, den praktischen Unterricht fest in seinen Lehrplan aufzunehmen. Er ist Lehrperson Köche/ Küchenangestellte und Berufsverantwortlicher Gastro/Hotellerie-Hauswirtschaft & Leiter Ausbildungsküche am GIBZ Gewerblich-industriellen Bildungszentrum Zug. «Da es schwierig ist, das Gemüsefeld ins Schulzimmer zu bringen, habe ich den Besuch auf dem Bauernhof bei mir an der Berufsfachschule im zweiten Semester obligatorisch gemacht», so Wildhaber. «Dort sehen und fühlen die Lernenden, wie Gemüse und Kartoffeln aus dem Boden wachsen und was es alles dazu braucht.» gibz.ch


Selbständig sein

Verantwortung übernehmen

Seit 2019 setzt die SV Group mit dem Projekt Lernenden-Restaurant ein Zeichen für die ganze Branche. Wie es der Name bereits erahnen lässt, geht es dabei darum, dass die Lernenden ein Restaurant selbständig führen. Im Restaurant Martinsberg der Berufsfachschule Baden sind sechzehn Personen beschäftigt, neun davon sind Lernende. Die SV Group verfolgt damit das Ziel, die berufliche Grundbildung für Gastronomieberufe attraktiver zu gestalten. Das Projekt ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Lernenden in den Berufen Systemgastronomiefachfrau/-mann und Köchin/ Koch dürfen früh Verantwortung übernehmen und profitieren von der intensiven Betreuung. Die SV Group wiederum kann damit langfristig mehr Fachkräfte für sich gewinnen und eine attraktive und innovative Ausbildung bieten. sv-group.com


Zahlen und Fakten

1930

Ab den 1930er-Jahren wurde in der Schweiz das duale Ausbildungssystem etabliert. Es kombiniert die praktische Arbeitserfahrung im Betrieb mit theoretischem Unterricht in der Berufsschule.


Gemäss Yousty.ch, dem grössten Berufsbildungsportal der Schweiz, entscheidet sich rund die Hälfte der Schulabgänger für eine Lehre.


9000

von 75'000 Lehrstellen über alle Berufe hinweg, inklusive Gastronomie und Hotellerie, blieben zum Schulbeginn 2024 unbesetzt.


2024

Unter den Top 10 der offenen Lehrstellen listete Yousty.ch im Jahr 2024 gleich drei Berufe aus der Gastronomie auf:
Platz drei: Koch/Köchin EFZ mit 320 offenen Stellen,
danach Fachmann/-frau Hauswirtschaft EFZ mit 286 offenen Stellen,
Platz neun: Restaurantfachmann/-frau EFZ mit 206 Stellen.


Das duale Bildungssystem ist eine der grössten Stärken der Schweiz.


651

Lehrstellen im Bereich Küche sind per Mitte Mai in der Schweiz auf yousty.ch ausgeschrieben.