Serie: Schweizer Spirituosen (Teil 4): Rum, der nicht so heissen darf

Die Herstellung von Rum ist nicht geschützt. Trotzdem dürfen solche Produkte in der Schweiz nicht immer Rum genannt werden.

Jeweils im Herbst werden in der Schweiz die Zuckerrüben geerntet. (Keystone-SDA)

Eigentlich ist Urs Lüthy vor allem auf Whisky spezialisiert. In seiner Bauernhofbrennerei in Muhen/AG destilliert er Schweizer Single Malt Whisky, der schon mehrfach prämiert und ausgezeichnet wurde. Doch es gibt auch eine Spirituose mit rumähnlichem Charakter, den fassgelagerten «andersRum». Das Wortspiel ist für Lüthy wichtig, denn sein «Rum» wird nicht aus Zuckerrohr, Zuckersirup oder deren Melasse hergestellt, so wie es die Getränkeverordnung des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) vorschreibt. Seine Spirituose wird aus Schweizer Zuckerrübenmelasse destilliert. «Geschmacklich gehört der Zuckerrübenschnaps jedoch klar zur Rumfamilie», sagt Urs Lüthy.

Der Name Rum wird vom englischen Wort Rumbullion abgeleitet.

Lüthy zählt zu einer kleinen Zahl von Schweizer Brennern, die sich an die Zuckerrübe als Grundstoff wagen. Bis 1999 war das verboten. Zuckerrüben galten wie Getreide und Kartoffeln als Grundnahrungsmittel und durften nicht zu Schnaps verarbeitet werden.

Als Basis für seinen «andersRum» verwendet Lüthy die Rübenmelasse, die bei der Gewinnung des raffinierten weissen Zuckers zurückbleibt. «Die enthält etwa 40 Prozent Zucker, der nicht aus der Melasse herausgelöst und kristallisiert werden kann», erklärt der Brenner. Die dunkle, klebrige Masse schmeckt erdig. «Für die Gärung der Melasse mussten wir gegen 20 verschiedene Hefen ausprobieren, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren», erinnert sich Lüthy.

Für die Fasslagerung entschied sich Lüthy für ausgediente Schweizer Wein- und amerikanische Bourbon-Fässer. «Dank der Fasslagerung verlor das Destillat seine Ecken und Kanten, wurde ausgewogen und fein.» Die Fasslagerung von Lüthys «andersRum» von mehr als vier Jahren ist bei der Rumproduktion nicht Standard. Im Gegenteil zu Whisky, der erst nach mindestens drei Jahren im Fass als solcher bezeichnet werden darf, gibt es beim Rum keine solche Vorschrift.

Lüthys Engagement im Rumbereich hat sich gelohnt. Sein «andersRum» wurde an der Distisuisse 19/20 mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Diese wird für Produkte mit über 90 von 100 Punkten vergeben.

Pioniere im Rumbereich

Urs Lüthy ist nicht der Einzige, der die Zuckerrübe für rumähnliche Spirituosen verwendet. Fast zeitgleich hat sich ein Zweiter mit der Knolle auseinandergesetzt: Martin Angehrn, ehemaliger Besitzer von CC Angehrn. Die beiden Pioniere Angehrn und Lüthy haben in einem gemeinsamen Ge spräch versucht herauszufinden, wer zuerst mit der Zuckerrübensaftdestillation startete. «Wir stellten fest, dass wir zeitgleich begannen», schmunzelt Lüthy.

Eine andere Schweizer Pionierleistung in Sachen Rum ist der Coruba. Zwar wird dieser nicht aus Schweizer Zutaten hergestellt, aber hierzulande vermischt, und zwar in den Haecky-Kellereien in Reinach/BL. Deshalb darf der Coruba ganz offiziell als Rum bezeichnet werden. Alles begann vor über 120 Jahren, als der Basler Kaufmann Rudolf Waeckerlin in der ganzen Welt Ausschau nach köstlichen Dingen hielt. Eines Tages kam er nach Jamaika, wo er das Destillat Rum entdeckte.

Die Spuren der Rumproduktion reichen im karibischen Raum bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die erste urkundliche Erwähnung fand das Getränk um 1650 als «rumbullion». Diese englische Bezeichnung lässt sich mit Tumult, Aufruhr oder Krawall übersetzen.

Rudolf Waeckerlin jedenfalls war so begeistert von der Spirituose, dass er 1889 die Compagnie Rhumière de Bâle in Basel gründete. Da dieser Name zu schwerfällig war, entstand aus den Initialen der Markenname Coruba. Noch heute ist die Spirituose Bestandteil von Drinks wie dem Cola Coruba, dem Mai Tai oder der Piña Colada.

(Ruth Marending)


Interessante Adressen zu Rum

Brennerei Lüthy, Muhen/AG

Urs Lüthy stellt in seiner Brennerei seit 2014 Rum aus Zuckerrüben her.
www.brennerei-luethy.ch

The Last Barrel GmbH, Mörschwil/SG

Der Rum The Last Barrel wird nach einem sagenumwobenen Rezept aus Schweizer Rübenzucker produziert und ruht während 18 bis 36 Monate in Wein- und Whiskyfässern. Der prämierte Bestseller der Distisuisse 2019/20 (Kategoriensieger) besticht durch seine delikate Süsse.
www.lastbarrel.ch

Matte Brennerei Bar GmbH, Bern

Der «Berner Matte Summa Summarum» ist ein Zuckerrübenbrand aus Berner Rübenmelasse, verfeinert mit madegassischer Vanille, Kakao und Tonkabohne.
www.mattebrennerei.ch

Zuckerrübenschnaps Kreienbühl, Zürich

Seit 2014 gibt es die Rübenbrände «Röm el Primero» und «neutrum» von Mateo Kreienbühl.
www.zuckerruebenschnaps.ch

Haecky Drink, Reinach/BL

Coruba Rum ist der älteste, in der Schweiz hergestellte Rum mit Zutaten aus Südamerika.
www.haecky.ch

Humbel Spezialitätenbrennerei AG, Stetten/AG

Seit 2010 stellt die Humbel Spezialitätenbrennerei den Ron Guajira her, einen weissen Rum aus paraguayischer Biomelasse. Der Rum ist Fair-Trade- und Bio-Knospenzertifiziert. Dazu gesellt sich der Ron de Marinero, ein brauner Rum. Zudem gibt es so genannte Cask Adventures (Holzabenteuer)-Rums: Rum-Experimente, die in verschiedenen Fässern gelagert wurden.
www.humbel.ch