«Traut euch, stopp zu sagen»

Wo gearbeitet wird, passieren Unfälle – gerade bei Lernenden. Experte René Matter erklärt, wie sie sich schützen und was Arbeitgeber präventiv tun können.

René Matter, im Schnitt haben Lernende ein um 50 Prozent höheres Unfallrisiko als erfahrene Berufsleute. Woran liegt das?
Die Auszubildenden haben noch wenig Erfahrung und kennen die Risiken nicht, wenn sie nicht angemessen ausgebildet und begleitet wurden. Junge Menschen haben im Allgemeinen ein geringeres Risikobewusstsein als ältere Menschen. Hinzu kommt, dass oft das Selbstvertrauen noch nicht so ausgeprägt ist. Jugendliche trauen sich vielfach nicht, Stopp zu sagen. Sie wollen Vorgesetzte sowie Berufskolleginnen und -kollegen nicht verärgern oder enttäuschen.

Nur einer der Gefahrenherde in der Gastronomie: scharfe Messer. (unsplash)

Wie haben sich die Zahlen der Arbeitsunfälle in der Gastronomie entwickelt?
Die Zahl der Unfälle ist in den letzten Jahren praktisch stetig gesunken. Dass die Zahl in den Jahren 2020 und 2021 stark rückläufig war, wurde sicherlich durch die Coronapandemie beeinflusst. So ist es auch nicht erstaunlich, dass im Jahr 2022 wieder deutlich mehr Unfälle zu verzeichnen waren. Während wir bei der Gesamtzahl weiterhin langfristig eine positive Entwicklung erwarten, ist jedoch die Zahl der schweren Unfälle tendenziell angestiegen. 2013 wurden insgesamt 329 schwere Unfälle verzeichnet, 2022 waren es 376.

Welches sind die häufigsten Gefahrenherde in der Gastronomie?
Das Gastgewerbe ist einem stetigen Strukturwandel und einem erhöhten wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Dies kann unter anderem dazu führen, dass die Arbeitssicherheit nicht immer an erster Stelle steht. Zu den häufigsten Unfällen in der Gastronomie zählen das Stolpern, Ausrutschen und Stürzen sowie das Herunterfallen. Aber auch  Schnitt- und Stichverletzungen passieren oft.

Was können Arbeitgeber tun, um Unfällen vorzubeugen?
Sie müssen Mitarbeitende über die Risiken aufklären und dafür sorgen, dass sie sich an die Regeln halten. Die Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften sollte die gleichen Konsequenzen haben wie die Nichteinhaltung der Arbeitszeiten oder der Hygienevorschriften. Auf safeatwork.ch findet man unterstützend dazu Schulungskits. Zudem ist es besonders bei jungen Menschen wichtig, Selbstvertrauen zu vermitteln. Lernende müssen nachfragen, wenn sie sich nicht sicher fühlen – und dazu muss man sie immer wieder ermuntern.

Und wie können Arbeitnehmende sich selbst schützen?
Sie müssen sich vor allem trauen, etwas zu sagen, sobald sie sich nicht sicher fühlen. Das Allerwichtigste ist daher, Offenheit und Vertrauen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen. Darüber hinaus ist es wichtig, erholt und konzentriert zu arbeiten und natürlich keinen Alkohol oder Drogen zu konsumieren.

Inwiefern setzt sich der  interkantonale Verband für Arbeitnehmerschutz für mehr Sicherheit der Lernenden ein?
Junge Berufsleute informieren sich primär bei drei Gruppen. Das sind zum einen die Eltern. Eine weitere Gruppe sind Bezugspersonen wie Ausbildner, und die dritte Gruppe sind Freunde sowie vermehrt auch Social-Media-Persönlichkeiten. Aufgrund dessen haben wir bei unserer neuen zielgruppenorientierten Kampagne mit dem Titel «Be Smart Work Safe – Safety Bars» den Fokus auf die Social-Media-Plattformen Tiktok und Instagram gerichtet. Hier wurden mit Content Creators aus der Schweiz kurze Tracks erstellt, welche die Sicherheit am Arbeitsplatz thematisieren. So hoffen wir, einen Teil zur Reduktion von Unfällen beitragen zu können.

(Angela Hüppi)


Zur Person

René Matter ist Leiter der interkantonalen Präventionsfachstelle UVG. Diese ist Teil des interkantonalen Verbands für Arbeitnehmerschutz IVA. Die Fachstelle ist zuständig für die Bearbeitung verschiedenster Präventionsthemen. 

Gemäss René Matter kann das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und -nehmer entscheidend sein, um Arbeitsunfällen vorzubeugen.


Mehr Informationen unter:

iva-ch.ch