Speiseöle: Der Siegeszug der einst verpönten Fette

Noch vor wenigen Jahrzehnten kämpften pflanzliche Öle gegen das Image der billigen Fette. Heute gibt es eine Vielzahl an Qualitätsölen, die den Weg in die Spitzengastronomie gefunden haben.

  • Gut ein Dutzend Öle stellt Simon Müller in seiner Schauölmühle im Basler Gundeldingerquartier her. Die Rohstoffe stammen aus biologischem Anbau. (Bilder Claudia Link)
  • Wie schwarze Würmer wälzt sich der Mohntrester aus der Mühle. Ölmüller war seit jeher ein seltener Beruf.

Die Schneckenpresse sieht aus wie ein übergrosser Fleischwolf. Simon Müller tätschelt liebevoll den Trichter, der mit Sesamsamen gefüllt ist. Langsam tropft der herausgepresste Saft in den Topf. Die Reste der Samen kräuseln sich wie Orangenschalen in einen Eimer. Es verbleibt der so genannte Presskuchen. «Meine Mühlen stammen von Kay Kühnel, dem deutschen Pionier in der Herstellung hochwertiger Ölmühlen für die Kaltpressung», erklärt er. «Diese Maschinen bekommen nur jene, die sich der erstklassigen Herstellung hochwertiger Öle verschrieben haben.»

Zu diesen Herstellern, sogenannten Ölmüllern, zählt Simon Müller. Auf die Ölproduktion ist er zufällig gestossen. Der gelernte Therapeut suchte vor gut zehn Jahren für seine medizinischen Anwendungen hochwertige Öle. Weil er diese auf dem Markt nicht fand, begann er, sie selber herzustellen. «Ich vertiefte mich immer mehr in die Materie und erkannte, dass sich hochwertige Öle nicht nur für meine Anwendungen eignen, sondern auch in der Ernährung eine wichtige Rolle spielen.»

Pflanzliche Öle enthalten eine Vielzahl wichtiger Vitamine, Enzyme und Mineralstoffe. Dank der von Simon Müller angewendeten schonenden Kaltpressung unter 37 Grad Celsius bleiben diese für den Stoffwechsel wichtigen Substanzen erhalten. Das Wissen über die Ölherstellung hat er sich autodidaktisch beigebracht. Mit Erfolg. Beim Concours Suisse des Produits du Terroirs wurde sein Hagebuttenkernöl mit der Goldmedaille ausgezeichnet. An jenem Anlass lernte er auch Spitzenkoch Nenad Mlinarevic kennen. Mit diesem Kontakt ebnete sich für Simon Müller der Weg in die Spitzengastronomie.

Eine Vielfalt an Ölen für Profis

Heute ist Simon Müller auf naturbelassene Speiseöle in Rohkostqualität spezialisiert. Nicht nur Nenad Mlinarevic, sondern auch  Sven Wassmer vom «Silver» in Vals, Fabian Fuchs vom Zürcher «Equitable» oder Sebastian Rösch vom «Mesa», ebenfalls in Zürich, zählen zu seinen Kunden.

Fabian Fuchs, dessen Lokal mit 16 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, bezieht beim Basler Ölisten Raps-, Leindotter-, Sesam- und Kürbisöl. «Das Rapsöl ist essenziell in meiner Küche», sagt er. «Statt Olivenöl setze ich überall Rapsöl ein. Das entspricht meiner Küchenphilosophie, da ich nur mit einheimischen Produkten arbeite.» Das Leindotteröl mit seiner feinen, frischen, grasigen Note verwendet er oft in Verbindung mit Fisch. Beinahe in Vergessenheit geraten, wird der Leindotter als wertvoller Lieferant von Omega-3-Fettsäure wiederentdeckt. Es ist eine genügsame Pflanze, die nur bescheidene Ansprüche an Boden und Klima stellt. Als Lieferanten hat Simon Müller an seinem Wohnort in Blauen/BL einen Landwirt gefunden, der extra für ihn diese Pflanze anbaut. Das Leindotteröl findet in der kalten Küche seine volle Entfaltung, denn nur kalt angewendet, werden die wertvollen Omega-3-Fettsäuren und das Vitamin E vom Körper aufgenommen.

Auch Sebastian Rösch vom «Mesa» schwört auf Müllers Öle. «Sie sind einfach super», sagt der Spitzenkoch, dessen Restaurant von «Gault Millau» mit 15 Punkten und von «Michelin» mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Derzeit bezieht er vom Basler Ölisten Haselnuss-, Leindotter,- Senf- und Himbeerkernöl. «Seine Öle nutze ich besonders für unsere veganen Gerichte, für die ich nur die bestmöglichen Produkte verwende», so Rösch. «Sie sind dafür perfekt, da er mit den Ölen ein absolutes Edelprodukt schafft.»

So setzt Rösch Müllers Öle gezielt ein. Leindotteröl liebt er in Kombination mit Erbsengerichten. Das Haselnussöl verwendet er für eine Blumenkohlemulsion, die er an einem veganen Tag anstelle von Butter zum Brot serviert.

Für jedes Gericht ein anderes Öl

Rösch kennt alle Öle von Simon Müller, setzt jedoch in seiner Küche auch andere Öle ein. So verwendet er für den Klassiker Kartoffelsalat mit Backhendl Kürbiskernöl vom Wiener Essigbrauer Gegenbauer, das auch bei allen Kürbisgerichten zum Einsatz kommt. Von der Firma Jumi bezieht er das Zitronenöl. «Für mich ist das einfach das beste, das auf dem Markt erhältlich ist», resümiert Rösch.

Doch das wichtigste Öl in seiner Küche ist Schweizer Rapsöl. «Das ist für mich ein Grundbaustein. Das Öl hat einen milden Geschmack und drängt sich nicht auf wie beispielsweise das oft ranzig schmeckende Sonnenblumenkernöl.» So verwendet er Rapsöl zu sämtlichen grünen Kräutern oder zusammen mit weiteren Gewürzen als Basis zu Fleisch. Auch zum Frittieren verwendet er Rapsöl. Allgemein sagt Rösch: «Öl ist für meine Küche elementar. Es ist Genussträger, rundet jedes Gericht ab und ist als Emulgator unverzichtbar.»

Warum Öl in der Ernährung lange einen schweren Stand hatte

Bereits die Jäger und Sammler erkannten die Nützlichkeit von Ölsaaten. Samen wie Sonnenblumenkerne, Sesam, Mohn und Leinsamen liessen sich ohne Wissen um die Haltbarmachung von Lebensmitteln länger lagern als Früchte, Wurzeln oder Fisch und Fleisch. In jener Zeit, als der hohe Energiegehalt von Lebensmitteln das eigene Überleben sicherte, war dies ein wichtiger Faktor. So ist bekannt, dass bereits zu Zeiten der Pharaonen die Ägypter Oliven-, Nuss- und Sesamöl für die Zubereitung ihrer Speisen verwendeten. In der mitteleuropäischen Küche spielte Öl jedoch lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Zwar wurde die Margarine, ein pflanzliches Erzeugnis, bereits 1869 von Hippolyte Mège-Mouriès erfunden, doch Butter, Schmalz und Talg blieben bis ins frühe 20. Jahrhundert die wichtigsten Fette der menschlichen Ernährung. Erst mit dem steigenden Gesundheitsbewusstsein der letzten Jahrzehnte geriet Speiseöl in den Fokus der Küche. In Europa ist Rapsöl heute gar das meistverwendete Pflanzenöl.

Ursprünglich hatte Rapsöl einen hohen Anteil an Bitterstoffen und der ernährungsphysiologisch bedenklichen Erucasäure. Es wurde daher kaum in der Ernährung eingesetzt, sondern vor allem als Lampenöl, Schmiermittel und Grundstoff für die Seifenherstellung verwendet. Seit der Züchtung von Sorten mit geringerem Anteil an Erucasäure und Bitterstoffen in den späten 1960er-Jahren hat sich Raps weltweit zu einer der wichtigsten Ölpflanzen entwickelt. In der Schweiz werden heute 75 000 Tonnen Raps angebaut.

Dass Rapsöl für die Gastronomie interessant ist, bestätigt Felix Bosshardt von der Florin AG in Muttenz/BL: «Unser 2006 lanciertes Holl Rapsöl, ein reines Schweizer Produkt, ist preiswert und lässt sich vielfach in der Küche anwenden: für kalte Gerichte genauso wie zum Anbraten bei 180 Grad Celsius.»

(Ruth Marending)


Nützliche Kontakte

Simon Müller, der Ölist: www.oelist.ch

Florin AG, Muttenz: Die Marke Florin steht seit acht Jahrzehnten für hochwertige Speiseöle, Fette und Margarinen. Das Familienunternehmen wird in der dritten Generation geführt.
www.florin-ag.ch

Oleificio Sabo: 1845 im Tessin gegründet. Sabo gilt als Schweizer Marktleader im Bereich Olivenöl, Bio- und Spezialitätenöl.
www.sabo-oil.com

Kleine Ölmühlen: In der Schweiz gibt es viele kleinere Produzenten, die sich vor allem auf die Herstellung von Nussöl spezialisiert haben. Eine Liste ist zu finden unter: www.fructus.ch