Der «Wunderbrunnen» in Opfikon/ZH ist ein Paradies für Weinliebhaber. Wie handhabt man hinter den Kulissen 3500 Positionen sowie ein umfassendes Glas-für-Glas-Angebot?
Roger Hirzel, Sie bieten eine weltweit einzigartige Vielfalt an Topweinen im Offenausschank an. Wie hoch sind die Verluste?
RogerHirzel: Als wir vor fünf Jahren mit Coravin starteten, gab es in den ersten Monaten einige Flaschen, die wir als Kochwein verarbeiten mussten. Heute haben wir das System im Griff, und es gibt kaum noch Verluste.
Können Sie Coravin kurz erklären?
Das sind handliche Geräte, bei denen eine feine Nadel durch den Korken sticht. Dann wird Argon-Gas in die Flasche gepresst. Überdruck lässt den Wein durch die Nadel ins Glas fliessen. Nach dem Herausziehen der Nadel dichtet der Korken das feine Loch ab. Das erlaubt uns, exklusive Crus und gereifte Weine anzubieten.
Wie lange bleibt der Wein gut?
Coravin garantiert zwölf Monate. Bei uns im «Wunderbrunnen» sind die Flaschen nie länger als drei bis vier Monate «offen». Obwohl die Gäste aus 130 Weinen wählen können, sind selten alle gleichzeitig «angestochen». Wir können den Verkauf steuern. Gut 80 Prozent der Gäste folgen dem Rat des Sommeliers.
Dann drängen Sie den Gästen auf, was Sie verkaufen wollen?
Auf keinen Fall. Uns ist wichtig herauszufinden, welche Weine der Gast mag. Dann können wir unsere Empfehlung abgeben. Viele Junge wollen heute Topweine trinken. Und sind bereit, dafür fair kalkulierte Preise zu bezahlen. Das Weinwissen ist sehr gross.
Wenn die Gäste den Empfehlungen folgen, braucht es dann eine gedruckte Weinkarte?
Ja. Unsere Weinkarte wird von Freaks rege genutzt.
Was mögen die Gäste?
Im «Wunderbrunnen» empfangen wir eine internationale Kundschaft. Die interessiert sich für regionale Weine. Auch heimische Gäste trinken vermehrt Schweizer Wein. Wir haben in allen Regionen gute Produzenten. Wenn bei mir ein Gast eine Burgunderdegustation machen will, empfehle ich, Pinot Noirs aus der Bündner Herrschaft mit solchen aus dem Wallis zu vergleichen. Einen Wein aus dem Burgund kann ich dann immer noch hineinschmuggeln.
Mit 3500 Positionen erübrigt sich die Frage nach einem Lieblingswein. Gibt es eine Rebsorte oder Lage, die Sie immer wieder gerne trinken?
Das hängt von der Jahreszeit ab. Oder ob ich den Wein zum Essen trinke oder einfach so geniesse. Filigrane Pinot Noirs mag ich lieber solo. Neue-Welt-Weine hingegen bieten zum Essen serviert mehr Genuss als einfach so. Reifer Bordeaux aus den 1980er-Jahren ist etwas vom Besten, das man jetzt trinken kann. Wichtig ist, dass jeder Wein auf dem Zenit geöffnet und getrunken wird.
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schluck Wein?
Nein. Doch meine Eltern tranken am Sonntag immer Wein. Häufig einen Südtiroler, denn meine Grossmutter stammte von dort. Nach der Lehre segelte ich über den Atlantik, reiste durch Südamerika und entdeckte gute Weine.
Wie viele Flaschen Wein haben Sie in Ihrem Keller?
Rund 44 000 Flaschen. Knapp einen Viertel davon verkaufen wir jedes Jahr im «Wunderbrunnen». Die werden auch wieder ersetzt.
Wer kauft ein?
Ich. Doch das wird immer aufwendiger und komplexer. Vor fünf Jahren hatten wir ein mit Raritäten weitaus besser dotiertes Angebot.
Weshalb?
Es gibt weltweit immer mehr Hotels und Restaurants im gehobenen Segment. Viele wollen Spitzenweine anbieten. Doch deren Mengen sind begrenzt und die Preise steigen exorbitant. Da lobe ich die Schweizer Winzer. Viele könnten ihre Weine teurer verkaufen. Trotzdem bleiben sie auf dem Boden und verkaufen selektiv. Wir arbeiten eng mit Winzern der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses zusammen.
Wie kommen Sie an Raritäten?
Seit 30 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Wein. In dieser Zeit habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut. Heute bin ich stets auf der Suche nach grösseren Kollektionen. Regelmässig kaufe ich ganze Keller aus Privatbesitz. Einzelflaschen interessieren mich weniger. Auch beim Kauf im Internet bin ich vorsichtig. Da werden viele gefälschte Flaschen angeboten.
Wird im «Wunderbrunnen» speziell zum Wein gekocht?
Nein. Unsere Küche ist raffiniert, saisonal ausgerichtet und wir achten darauf, dass die Gerichte nicht mit zu vielen unterschiedlichen Geschmäcken überladen sind.
(Interview Gabriel Tinguely)
Nach der Lehre und einer Südamerikareise kam der Thurgauer Roger Hirzel nach Zürich, machte sich selbständig und führt heute ein Haustechnik-Unternehmen mit 60 Mitarbeitern. Der Weinliebhaber bildete sich zum Sommelier weiter. Er kaufte die Liegenschaft «Wunderbrunnen», baute sie um und eröffnete 2014 sein Weinrestaurant.