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Voluntourismus – Wem nützt's?

Hier kostet die Arbeitskraft nichts. Gäste putzen, kochen oder gärtnern freiwillig im Hotel oder Restaurant für Kost und Logis. Machen Hoteliers da ein cleveres Geschäft?

  • In der «Husky Lodge» im Muotathal helfen Freiwillige bei der Pflege der Huskys oder bewirtschaften das dazugehörige Hüttenhotel. (ZVG)
  • Freiwillige helfen auf Bündner Bergweiden oder arbeiten mit Tieren und übernachten dafür gratis im Hotel Medelina. Im Lassalle-Haus erhalten sie spirituelle Unterstützung, Kost und Logis, dafür arbeiten sie im Seminarhotel in der Reinigung, der Küche oder im Garten. (ZVG)
  • Freiwillige helfen auf Bündner Bergweiden oder arbeiten mit Tieren und übernachten dafür gratis im Hotel Medelina. Im Lassalle-Haus erhalten sie spirituelle Unterstützung, Kost und Logis, dafür arbeiten sie im Seminarhotel in der Reinigung, der Küche oder im Garten. (ZVG)
  • Freiwillige helfen auf Bündner Bergweiden oder arbeiten mit Tieren und übernachten dafür gratis im Hotel Medelina. Im Lassalle-Haus erhalten sie spirituelle Unterstützung, Kost und Logis, dafür arbeiten sie im Seminarhotel in der Reinigung, der Küche oder im Garten. (ZVG)

Ein Gast reist an einen schönen Ort in den Bergen und checkt im Hotel ein. Er speist, trinkt und übernachtet – jedoch ohne am Ende zu zahlen. Hört sich für den Hotelier nicht unbedingt nach einem guten Deal an. Wäre da nicht Voluntourismus, ein Mix aus Freiwilligenarbeit und Tourismus. Denn für Kost und Logis arbeitet der Gast im Betrieb mit. Kann man ihn dann noch Gast nennen? Oder doch bereits Mitarbeiter? Und zwar einen Mitarbeiter, der den Betrieb nichts kostet und der keinen Feierabend hat. Wer profitiert am Ende? Muss der Hotelier schliesslich draufzahlen? Oder entwickelt sich für ihn ein profitables Geschäft? Wir haben uns in zwei Hotelbetrieben umgesehen. 

Vier Tage arbeiten, einen Tag frei

Idyllisch liegt das Hotel Medelina am oberen Dorfrand im bündnerischen Curaglia. Der Blick schweift über die Surselva und die umliegenden Berge. Erst vor einigen Monaten eröffnete das Haus mit seinen 15 Zimmern. Fünf Angestellte sind dort tätig. Und seit ein paar Tagen auch Doris Heim. Fünf Tage bleibt sie im Berghotel, arbeitet vier davon und hat einen Tag frei. Die Solothurnerin ist eine der ersten Teilnehmerinnen des neuen Projektes der Schweizer Berghilfe zusammen mit dem Switzerland Travel Centre. Von Juli bis Dezember kann man in drei verschiedenen Bergbetrieben am Leben und der Natur teilhaben und gleichzeitig bei der täglichen Arbeit mit anpacken. Das Hotel Medelina ist eines davon. 

Mal putzen, mal heuen

Das Hotel ist eines der wenigen Betriebe, die nicht nur Arbeit im Haus selbst anbieten, sondern auch mit befreundeten Bauern zusammenarbeiten. Auf umliegenden Bio-Bauernhöfen können die Freiwilligen für einen Tag Einheimische sein. Sie heuen, zäunen, holzen oder entbuschen. «An einem Tag habe ich auch bei der Verlegung von Geissen geholfen, die wir auf den Oberalppass gebracht haben», erzählt Doris Heim. «Heute Morgen war ich die helfende Hand in der Küche. Wir haben Capuns zubereitet – das ist für mich als Solothurnerin neu. An einem anderen Tag habe ich im Zimmerservice geholfen und die Wäsche gemacht. Klar, es gibt Tätigkeiten, die mich mehr interessieren und dann auch welche, die weniger spannend sind. Aber so sieht man, was alles hinter einem Betrieb steckt», erzählt sie weiter. Vier Tage arbeitet sie in unterschiedlichen Bereichen, mit einem normalen Arbeitstag kann man es laut Doris Heim jedoch nicht vergleichen – es sei viel entspannter. Deshalb habe sie auch diese Auszeit gebraucht. Sie kündigte vor drei Monaten ihren Job und beschäftigt sich bis Ende Jahr mit verschiedenen Projekten. «Ich finde, Voluntourismus ist an sich eine gute Sache für beide Seiten. Ich kann meinen Blickwinkel erweitern, und den Betrieb bereichert es auch.» 

Ob es Sinn mache, für lediglich vier Tage jemanden anzulernen? «Sehr anspruchsvoll sind die Arbeiten nicht. Der Gast wird auch nicht als volle Kraft eingesetzt. Das ist nicht die Idee», erzählt Inhaber Rico Tuor. «Die Gäste sind nur eine kleine Unterstützung für uns, und im Gegenzug erleben sie die schöne Bergwelt und sehen, woher die Produkte kommen.

Doris Heim war bisher die einzige Voluntouristin im Betrieb. Rico Tuor findet, es mache auch Sinn, im Winter Freiwillige aufzunehmen. Dann, wenn die Tiere von der Alp zurückkehren und es in den Bauernbetrieben wieder viel Arbeit gibt – die Bauern entlasten die Freiwilligen enorm, wie Rico Tuor meint. Doch auch das Hotel ist in der Winterzeit bei Skisportlern beliebt. Ob das Projekt im Winter zustande kommt, weiss man jedoch noch nicht. 

Arbeiten und auch noch draufzahlen?

200 Franken müssen die Teilnehmenden jedoch draufzahlen, obwohl sie im Betrieb arbeiten. Dieses Geld fliesst jedoch nicht in die Tasche des Hotels, sondern an die Organisatoren. Davon bezahlt das Swiss Travel Centre die Anreise der Freiwilligen an den Ort. Der Restbetrag kommt der Schweizer Berghilfe für die Organisation und das Marketing zugute.

Meditation mit Arbeit verbinden

Während die einen erst neu ins Voluntourismus-Geschäft einsteigen, sind andere bereits Profis auf dem Gebiet. Seit 20 Jahren kommen Langzeitgäste und Freiwillige im Lassalle-Haus auf den Hügeln um Zug unter. Es ist ein von Jesuiten geführtes spirituelles Zentrum mit angegliedertem Hotelbetrieb. Das ganze Jahr über helfen Freiwillige dort in der Reinigung, der Küche oder im Garten und werden spirituell begleitet. Meditation ist fester Bestandteil des Alltags. Zudem kann man Zen-Kurse besuchen, sich in Kontemplation üben oder im Schweigen zur Ruhe kommen. «Ich bin nicht zum Arbeiten hier. Ich möchte hier zu mir selbst finden und die Arbeit ist dazu da, um mir das zu ermöglichen», erzählt eine Freiwillige. Drei Monate bleibt sie dort und ist eine der Langzeitgäste des Lassalle-Hauses.

Maximal fünf Volontäre haben zur gleichen Zeit Platz – an Interessenten fehlt es nicht, auch nicht im Winter. Bis zu einem Jahr können die Freiwilligen im Haus bleiben. Zu 50 Prozent sind sie jeweils angestellt – Kost, Logis und die spirituelle Begleitung sind der Lohn. «Wir rechnen nicht mit der vollen Arbeitskraft. Viele, die zu uns kommen, sind erschöpft. Wir begleiten sie, und im Gegenzug leisten sie einige einfache Arbeiten. Wir haben wegen der Freiwilligen nicht weniger Angestellte», erzählt Pia Seiler, Presseverantwortliche des Hauses. Und doch sind sie unverzichtbar. «Der Pikettdienst wäre finanziell sonst sehr aufwendig», sagt Direktor Tobias Karcher. Die Langzeitgäste machen die abendlichen Rundgänge im sehr weitläufigen Haus, schliessen alle Türen oder lassen spät anreisende Gäste hinein, wenn die Réception nicht mehr besetzt ist. «Wir müssten sonst die Securitas anstellen», weiss auch Pia Seiler.

«Der Betrieb würde auch ohne sie laufen»

Zu den Aufgaben der Freiwilligen gehört auch das Aushelfen in der Küche oder die Reinigung der 75 vorhandenen Zimmer. «Wenn sonntags 30 Leute abreisen, gibt es in der Hauswirtschaft viel zu tun. Auch wische ich ab und zu die Böden in den grossen Hallen – das ist schon fast meditativ», erzählt die 46-jährige Volontärin. «Der Betrieb würde jedoch auch ohne mich laufen.» Die Deutsche fühlte sich ausgebrannt, gab ihre Management-Position in einer grossen Firma auf und suchte nach spirituellem Beistand. «Ich habe mein ganzes Leben auf Null gestellt und mache jetzt erstmal eine Reise nach innen», erzählt sie.

Wohnen und den Garten pflegen

Dreimal im Jahr findet im Lassalle-Haus eine Gartenwoche statt – ein eigens initiiertes Projekt, das aus der Not heraus entstand. Im Frühling und Herbst fiel im weitläufigen Garten des Hauses so viel Arbeit an, dass die dort wohnenden Jesuiten sie nicht selbst bewältigen konnten. Für eine Woche kommen nun Freiwillige zusammen, die mit einem professionellen Gärtner die Pflanzen für Kost, Logis und die spirituelle Infrastruktur pflegen.

Doch ob aus der Not heraus oder des Austauschs wegen – Voluntourismus kann mit viel Abwechslung bereichernd für beide Seiten sein.

(Anna Shemyakova)


Weitere Informationen unter:

www.switzerlandtravelcentre.ch