«Ganz ehrlich: Ich kriege jedes Jahr Bauchschmerzen»

Wie kommen Gastronomen an rare Weine? Wer hat Vorrang? Sind Weinhändler bestechlich? Das Interview mit einem der wichtigsten Player, Jan Martel, im Wein-Business.

Jan Martel möchte möglichst vielen die Möglichkeit geben, an die eine oder andere rare Flasche Wein zu gelangen. (Bild swiss-image.ch)

Jan Martel öffnet diverse Flaschen Wein und prüft die Gläser. Alles bereit für die Degustation «Himmlische Weine». Sie findet im Rahmen des St. Moritz Gourmet Festivals im Fünfsternehotel Waldhaus in Sils statt. Jan Martel, der Geschäftsführer der Martel AG, wird die Top-Weine aus dem Burgund selbst vorstellen und ausschenken. Grosses Highlight ist der Romanée-St-Vivant aus der Domaine de la Romanée-Conti, Jahrgang 2005. Er ist noch rarer und begehrter als die weiteren Weine, die der Weinhändler an diesem Abend kredenzt. Kurz vor der Degustation nimmt er sich Zeit, mit der Hotellerie Gastronomie Zeitung über die schwierige Aufgabe der Zuteilung von Raritäten zu sprechen.

Hotellerie Gastronomie Zeitung: Jan Martel, sind Sie bestechlich?
Jan Martel: Nein, ich glaube nicht.

Bei vielen Weinen übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich. Wie teilen Sie Raritäten zu?
Wir verstehen uns als Vermittler von Weinkultur. Natürlich sind wir ein Handelsunternehmen, natürlich müssen wir damit Geld verdienen, aber wir möchten es uns bei den Raritäten nicht einfach machen. Mein Kriterium: Ich möchte viele Weinliebhaber glücklich machen. Wenn ich also drei rare Flaschen habe, gebe ich lieber drei Liebhabern je eine als einem drei Flaschen.

Wenn es neue Liebhaber gibt, kriegen langjährige Kunden plötzlich weniger Wein?
Das kann es ohnehin geben. Man darf nicht vergessen: Wein ist ein Naturprodukt. Da kann eine Ernte auch mal um 30 Prozent kleiner ausfallen.

Gilt das auch für Kunden aus der Gastronomie, oder haben die fixe Zuteilungen?
Nein, selbst für Gastronomen machen wir keine Ausnahmen.

Das führt gewiss hie und da zu Enttäuschungen und fehlendem Verständnis.
Ja, das ist so. Wir kennen die meisten unserer Raritäten-Kunden persönlich. Das macht es in diesem Fall nicht einfacher.

Wie gehen Sie damit um?
Die Raritäten-Zuteilungen sind Chefsache, denn sie bereiten jedes Jahr Bauchschmerzen. Tags darauf nehme ich manchmal frei, um mir den Ansturm der Unzufriedenen zu ersparen.

Lassen Sie die Kunden allein?
Nein, danach klären wir das. Es kommt halt vor, dass man anfangs enttäuscht ist und glaubt, man werde benachteiligt. Dann erkläre ich die Situation gerne und kann die Lage beruhigen.

Kriegt man bei Ihnen Raritäten eher, wenn man dazu noch andere Weine kauft?
Bei uns nicht. Das ist nicht unsere Philosophie.

Bei welchen Weinen ist die Zuteilung am schwierigsten?
Bei der Domaine de la Romanée-Conti. Die Nachfrage ist riesengross. 

(Interview Benny Epstein)


Zur Person

Jan Martel führt das 142-jährige Familienunternehmen in fünfter Generation. Er beschäftigt in St. Gallen und Zürich 45 Mitarbeiter. Seine bevorzugte Weinregion ist das Burgund. Nach einer Degustation darf es aber auch gern ein Bier sein.


Mehr Informationen unter:

www.martel.ch