Vater und Sohn kandidieren gleichzeitig für Nationalrat

Andreas und Nico Züllig vom Hotel Schweizerhof Lenzerheide sind sich nicht immer über den Weg einig, aber übers Ziel: einen Sitz im Nationalrat.

Andreas und Nico Züllig unterstützen sich gegenseitig im Wahlkampf. Bis Nico Züllig am 1. Oktober eine neue Stelle antrat, arbeitete er im Hotel Schweizerhof Lenzerheide, im Betrieb seiner Eltern, mit. (ZVG)

Sie stellen sich am 20. Oktober für den Kanton Graubünden zur Wahl. Was motiviert Sie dazu?
Andreas Züllig: Es gibt im Nationalrat noch keinen direkten Vertreter des Tourismus, der als Unternehmer auch die KMU repräsentiert. Für Tourismuskantone ist es enorm wichtig, eine direkte Stimme im Bundeshaus zu haben.
Nico Züllig: Ich kandidiere, weil ich mitgestalten will, wie unser Land in zwanzig Jahren aussieht. Es ist unsere Zukunft, darum müssen wir Jungen uns politisch mehr und stärker einsetzen.

«Ich will Junge zum Wählen motivieren.»
 

Wie schätzen Sie Ihre Chance, gewählt zu werden, ein?
Andreas Züllig: Meine Chancen sind intakt, hängen aber unter anderem davon ab, wie gut es gelingt, Gastgewerbler, Touristiker und vom Tourismus abhängige Gewerbetreibende und Angestellte zum Wählen zu motivieren. Ausserdem kommt es darauf an, ob die FDP in Graubünden einen Sitz 
zurückholen kann. Dazu bräuchten wir 40 000 Stimmen. Keine leichte Aufgabe, denn es gab noch nie so viele Kandidaten für die fünf unserem Kanton zustehenden Nationalratssitze wie jetzt.*
Nico Züllig: Würde ich das Rennen machen, wäre das wirklich ein Überraschungssieg. Ich kandidiere, um möglichst viele Stimmen für die FDP zu machen und junge Bürger zum Wählen zu motivieren. Gleichzeitig kann ich meinen Bekanntheitsgrad als Politiker erhöhen und erste Wahlkampferfahrungen sammeln. 

Wofür werden Sie sich als Nationalrat einsetzen? 
Andreas Züllig: Die Standortförderung in den Bergregionen ist ein Thema, das nicht nur Graubünden betrifft. Wir müssen schauen, dass die Bergregionen wirtschaftlich nicht abgehängt werden. Dazu müssen wir sie als Aus- und Weiterbildungsstandort stärken, die Digitalisierung vorantreiben, interessante Rahmenbedingungen für Unternehmen und dadurch Arbeitsplätze schaffen. Das sind Themen, die in Bern gehört und wahrgenommen werden müssen.
Nico Züllig: Ich lege den Schwerpunkt klar auf die Digitalisierung und die Förderung des Wirtschaftsstandortes. Die Rahmenbedingungen müssen so sein, dass gute Firmen sich auch in entlegeneren Tälern ansiedeln und dort Arbeitsplätze schaffen. So liesse sich die Abwanderung mindern.

Der Vater ist in der FDP, der Sohn bei den Jungfreisinnigen Graubünden FDP-Futuro. Haben Sie das politische Heu immer auf der gleichen Bühne? 
Andreas Züllig: Wir haben den Smartvote Spider** ausgefüllt. Dabei zeigte sich, dass es einige Differenzen gibt. Und das ist auch gut so. Ich bin ausgeprägter beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das hat vermutlich mit der Lebenserfahrung und dem Alter zu tun. Gute Sozialpartnerschaften wie beispielsweise die zwischen Hotelleriesuisse und der Hotel & Gastro Union, Kooperationen sowie ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind mir wichtig. Tourismus und Landwirtschaft müssen noch viel enger zusammenarbeiten und den Absatz regionaler, saisonaler Produkte fördern. Bei diesen Themen gibt es zwischen Nico und mir relativ grosse Unterschiede.
Nico Züllig: Ich bin auch in Bezug auf den Ausbau des Sozialstaates nicht gleicher Meinung mit meinem Vater. Wir Jungfreisinnigen appellieren an die Eigenverantwortung der Menschen. Wir möchten dem Markt mehr Freiheiten geben, um so die Wirtschaft zu fördern.

Wird am Familientisch auch politisiert oder ist das tabu?
Andreas Züllig: Bereits ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der die politische Streitkultur sehr gepflegt wurde. Meine Frau und ich haben diese Kultur weitergeführt. Das hat unsere Söhne für politische Themen sensibilisiert und sie gelehrt, dass man diskutieren kann und soll. Dies gerne auch kontrovers.
Nico Züllig: Politik ist in der Familie ein wichtiges Thema. Meine Mutter ist noch sozialer eingestellt als mein Vater. Sie bringt oft neue Blickwinkel und weibliche Aspekte ins Gespräch ein.

Sie beide kämpfen um einen Sitz im Nationalrat. Gleichzeitig arbeiten Sie zusammen. Wirkt sich die politische Rivalität auf Ihren Alltag aus? 
Andreas Züllig: Nein. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, sondern als Mitglieder im gleichen Team, die sich unterstützen. 
Nico Züllig: Ich sehe mich als Supporter meines Vaters. Mein Ziel ist es, Stimmen für die FDP zu sammeln. Dies vor allem bei den Jungen, die meinen Vater eher nicht wählen würden. 

Und wie unterstützen Sie sich? 
Andreas Züllig: Es gibt gewisse Dossiers, in deren Themen ich tiefer drin bin als mein Sohn. Ich kann ihm Zusammenhänge aufzeigen, und er kann von meinem Wissen und Netzwerk profitieren.
Nico Züllig: Ich habe meinem Vater gezeigt, wie er sein Social-Media-Wahlkampfmarketing optimieren kann. Und ich pushe ihn, mehr auf Facebook präsent zu sein und Fotos hochzuladen. Die Follower müssen sehen, dass wir im Wahlkampf aktiv sind. Andreas Züllig: Ich habe diesbezüglich dazugelernt und habe mittlerweile auch 1300 Follower.

Warum sollten die Wähler für Ihren Sohn respektive Ihren Vater stimmen?
Andreas Züllig: Nico hat eine Berufslehre und anschliessend ein Studium gemacht. Das zeichnet ihn aus, denn er ist gut ausgebildet, praxisorientiert und kann arbeiten. Er ist sympathisch und bringt die Jungen in die Politik. Das ist wichtig, denn es geht um deren Zukunft.
Nico Züllig: Als Präsident von Hotelleriesuisse hat mein Vater den Verband stark weiterentwickelt. Er ist ein Brückenbauer, 
der  bei Vertretern anderer politischer Parteien viel Akzeptanz geniesst. Er hat einen guten medialen Auftritt und die Bereitschaft, sich Themen aus verschiedensten Blickwinkeln anzuschauen und alle Aspekte zu berücksichtigen.

Was kostet Sie der Nationalratswahlkampf?
Andreas Züllig: Ich habe ein Budget von 70 000 Franken. Damit finanziere ich alles: Homepage, Plakate, Flyer. Einen Teil finanziere ich aus meiner Tasche, den Rest mit Geld von Privatpersonen und Verbänden, die mich unterstützen. Zudem wende ich für den Wahlkampf 50 bis 60 unbezahlte Arbeitstage auf. 
Nico Züllig: Mein Budget liegt zwischen 500 und 1000 Franken. Ich wende auch viel weniger Zeit auf als mein Vater. Meine Webseite habe ich selber gemacht. 

«Ich spüre eine enorme Unterstützung aus der Branche.»
 

Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihre Kandidatur?
Andreas Züllig: Ich spüre eine enorme Unterstützung aus der Branche. Dass ich als selbständiger KMU-Unternehmer kandidiere, der auf nationaler Ebene ein grosses Netzwerk hat, wird sehr begrüsst.
Nico Züllig: Mein Kollegenkreis hat meine Kandidatur besser aufgenommen, als ich erwartet hatte. Natürlich machen sie Witze und begrüssen mich mit Herr Nationalrat, aber sie akzeptieren mein politisches Engagement. Allerdings muss ich meine Kollegen noch etwas motivieren, wählen zu gehen und mich zu unterstützen, da sie selber politisch nicht interessiert sind. Ansonsten hat sich mein Leben nicht verändert. Ich gehe noch immer gerne aus und geniesse das Leben.

Was haben Sie im Gastgewerbe gelernt, das Ihnen im Bundeshaus nützen wird? 
Andreas Züllig: Als Gastgeber haben wir einen empathischen Ansatz. Wir erkennen die Wünsche und Bedürfnisse anderer, können gut mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur umgehen und sind daher gute Brückenbauer. Vielleicht haben wir sogar ein bisschen zu viel Verständnis und müssen uns in Bern mehr Ecken und Kanten zulegen.
Nico Züllig: Im Gastgewerbe lernt man, auf Menschen zuzugehen. Wir verstecken uns daher in Bern nicht hinter Dossiers und Akten, sondern suchen das offene Gespräch. Und wir sind es gewohnt, unsere Angebote bestmöglich zu verkaufen. Das können wir auch mit unseren politischen Ideen und Zielen tun.

Was wäre, wenn tatsächlich Sie beide, Vater und Sohn, einen der fünf Bündner Nationalrats- sitze ergattern würden? 
Andreas Züllig: Das ist faktisch unmöglich. Aber wenn doch, hätte es den Vorteil, dass wir uns in Bern ein Doppelzimmer ...
Nico Züllig: … oder eine WG teilen und Kosten sparen könnten.
 

(Interview Riccarda Frei)
 

 * 20 Listen mit je fünf Kandidaten
 ** Smartvote ist eine Wahlhilfe-Plattform, auf der Wähler online ihre politischen