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«Das gemeinsame Essen baut Vorurteile ab»

Seit 20 Jahren bittet Cuisine sans frontières zu Tisch, um Konflikte zu lösen. Geschäftsleiterin Silvana Lindt über Erfolge und Herausforderungen.

Das Calabash-Restaurant in Kenia liegt im Grenzgebiet der verfeindeten Ethnien Pokot und Turkana und trägt zur Beilegung des Konflikts bei. (Caspar Hedberg)

HGZ: Silvana Lindt, wieso eignet sich die Gastronomie besonders gut, um auch in Krisengebieten Gemeinschaft zu schaffen?

Silvana Lindt: Das Essen verbindet uns alle und ist oft mit Kultur und Tradition verbunden. Die Gastronomie kann neutrale Orte schaffen, wo Konflikte ausgeblendet und Vorurteile abgebaut werden. Solche Orte braucht es.

Wie hat vor 20 Jahren alles begonnen?

Unser Gründer David Höner war in Kolumbien und sah, wie gespalten die Gesellschaft aufgrund des Bürgerkriegs war. So entstand das erste Projekt: das Café San Josecito, wo sich die Bevölkerung unabhängig von Politik treffen konnte.


Silvana Lindt ist Sozialwissenschaftlerin mit einem Nachdiplomstudium in internationaler Zusammenarbeit.


In 20 Jahren konnten zahlreiche Erfolgsgeschichten gefeiert werden. Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Besonders stolz sind wir unter anderem auf die Soufra-Cafeteria im Libanon. Im Flüchtlingslager Burj el Barajneh betreiben wir dort mit den Frauen des Soufra Caterings den einzigen Treffpunkt für die Frauen im Camp sowie für viele Frauen die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im vergangenen Jahr konnten 43 Frauen ausgebildet werden.

Eines Ihrer Erfolgsprojekte in der Schweiz ist der legendäre Kitchen Battle. Was macht seine Faszination aus?

Der Kitchen Battle verkörpert unsere Idee perfekt: zusammenzukommen, um gemeinsam zu kochen, zu essen und dabei etwas Gutes zu tun. Die Kochteams schenken uns einen ganzen Tag, viele Produkte sind gesponsert und über hundert Freiwillige helfen, wo sie können. Gegessen wird an langen Tischen, um die Gemeinschaft zu zelebrieren. Welches Kochteam am Ende gewinnt, ist zweitrangig – aber natürlich haben alle einen gesunden Ehrgeiz.

Gibt es auch Projekte, die gescheitert sind?

Gescheiterte Projekte zum Glück nicht, aber manchmal scheitert unser Anspruch, dass die Projekte irgendwann selbsttragend werden. Gerade in Krisengebieten ist es oft schwierig, die Finanzierung vor Ort sicherzustellen. Daher müssen wir Projekte manchmal länger unterstützen als vorgesehen.

Was muss man mitbringen, wenn man sich bei Cuisine sans frontières engagieren möchte?

Neben den fachlichen Qualifikationen braucht es vor allem Lebenserfahrung und die Fähigkeit, Gruppen zu leiten. Uns ist es wichtig, dass unsere Mitarbeitenden und Freiwilligen unsere Werte teilen: Wir gehen neutral ins Feld und arbeiten vor Ort auf Augenhöhe mit der lokalen Bevölkerung zusammen. Und: Wer mit Herz dabei ist, ist bei uns richtig.

Sie sind seit Anfang 2024 Geschäftsleiterin von Csf. Was hat Sie an dieser Stelle gereizt?

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe dadurch früh gelernt, Lebensmittel wertzuschätzen. Die Idee, Menschen über das gemeinsame Kochen und Essen zusammenzubringen, gefällt mir sehr. Ausserdem handelt es sich bei Cuisine sans frontières um eine kleine Organisation, in der man noch den Kontakt zur Basis hat. Man spürt sehr direkt, was wir erreichen können.

Welche Projekte stehen aktuell an?

Unter anderem eines in der geteilten Stadt Mitrovica im Kosovo. Dort organisieren wir Kochcamps, um Vorurteile zwischen jugendlichen Kosovo-Serben und -Albanern abzubauen. Unser Ziel ist, am Ende des Projekts ein Essen auf der Brücke zwischen den beiden Stadtteilen zu veranstalten.

(Angela Hüppi)


Cuisine sans frontières

Die Organisation bringt seit 20 Jahren Menschen weltweit an einen Tisch, um den Frieden zu fördern. Über gastronomische Treffpunkte und praxisnahe Ausbildungs-programme bietet der Verein konkrete Zukunftsperspektiven in Konflikt- und Krisengebieten.

Mehr Informationen unter: cuisinesansfrontieres.ch