Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Das Feuer für den Beruf muss am Brennen gehalten werden»

Nach Corona soll wieder Geld verdient werden. Tipps dafür gibt ein langjähriger Küchenchef.

Andreas Rupp. (ZVG)

HGZ: Andreas Rupp, Sie beschreiben sich als klassisch kreativer Koch, kalkulationssicher und guter Teambildner. Nun wollen Sie Berufskollegen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Weshalb?
Andreas Rupp: Der Druck, der auf der Branche lastet, war bereits vor Corona gross. Wer sich rasch erholen will, muss sein Angebot den Gästebedürfnissen anpassen. Vor allem in kleineren und mittleren Betrieben stelle ich fest, dass ein frischer Wind nötig wäre.

Haben Schweizer Gastronomen genügend Berufsstolz?
Da bin ich mir ziemlich sicher, dass in der gehobenen Gastronomie der Berufsstolz vorhanden ist. Wer würde sonst für so wenig Lohn so viel arbeiten. In der sogenannten «normalen» Gastronomie bin ich mir da nicht mehr so sicher. Egal ob in der Küche, im Restaurant oder in der Hotellerie.

Bekommen die Gästen diesen Mangel zu spüren?
Wer in der Küche gerüsteten, eingeschweissten und begasten Salat und Fertigsauce verwendet, weiss vielleicht nur nicht mehr wie riesig der Unterschied zu selbst gerüstetem und gewaschenem Salat an eigenem Dressing ist. Wer im Restaurant über eine Stunde keinen Augenkontakt zu seinen Gästen herstellt und dies, obwohl Restaurantleiter, Pächter, Pächterin und zwei Kellner mehrmals den Gastraum betreten und wieder verlassen haben, der weiss anscheinend nicht mehr, was es heisst Gastgeber zu sein. Wer an der Rezeption  einen Gast in Empfang nimmt, und auf Nachfragen, ob man das Zimmer zuerst sehen dürfe, erst beim Betreten des Liftes das erste Wort zu ihm spricht, der hat diese Situation noch nie selbst als Gast erleben müssen, sonst würde er sich anders verhalten.

Sind Gastronomen zu schnell selbstzufrieden?
Da bin ich mir ziemlich sicher, dass dies auf einen grossen Teil der Gastronomen zutrifft.

Wie hoch schätzen Sie diesen Anteil?
Einen Prozentsatz dieses Anteiles wage ich nicht zu benennen. Aber von zehn eigenen Restaurantbesuchen sind es sicher deren drei bis vier, bei welchen ich den Eindruck habe, dass eine Selbstüberschätzung des Geleisteten vorhanden sein muss.

Wo liegt die Ursache dafür?
Die Ursachen dafür müssen aber nicht nur in einer gewissen Unkenntnis liegen. Was bitte macht ein ehemaliger Apotheker, ohne Patent, in der Gastronomie? Häufig ist es auch der allgemeine Druck, der auf Gastronomen lastet. Der ist nicht zu unterschätzen. Meist potenzieren sich diese Probleme noch, wenn die Qualität des Gebotenen nicht den Erwartungen der Gäste entspricht und diese dann folglich ausbleiben.

Sie bieten Gastronomen Hilfe an.
Ja, mein angesammeltes Wissen weiter zu geben, war mir schon immer ein grosses Anliegen. Vor allem das «feu sacré», das bei vielen Jugendlichen brennt, wenn Sie mit der Kochlehre beginnen, muss unter allen Umständen am Brennen gehalten werden. Dies erreicht man, trotz langer Arbeitstage, stressigen Situationen, viel Schweiss und Schmerzen – zumindest am Anfang in den Beinen – nur, wenn man bei ihnen die Freude am Kochen wecken kann. Ich bezweifle sehr, dass dies, mit einem hohen Grad an Convenience-Produkten gelingen kann.

Welche Art von Hilfe bieten Sie an?
Da ich in meinem Angebot das Verb seriös erwähne, analysiere ich als Erstes die Gesamtsituation des betreffenden Betriebes. Es macht keinen Sinn, dem Team in der Küche einen hohen Convenience-Grad vorzuwerfen, wenn die Speisekarte den Umfang eines Buches hat. Aber auch die Grösse des Restaurants, die Bankettmöglichkeiten, die Teamstärke und die Art der Küche, welche man den Gästen anbieten will, müssen in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen. Dann nehme ich die Öffnungszeiten, die Höhe der Pacht, die Personalkosten, die allgemeine Infrastruktur, die Preise des Angebotes unter die Lupe. Ist der Wille zur Veränderung vorhanden, steht einer Zusammenarbeit nichts im Weg.

Welche Betriebe brauchen aus Ihrer Sicht Hilfe?
Ich stelle mir vor, dass dies vor allem für kleine und mittlere Betriebe zutrifft, in welchen ein frischer Wind nötig wäre, um überleben zu können. Denn wenn sich die Gästebedürfnisse ändern, was sie ständig tun, braucht es Anpassungen an eben diese neuen Bedürfnisse. Das soll nicht heissen, dass aus jedem Restaurant eine «Döner-Bude» werden muss, nur weil dies im Trend liegt. Meiner Meinung nach, sollte jeder Betreib, welcher erfolgreich sein will (mindestens) ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen. Dass für mich als Koch dabei der Fokus auf der Küche liegt, ist klar.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Was für die Wirtschaft die Forschung ist, ist für das Gastgewerbe die Ausbildung des Nachwuchses. Damit  meine ich nicht die schulische Bildung, welche weltweit einen Spitzenplatz einnimmt, sondern vor allem die Möglichkeiten, welche die Betriebe dem Kochnachwuchs zu Verfügung stellen. Aber auch hier ist die Basis, auf welcher alles fusst, die Begeisterung. Diese darf dem Nachwuchs nicht genommen werden. Hier sehe ich den grössten Handlungsbedarf.

Zur Zeit steht die Gastronomie weitgehend still. Wie soll diese Zeit genutzt werden?
Ja die Zeiten sind wahrlich «einmalig». Allgemeingültige Rezepte, ausser Händewaschen und zu Hause bleiben, gibt es nicht. Aber ein Wirtschaftszweig wie das Gastgewerbe, welcher so auf Individualismus und Kreativität basiert, weiss sich auch in dieser Situation zu helfen. Beispiele gibt es genug. Wichtig ist der Wille zum Überleben. Der Marschalt bietet auch eine Chance sich neu zu definieren. Ich bin mir sicher, dass sich die darwinsche Theorie beweisen wird. Es wird weder der Stärkere noch der Bessere überleben, sondern derjenige, der sich der neuen Situation am besten anpasst.

Wird Corona die Gastronomie nachhaltig verändern?
Ich hoffe es sehr. Für was wäre sonst diese ganze Tragik am Ende gut gewesen? Aber ich denke, dass sich nicht primär die Gastronomie verändern wird, sondern die Einstellung der Menschen. Wer im Moment mit so wenig auskommen muss, besinnt sich vielleicht danach auf das Wesentliche. Ich würde es begrüssen, wenn in Zukunft mehr in der Schweiz eingekauft würde, statt im nahen Ausland, wenn vermehrt wieder in der Schweiz Urlaub gemacht würde, anstatt um die halbe Welt zu jetten. Ein sensitiver Umgang mit Mutter Natur, aber auch mit unseren Mitmenschen, werden vielleicht die nachhaltigsten Veränderungen sein. 

(Interview Gabriel Tinguely)


Zur Person

Andreas Rupp, 60, lernte Koch, Diätkoch und liess sich zum Gastronomiekoch ausbilden. Er kennt die Sterne- und Punkte-Küche genauso wie die Gemeinschaftsverpflegung. Seit elf Jahren arbeitet er Küchenchef am Hauptstandort der Psychiatrischen Dienste Aargau in Brugg. Während mehr als 20 Jahren gibt er sein Wissen weiter.

Mehr Informationen unter kichenhelper@gmail.com