Die Geschichte des Skifahrens

Wäre der Skisport nicht erfunden worden, hätte der Wintertourismus keinen Aufschwung erlebt. Wie der Boom entstand, wo wir heute stehen und wie es für morgen aussieht.

Wintersportdestinationen schrieben über die Feiertage neue Rekorde. Seit zehn Jahren passten die Schneeverhältnisse und das Wetter nicht mehr so perfekt zusammen wie heuer. Trotzdem stellt Tobias Homberger, Direktor des Hotels Precise Tale Seehof in Davos/GR, in den letzten Jahren bei seinen Gästen eine grundlegende Veränderung fest: «Die Infrastruktur der Bahnen verbessert sich permanent und das hat Folgen», weiss er. «Die Gäste sind schneller müde als früher und bleiben selten einen ganzen Tag auf den Brettern.» Er führt dies darauf zurück, dass die Kapazität der Bahnen effizienter geworden ist. «Die Sportler konnten sich früher beim langen Anstehen an den Bahnen erholen. Das fehlt heute.» Ihm als Hotelier kommt dies zugute: «Meine Gäste sind früher im Hotel und nutzen unsere Serviceleistungen.»

Doch nicht alle Hotels und Pensionen, die in Wintersportorten liegen, profitieren von einer verbesserten Infrastruktur. Vielen Gebieten macht die Klimaerwärmung und die damit verbundene Schneefallgrenze einen Strich durch die Rechnung. Martin Heggli von der Kommunikationsabteilung beim WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, prognostiziert: «Die Grenze für regelmässig eingeschneite Gebiete im Winter liegt heute bei rund 1500 bis 1600 Metern über Meer. Längerfristig dürfte sie nochmals um ein paar hundert Meter steigen.» Längst haben vor allem Schneesportgebiete in unteren Lagen Mühe, einen durchgehenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Beispiele dafür sind der Skilift Hohe Winde in Beinwil/SO oder jener in Langenbruck/BL.

Skifahren, Snowboarden, Bobfahren, Schlitteln, Eisschuhlaufen, Langlauf und wie die althergebrachten Wintersportarten alle heissen: Dies ist heute selbstverständlich. Die Wertschöpfung dieser Gäste in den höher gelegenen Ortschaften unseres Landes ist beträchtlich. Für den gesamten Winter erwarten die Übernachtungsanbieter gemäss einer Umfrage von Schweiz Tourismus ST ein Wachstum von drei Prozent im Vergleich zur Saison 2022/2023. Und bei den Tagesausflügen wird ein Plus von 5,5 Prozent erwartet. Doch es brauchte Jahrzehnte, um solche Zahlen zu erreichen.

Wintersport erobert die Berge

Als im 19. Jahrhundert der Bergtourismus an Fahrt aufnahm, konzentrierte man sich vorerst auf die Sommersaison. Doch dann kam der Hotelier Johann Badrutt aus St. Moritz/GR auf die Idee, bei seinen letzten Sommergästen für den Winter zu werben. Weil die Gäste skeptisch waren und ihm nicht glaubten, wettete er mit ihnen, dass ihnen das Wetter im Winter gefallen würde. Das soll 1864 gewesen sein.


Das Wort Ski stammt aus Norwegen und bedeutet Holzscheit.


Ob diese Jahreszahl stimmt, darüber sind sich historische Quellen uneinig. Vielmehr geht das Gerücht um, dass die St. Moritzer das Datum vordatierten. Denn es wird vermutet, dass die ersten Wintergäste 1865 in Davos logierten und die St. Moritzer ihre legendäre Wette fürs Werben der ersten Wintergäste später vordatierten.

Einig ist man sich, dass die Entstehung des Wintersports in der Schweiz eng mit der Geschichte der Höhenkliniken und Sanatorien verknüpft ist. Als die ersten Kurhotels ab Mitte der 1860er-Jahre auch in der Wintersaison für Gäste geöffnet waren, nahm der Wintersport in den Alpen seinen Anfang. Er diente den Kurgästen und deren Entourage als willkommener Zeitvertreib. Mit dieser Entwicklung entstand ein ganz neues Gästesegment: die Wintersportgäste.

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich der Skisport rasant entwickelte, buhlten viele Destinationen um die wintersporttreibenden Gäste, allen voran etwa Davos, St. Moritz, Grindelwald/BE, Arosa/GR sowie Leysin/VD. Da es in den Skiorten abgesehen vom Wintertourismus nur wenige Einkommensquellen gab, wurde der Ausbau in dieser Richtung kräftig vorangetrieben. Bald waren die Ortsbilder in den Bergdörfern geprägt von Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Geschäften und der Gastronomie. Auf dem Berg entstanden Liftanlagen, Loipen und Bergrestauration. Urige Bergdörfer wurden zu hochalpinen Städten.

Spätestens seit der Boom-Zeit des Skitourismus in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren wurde die Landschaft mehr und mehr durch die nötige Infrastruktur gestaltet, die bis heute anhält. Während 1950 weltweit nur etwa fünf Millionen Menschen Wintersport betrieben, waren es 1975 bereits 35 Millionen. Gemäss einer Erhebung der Bergbahnen Graubünden fahren heute 62 Prozent der Schweizer zwischen 14 und 70 Jahren regelmässig Ski.

Ungebrochener Trend

Skifahren hat sich im 21. Jahrhundert zu einem vielseitigen Sport entwickelt: Freeski, Carving, Freestyle oder Skicross. Wenn Schneefans einen Hang bezwingen wollen, der nicht mit einer Bahn erreichbar ist, können sie sich mit dem Helikopter auf den Berggipfel bringen lassen. Etwas, was sich die Pioniere des Wintersports nicht hätten erträumen lassen. Denn sie mussten damals noch jeden Berg mühsam hinaufkraxeln, bevor sie ihn hinuntersausen konnten. 

Wintersport ist nicht nur bei den Schweizern beliebt. So wirbt ST fleissig im Ausland für den Wintertourismus. So zum Beispiel in Brasilien. Für diese Gäste ist der Winter die begehrteste Reisesaison für die Schweiz und Januar der absolute Spitzenmonat. In China findet in fünf Städten die «Swiss Winter Roadshow» statt. Oder in den Golfstaaten steht bereits im fünften Jahr in Folge eine Kooperation mit dem Wintersportverband der Vereinigten Arabischen Emirate im Fokus. Zudem bewirbt ST mit Skisport-Star und Sportler des Jahres, Marco Odermatt aus Buochs/NW, die kalte Jahreszeit.

(Ruth Marending)


Vor 4500 Jahren

Eine Höhlenzeichnung in Norwegen liefert den ersten Hinweis auf Skifahren.

1864

Eine Wette brachte den Wintersport in die Schweiz. Johannes Badrutt schwärmte den letzten englischen Sommerferiengästen in seinem Hotel Kulm in St. Moritz vor, dass der Winter mit Sonnenschein und tagsüber milden Tempe­raturen besonders sei. Diese glaubten ihm kein Wort. Die Engländer sollten im Dezember wiederkommen, schlug Badrutt vor. Und wenn er nicht recht hätte, so erstatte er ihnen die Reise­kosten. Die Engländer kamen und blieben bis Ostern.

1870

In der Provinz Telemark entwickelte Sondre Norheim eine Bindung, bei der nur die Fussspitze am Ski befestigt ist.

1883

Schreiner aus Davos entwickelten die norwegischen Schlitten weiter. Seinen Namen bekam der Schlitten am ersten, historischen Schlitten­rennen 1883 in Davos.

Ab 1904

1904 wurde der Schweizer Skiverband gegründet. Das erste echte alpine Rennen gab es 1911 von der Wildstrubelhütte nach Crans-Montana/VS. Ab 1921 folgte das jährliche Lauberhornrennen. 1924 wurde der Wintersport ein eigener Teil der olympischen Bewegung mit den Winterspielen in Chamonix (FR).

Ab 1928

Die ersten Bergbahnen speziell für Wintersportler wurden gebaut. Allen voran 1928 die Corviglia­bahn in St. Moritz und 1930 die Parsennbahn in Davos/GR. Die 1930er-Jahre wurden zur Boom-Zeit für den alpinen Skisport. Die Kapazitäten der Bergbahnen mussten erhöht werden.

1928 und 1948

In St. Moritz finden Winterolympiaden statt.

1967

Hartly Mathis eröffnete auf der Corviglia in St. Moritz das erste Gourmetrestaurant in einem Schweizer Skigebiet. Wie das Lebensgefühl der Schweizer Bevölkerung in jener Zeit war, beschreibt das Lied «Alles fährt Ski». Der Sänger Vico Torriani (1920–1998) landete damit in den 1960er-Jahren einen Ohrwurm.

1934

Im Dezember 1934 wurde in Davos der erste Bügelskilift der Welt eröffnet und zwar am Bolgen. Erfunden hat ihn der Zürcher Ingenieur Ernst Gustav Constam.

1950er-Jahre

Die Infrastruktur in den Bergen wird massiv ausgebaut. Neben zahlreichen Seilbahnen entstanden Berghütten und Beherbergungsbetriebe.

1978

Das Prinzip der Beschneiungs­anlagen wurde zwar bereits Ende der 1940er-Jahre in den USA entdeckt. Nach Europa kam es jedoch erst Ende der 1970er-Jahre. Vorreiter war das Skigebiet von Savognin. Am 23. November 1978 wurde dort auf Betreiben des Bergbahndirektors Leo Jeker die erste Beschneiungsanlage in Betrieb genommen.

1980er-Jahre

Das Snowboard brachte neuen Schwung in die Wintersportszene. Gegen Ende der 1980er-Jahre setzte sich das Schneebrett immer mehr durch. In der Folge brachen die Absätze für Skier zu Gunsten der breiten Boards ein. Um dem Trend entgegenzuwirken, setzten die Skihersteller in den 1990er-Jahren auf den breitbeinig praktizierten Fahrstil Carving mit kürzeren, taillierten Skiern. Der erste Carving-Ski wurde 1909 von Rossignol gebaut, konnte sich damals jedoch nicht durchsetzen.

2023

Der US-Skiriese Vail Resorts übernimmt nach Andermatt/UR-Sedrun/GR und Verbier/VS die Bergbahnen in Crans-Montana/VS.

In Zermatt ist mit dem Matterhorn Alpine Crossing von der Bergstation Klein Matterhorn auf 3883 Metern zur italienischen Talstation Testa Grigia auf 3458 Metern der höchstgelegene Grenzübergang der Alpen geschaffen worden.

Ab 2024

Nach wie vor setzen viele Wintersportorte auf den Schneesport. Neue Bergbahnen und neue Zusammenschlüsse der Skigebiete bleiben Realität. Entsprechend wird auch die Restauration permanent ausgebaut. Jüngstes Beispiel: der Neubau der Kuh-Bar bei der Tschuggenhütte auf 1991 Metern über Meer in Arosa/GR.