Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Die Zukunft muss gut aufgegleist werden»

Die Präsidentin der Hotel & Gastro Union spricht im Interview über Enttäuschungen und Freuden. Sowie über die grossen Aufgaben, die es 2023 zu meistern gilt.

Esther Lüscher freut sich, dass neu auch bei Hotelleriesuisse Frauen in der Verbandsleitung vertreten sind. (ZVG)

Esther Lüscher, wie war das Jahr 2022 für Sie? 
Intensiv und schwer berechenbar, aber auch spannend – wie vermutlich bei den meisten Menschen. Enttäuschungen und Glücksmomente wechselten sich ab.

Was hat Sie denn enttäuscht?
Am meisten enttäuscht es mich, dass wir, alle Sozialpartner des Landes-Gesamtarbeitsvertrags für das Gastgewerbe, es noch immer nicht geschafft haben, gemeinsam den L-GAV weiter oder gar neu zu verhandeln. Zurzeit ist die Nachfrage nach Arbeitskräften so gross, dass niemand nur für die angesetzten Mindestlöhne zu arbeiten braucht. Somit spielen die kantonalen Mindestlöhne, an denen sich Gastrosuisse stört und deshalb nicht weiter verhandeln will, überhaupt keine entscheidende Rolle. Zumal sich das Parlament ja inzwischen klar gegen diese Mindestlöhne ausgesprochen hat und somit das Übel ausgeräumt ist. Es wäre jetzt wichtig, die Basis für eine gesunde Struktur im Gastgewerbe zu legen und den Mitarbeitenden langfristige Perspektiven zu geben.

Warum ist das so wichtig? Reicht der L-GAV denn nicht?
Für junge Menschen ist der L-GAV sehr gut aufgestellt. Doch sobald die Familienplanung ins Spiel kommt, schwächelt unser L-GAV. Weil wir in diesem Bereich noch nicht mit anderen Branchen mithalten können, verlassen viele Berufsleute, die eine Familie gründen, das Gastgewerbe. Diese Abwanderung müssen wir stoppen. Unter anderem mit einem neuen Landes-Gesamtarbeitsvertrag.

Was hat Sie 2022 gefreut?
Abgesehen vom sensationellen Abschneiden der Köche an der Weltmeisterschaft und unseres Berufsnachwuchses an den World Skills freut es mich, dass die durch den L-GAV bezahlten Weiterbildungsangebote – von Progressokursen bis Berufsprüfungen– so gut genutzt wurden. Es ist super, dass diese Bildungsoffensive weitergeführt wird. Ich wünsche mir, dass auch mehr gestandene Führungskräfte von diesen kostenlosen Weiterbildungsangeboten Gebrauch machen und ihr Wissen auf den neuesten Stand bringen.

Was muss 2023 sonst noch auf den neuesten Stand gebracht oder umgesetzt werden?
Im letzten Jahr haben wir die Hotel & Gastro Union neu strukturiert und Regionen zusammengelegt. Dieses Jahr werden wir den Fokus auf die Detailausarbeitung dieser Struktur in den fünf Regionen legen. Ich bin stolz auf die tolle Zusammenarbeit unter den Präsidenten und Präsidentinnen der Regionen sowie in den jeweiligen Vorständen. Alle haben sich eingebracht, kritisch hinterfragt und gute Vorschläge eingebracht. Diese Arbeit ist wichtig und wird weiter vorangetrieben.

Wie sieht es mit den Revisionen der Berufslehren aus?
Die neue kaufmännische Grundbildung «Kaufleute 2023» beginnt im August und ist auf Kurs. Auch die Berufsrevision Koch ist auf gutem Weg. Dass sie allerdings nochmals um ein Jahr nach hinten verschoben wurde, bedauere ich persönlich. Der Entscheid war jedoch richtig und der erweiterte Zeitrahmen erlaubt die eine oder andere sinnvolle Änderung und Ergänzung. Der Zusammenschluss der Grundbildung in der Hauswirtschaft sowie die Entwicklung des neuen Berufes sind ebenfalls auf Kurs. Ich freue mich schon auf deren Implementierung im Jahr 2024.

Apropos Freude: Hotelleriesuisse hat mit Myriam Schlatter und Brigitte Berger Kurzen zwei Damen in die Verbandsleitung gewählt. Freuen Sie sich über diese Wahl?
Ja, sehr! Es ist wichtig, dass mehr Frauen in Führungsgremien vertreten sind. Ich hoffe, dass nun Themen wie familienfreundliche Arbeitszeiten, Teilzeitarbeitsmöglichkeiten auf Kaderstufe für Männer und Frauen, aber auch Gleichstellung und Rentenalter respektive Altersarmut bei Frauen im Gastgewerbe, vermehrt Gehör finden und Lösungen voran-getrieben werden. Zusammen, denke ich, können wir auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite einiges bewegen.

Einiges bewegen möchte die Hotel & Gastro Union auch mit der Unterschriftensammlung «Gemeinsam gegen Personalmangel». Wie ist diese angelaufen?
Erfreulich gut. Wir haben bereits viel mehr Unterschriften erhalten, als wir uns als erstes Etappenziel gesetzt hatten. Besonders erfreulich ist, wie viele Wirte und Hoteliers unsere Kampagne unterstützen und sie sogar mittragen. Sie haben begriffen, dass wir das Problem Arbeitskräftemangel nur gemeinsam lösen können, indem wir das Gastgewerbe zu einem attraktiven und lukrativen Arbeitsort machen. In diesem Sinne bedanke ich mich bei allen, die mit ihrer Unterschrift sowie ihrem Berufsstolz die Branche und als Mitglied die Hotel & Gastro Union unterstützen.

(Interview Riccarda Frei)


Zur Person

Esther Lüscher ist seit 2015 Präsidentin der Hotel & Gastro Union. Davor präsidierte sie den Berufsverband Hotellerie & Hauswirtschaft, einen der fünf zur Hotel & Gastro Union gehörenden Verbände.

Mehr Informationen sowie Unterschriftensammelbogen unter:

hotelgastrounion.ch