Zwei Köche und ein Pâtissier – mit dieser Mini-Equipe kocht Christian Kuchler auf Zwei-Sterne-Niveau.
Wenn ein befreundeter Küchenchef mal wieder jammert, dass ihm gerade ein Koch ausgefallen ist, kann Christian Kuchler nur lachen. «Jetzt müsst ihr halt mal ein wenig arbeiten», feixt das Mitglied des Schweizer Kochverbands skv dann. In seiner «Taverne zum Schäfli» sind sie zu dritt in der Küche: Küchenchef Kuchler, Entremetier Ramon Sattler und Pâtissier Daniel Simunic verwöhnen die Gäste an vier Mittagen und fünf Abenden pro Woche. Bis zu 60 Couverts schickt das Trio pro Service – auf Spitzenniveau. Der Betrieb im thurgauischen Wigoltingen ist mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet.
«Ja, bei mir lernt man zu arbeiten», sagt Christian Kuchler lachend und ergänzt: «Man lernt, präzise, effizient und wirtschaftlich zu arbeiten.» Der Spitzenkoch ist selbständig. Das Haus gehört seiner Familie. Und doch ist der Betrieb eine finanzielle Gratwanderung. «Wir kommen über die Runden, aber reich werden wir nicht. Unsere Warenkosten belaufen sich auf 28, die Personalkosten auf 30 Prozent. Nur so geht es.» Dass ein Koch mal ausfalle, gebe es nicht. Christian Kuchler: «Krank ist man erst, wenn man tot ist.» Urlaub liegt nur während der Betriebsferien drin.
Warum tut sich ein Jungkoch so etwas an? Ramon Sattler: «Ich suchte diese Intensität. Wenn ich das jetzt nicht tue, dann nie. Wie auch immer es eines Tages weitergeht – hier lerne ich sehr viel.» Christian Kuchler gibt das Kompliment zurück: «Das funktioniert mit so einem kleinen Team natürlich nur, wenn die Chemie untereinander stimmt. Wir haben viel Spass miteinander.» Zuletzt nahm Christian Kuchler vergangene Woche seine beiden Köche ans Gourmet Festival «Chefs at the Parc» nach Holland mit. Der Event von Dreisternechef Jacob Jan Boerma war gespickt mit grossen Köchen aus Europa. Neben der Arbeit blieb Zeit fürs Feiern und für den Austausch mit anderen Jung- und Spitzenköchen. Eine willkommene Abwechslung zum strengen Alltag – allerdings an den eigentlichen Freitagen Sonntag und Montag.
Vier Jahre ist es her, als Christian Kuchler das Erbe seines Vaters Wolfgang antrat. «Ich trat in sehr grosse Fussstapfen. Mein Vater hat Schuhgrösse 46, ich nur die 45.» Wolfgang Kuchler gilt als Koryphäe unter den Schweizer Spitzenköchen. Für Klassiker wie Ochsenschwanzessenz, Entenleber und Kalbskopf nahmen Gäste
regelmässig stundenlange Fahrten auf sich. Christian Kuchler hütet sich davor, diese Gerichte von der Karte zu nehmen. Gäste und Gastrokritiker sind voll des Lobes: Trotz oder gerade wegen der einen oder anderen Innovation wird der 34-Jährige bereits auf eine Stufe mit seinem Vater gestellt. Christian Kuchler wiegelt ab: «Spätzli schaben kann er immer noch besser. Da ist er eine Maschine.» Nachfolger seines bekannten Vaters zu sein, ist für Christian Kuchler Fluch und Segen zugleich. «Ich werde mit ihm verglichen, das ist nicht leicht. Zudem ist er mein härtester Kritiker. Anderseits gibt es mich als Küchenchef im ‹Schäfli› nur dank ihm. Was meine Eltern aufgebaut haben, ist unglaublich.»
Der anhaltende Erfolg der «Taverne zum Schäfli» ist aber längst nicht nur der klassischen Spitzenküche zu verdanken. Christian Kuchler weiss: «Vom Aufwand und den Details her können wir mit vielen Spitzenbetrieben nicht mithalten. Dafür sind wir in der Küche schlicht zu wenig Mitarbeiter. Wir müssen dieses Defizit anders wettmachen: erstens mit dem Geschmack und zweitens mit dem Ambiente.»
Es geht herzlich und ungezwungen zu und her in diesem Zwei-Sterne-Betrieb. Viele Gäste kommen in Jeans und Turnschuhen, man fühlt sich gut, geniesst schöne Wohlfühlmomente mit leckerem Essen und gutem Wein. «Man muss bei uns auch nicht das grosse Menü nehmen», erklärt Christian Kuchler, «zwei Gänge, eine hübsche Flasche, ganz entspannt.»
1,5 Millionen Franken investierte er in den Betrieb, als er diesen vom Vater übernahm. Ein Teil des Geldes ging für die Bar drauf, an der sich Gäste einen Wurst-Käse-Salat oder eine Currywurst bestellen. Das Küchen-Trio kann es auch ganz simpel.
Und wie erholt sich Christian Kuchler vom Küchenstress? Seit dem 7. April sind er und seine Lebensgefährtin Ramona Eltern einer Tochter. Kuchler: «Wenn ich nach einem langen Tag nach Hause komme und unsere Lara sehe, ist alles vergessen. Sie ist unser grösstes Glück.»
(Benny Epstein)