Viel Enthusiasmus gehört zum Kerner vom Buchberg

Seit 50 Jahren keltert die Familie Rutishauser in Thal/SG aus Kerner eine der spannendsten Weinspezialitäten der Schweiz.

Martin Cooper führte 1973 in den USA das erste Telefongespräch über ein Mobiltelefon. Die OPEC hob den Ölpreis um 70 Prozent an und löste die erste grosse Ölkrise aus. Ältere Semester erinnern sich noch an die autofreien Sonntage. Am Buchberg in Thal/SG blickte  August Rutishauser positiv in die Zukunft und pflanzte zehn Aren Kerner. Dafür musste er ein Dossier erstellen und beim Kanton die Bewilligung für den Sortentest einholen.


«Die Erfahrung, wie edel der Kerner reift, ist spannend.»

Roman Rutishauser, Winzer


Denn die Reben mit den sattgrünen Blättern, die er ennet dem Bodensee sah, fielen dem Gärtner mit Faible für Reben sofort auf. Nebst dem kräftigen Wuchs gefielen ihm vor allem die aromatischen Trauben. 

Drei Generationen Rutishauser verstanden es – und verstehen es noch heute –, das Maximum aus der Sorte herauszuholen. Vielleicht liegt es am tonigen Untergrund. Vielleicht an den nach Süden ausgerichteten Steillagen. Vielleicht aber auch an den rund 1000 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Denn Kerner mag keinen Trockenstress. Vermutlich liegt es aber an der Leidenschaft, mit welcher der Gärtner August Rutishauser die jungen Reblein hegte. Präzise arbeiten auch Sohn Christoph und heute Enkel Roman in den Reben. Sie wissen, dass guter Wein draussen in der Natur entsteht. Gärt der Most im 3000-Liter-Fass aus dem Jahr 1973, ist «kontrolliertes Nichtstun» angesagt, wie Christoph Rutishauser erklärt. Für Roman Rutishauser ist wichtig, den Wein auf den Feinhefen reifen zu lassen, so dass dieser an Fülle gewinnt. Mit 1,2 Hektaren Kerner ist das grosse Fass heute zu klein. Deshalb reift ein Teil im Stahltank und ein weiterer Teil in Barriques. Letzteres bringt den Jungwinzer – Roman übernahm den Betrieb 2015 – auf eine Idee. Im gleichen Jahr füllt er erstmals den im Barrique gereiften Teil als «Jungspund» ab.

Roman Rutishauser aus Thal/SG lernte Koch und dann Winzer. In dritter Generation ist er Kerner-Spezialist. (Bilder zvg)

Ein Blick zurück, lässt dieZukunft erahnen

Zwölf aus 50  Jahrgängen zeigen das Potenzial der Rebsorte Kerner auf. In kühleren Jahren ergibt sie frische, säurebetonte Weine mit einer straffen Mineralität. Wärmere Jahre hingegen sorgen für viel Frucht und Fülle, die von Phenolen aus den dicken Beerenhäuten gestützt werden. Nach 50 Jahren Kerner am Buchberg hat Roman Rutishauser noch einige Ideen, wie er die spannende Spezialität weiterentwickeln möchte. Die Fans dieser Sorte dürfen gespannt sein ...

(Gabriel Tinguely)


Kerner

August Herold, Rebzüchter in Weinsberg (DE), gelang 1929 die Kreuzung aus der ertragreichen roten Trollinger- und der aromatischen weissen Riesling-Rebe. Die Pflanze mit der Zuchtnummer We S 2530 erhielt 1969 unter dem Namen Kerner den Sortenschutz. In Deutschland wird Kerner auf 2357 Hektaren angebaut. Es folgen das Südtirol mit 117 und die Schweiz mit 25,4 Hektaren. Zahlen für Österreich und Südafrika, wo sie auch angebaut wird, sind nicht bekannt.

Nach der Fassprobe des Jahrgangs 2023 im Keller lud die Familie Rutishauser zur Verkostung gereifter Kerner – darunter die letzte Flasche des ersten Jahrgangs.


Mehr Informationen unter:

rutishauser-weingut.ch