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«Die Union steht in der Pflicht»

Roger Jutzi hat in seiner beruflichen Laufbahn schon rund 80 Lernende ausgebildet. Im Interview äussert er sich zum Thema 
Nachwuchsförderung. 

Roger Jutzi wünscht sich eine gravierende Veränderung im Lehrlingswesen. (ZVG)

Seit diesem Sommer haben angehende Restaurantfachfrauen und -männer die Möglichkeit, sich in einem Bereich zu spezialisieren: Jung-Barista, Jung-Chef-de-Rang, Jung-Barkeeper und Jung-Sommelier. Ein Schritt in die richtige Richtung?
Roger
Jutzi: Für mich bleibt fraglich, inwiefern dies die Attraktivität der Lehre steigern soll. Zumal die Lernenden ihre Lehre schon heute in Betrieben mit unterschiedlichen Schwerpunkten absolvieren. Ziel sollte doch sein, ihnen einen echten Mehrwert zu bieten. Und das ist den Verantwortlichen mit dieser Revision nicht gelungen.

Was würden Sie sich für die Lernenden wünschen? 
Die Lernenden sollten schon während der Lehre die Möglichkeit dazu haben, Verantwortung zu übernehmen. Also beispielsweise den Einkauf oder ein Bankett verantworten, die Abrechnung machen oder eine Weinkarte selbst gestalten. Damit sie ein Gefühl dafür bekommen, was in dieser Branche alles möglich ist. Warum man bei der Revision beispielsweise kein Augenmerk auf den administrativen Teil gelegt hat, ist mir ein Rätsel. 

Inwiefern würde dies die Lehre attraktiver machen?
Die meisten, die eine Lehre in der Hotellerie absolvieren, hegen doch insgeheim den Wunsch, dereinst selbst einen Betrieb zu leiten. Und die Lernenden hätten die Möglichkeit dazu,  in den drei Jahren mehr zu lernen, als «nur» zu servieren oder Betten zu machen. 

Was heisst hier «nur»?
So wie diese EFZ-Berufslehren derzeit aufgebaut sind, sind sie zu lang. Um dieses Handwerk zu erlernen, braucht es keine drei Jahre. Deshalb stelle ich in diesen Bereichen auch nur EBA-Lernende ein. Dort weiss ich, dass sie am richtigen Ort sind. 

Harte Worte. 
Ja, das mag sein. Aber auch treffende. Dass häufig nur die schwächsten Schüler eine Lehre in der Hotellerie absolvieren, ist eine bittere Realität, die es zu ändern gilt. Das kann nur funktionieren, wenn wir den angehenden Berufsleuten früh Perspektiven aufzeigen und die Lernenden zudem besser begleiten. 

Die Begleitung der Lernenden ist doch mit dem Lehrlingsgesetz schon heute geregelt. 
Das Gesetz greift aber nicht weit genug. Ein Lehrmeisterkurs beispielsweise dauert gerade mal fünf Tage. Das ist lächerlich. Zudem ist nicht jeder Betrieb, der aktuell Lernende beschäftigt, auch wirklich dazu geeignet. Wie sollen Lernende beispielsweise in einer Pizzeria Tranchieren, Filettieren oder Flambieren üben? Meist sind sie dort nur billige Arbeitskräfte. Das schadet unserer Branche. 

Was wäre die Alternative?
Es müsste ein Kontollinstrument geben und die Möglichkeit, fehlbare Betriebe zu sanktionieren. So könnten schwarze Schafe konsequent rausgefiltert werden oder kämen gar nicht auf die Idee, Lernende ausbilden zu wollen. Ein halbjährlicher Bildungsbericht zur Kontrolle genügt nicht. 

Und wer soll die Betriebe kontrollieren?
Man könnte beispielsweise Berufsinspektoren in die Betriebe schicken, die überprüfen, ob betriebsintern ein Lehrplan besteht und ob dieser eingehalten wird. Zudem trauen sich Lernende vielleicht eher, sich bei Unzufriedenheit zu äussern, wenn noch eine dritte Partei dabei ist. 

Bei Missständen können sich die Lernenden doch ans Berufsbildungsamt wenden.
Das trauen sich viele im ersten Lehrjahr gar nicht. Im letzten wiederum wollen sie die Lehre nur noch hinter sich bringen und wenden sich anschliessend von der Branche ab. Das ist doch kein Zustand.

Und wer soll diese Inspektoren finanzieren? 
Für mich steht hier ganz klar die Union in der Pflicht. Schliesslich ist die Gewerkschaft sonst auch immer zuvorderst, wenn es etwa um höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten geht. Es sollte auch im Interesse der Union sein, die Lernenden verstärkt zu schützen. Nur so können wir sie auch in der Branche halten.

(Interview Désirée Klarer)


Zur Person

Der 49-jährige Roger Jutzi ist eidgenössisch diplomierter Hotelier-Restaurateur HF und seit gut 18 Jahren Direktor des Hotels Krone Unterstrass in Zürich. 
Seit April 2018 ist er zudem im Vorstand des Zürcher Hotelier-Vereins. In seiner Freizeit treibt der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Söhnen viel Sport, reist gerne oder widmet sich der Kulinarik.