Christian Vogel wollte Spitzensportler werden, doch es sollte anders kommen. Heute ist er Spitzenkoch und ein gutes Vorbild in Sachen Resilienz*.
Christian Vogel ist überzeugt: «Aus schwierigen Lebensphasen lernt man mehr und wird stärker, als wenn immer alles rund läuft.» (ZVG)
Meine Vorliebe für gutes Essen. Dieser habe ich es zu verdanken, dass ich nach dem Unfall rasch eine neue Perspektive fand. Die Knieverletzung und zwei gebrochene Füsse waren ein herber Schlag, schliesslich trainierte ich von klein auf für mein Ziel, Skirennfahrer zu werden. Dementsprechend traurig war ich, den Traum von der Profisportlerkarriere aufzugeben, aber ich fiel dank meiner Leidenschaft fürs Kochen nicht gleich in ein Loch.
Genau. Ich durfte bei Albert Koller im «Rössli» in Steinen/SZ als Koch schnuppern. Das hat mir so gut gefallen, dass man mich abends um 20 Uhr regelrecht aus der Küche verbannen musste, weil ich als Jugendlicher nicht länger arbeiten durfte. Für mich stand sofort fest: Ich werde Koch. Albert Koller stand kurz vor der Pensionierung und nahm keine Lernenden mehr an. Ich habe meine berufliche Grundbildung bei Dorly Camps im Restaurant Bergsonne auf Rigi Kaltbad/LU absolviert.
Auf jeden Fall. Ich fahre immer noch sehr gerne Ski und bin mit Ehemaligen aus dem damaligen Ski-Nachwuchskader befreundet. Aber jetzt ist Kochen meine Berufung. Unter uns gesagt: So gross ist der Unterschied zwischen Spitzensport und Spitzenküche nicht.
Bei beiden Disziplinen muss man unter Druck Höchstleistungen erbringen. Während des Einsatzes ist man wie in einem Tunnel: ganz auf die Aufgabe fokussiert und voller Adrenalin. Ob auf der Piste oder in der Küche, das Resultat ist immer eine Teamleistung. Zwar muss jeder seine Leistung einzeln erbringen, aber ohne gute Teamarbeit ist Erfolg nicht möglich.
Die grösste Gemeinsamkeit ist, dass Skirennfahrer und Spitzenköche immer auf der Suche nach Perfektion sind. Es geht ihnen darum, die Ideallinie zu finden und ihr konsequent zu folgen. Dazu müssen sie ihr Material – Ski oder Messer – gut pflegen. Und sie brauchen Leidenschaft, Disziplin, Durchhaltevermögen sowie Mut, um die Komfortzone zu verlassen.
Ja. Zudem habe ich im Sport gelernt, Herausforderungen anzunehmen und mit Niederlagen und Rückschlägen umzugehen.
Gute Frage (überlegt). Ich glaube, in der Küche. Ich kombiniere Dinge, von denen andere sagen, das gehe nicht. Ausserdem schmecke ich am Limit ab. Ich koche definitiv ausserhalb der Komfortzone. Die grosse Kreativität, die ich in der Küche habe, gefällt mir sehr. Sie macht das Kochen für mich noch spannender als das Skifahren.
Mir hat geholfen, dass ich neben dem Skifahren noch weitere Interessen hatte. So ist durch den Unfall zwar ein Stück meiner Welt weggebrochen, nicht aber die ganze Welt untergegangen. Mein Rat lautet daher: Es ist gut, ein Ziel zu haben, aber versteife dich nicht darauf. Es gibt immer neue Wege und Möglichkeiten. Sei offen dafür. Selbst die schwierigste Zeit geht irgendwann vorbei. Dieses Wissen hilft mir, auch unter grossem Druck positiv zu denken.
Um Stress abzubauen, gehe ich in die Natur oder powere mich beim Sport so richtig aus. Mit Freunden reden und mit ihnen ein feines Essen teilen, tut mir ebenfalls sehr gut. Will ich den Kopf leeren, lese ich ein Buch oder schaue mir einen Film an.
(Riccarda Frei)
*Resilienz ist die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen möglichst gut zu überstehen und sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Professionelle Tipps, wie man seine Resilienz und die psychische Gesundheit stärken kann, gibt es unter: wie-gehts-dir.ch sowie 147.ch für Jugendliche und 143.ch für Erwachsene.
Christian Vogel, alias Birdy, ist Küchenchef im Restaurant Birdy’s in Brunnen/SZ. Er liebt, mit der Textur von Gemüse zu experimentieren und immer wieder neue Kreationen zu erschaffen. Er ist mit 15 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden. In seiner Freizeit fährt Christian Vogel Ski und Wakeboard, oder er streift durch die Natur und sammelt Zutaten für seine Kreationen.