Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Mehr Zeit für die Gäste

Gastgeber in Bed & Breakfasts sind näher am Gast als klassische Hoteliers, weil sie die meisten Dienstleistungen selber erbringen. Dieses Persönliche wird immer mehr geschätzt.

  • Bevor das Haus vor zehn Jahren zum Bed & Breakfast umgenutzt wurde, diente es 40 Jahre lang als Lagerhaus. Gebaut wurde es 1933 als Kapuzinerklause. (Bilder Jakob Ineichen)
  • Sandra Gisler ist gelernte Restaurantfachfrau, besitzt das Wirtepatent und arbeitet seit Jahren in Teilzeit im «Seeblick» in Weggis.
  • Das Frühstück wird mit viel Liebe zubereitet. Was immer möglich, ist hausgemacht, sonst regional eingekauft.
  • In der ehemaligen Kapelle der Kapuzinerklause – im jetzigen «Be and Mee» –
    wird heute gefrühstückt, diskutiert und geruht.

Der aktuelle Aufschwung im Schweizer Tourismus wird deutlich von der Parahotellerie mitgetragen. Bed-&- Breakfast-Betriebe (B&B) legten in den vergangenen Jahren an Logiernächten und Umsatz zu. Die Gastgeber heben sich erfolgreich von anonymen Plattformen ab und setzen auf persönliche Betreuung und Qualität. Das wird geschätzt.

Die Region Luzern und Vierwaldstättersee ist nach dem Berner Oberland die am stärksten nachgefragte Tourismusregion bei B&B-Gästen. 2017 verzeichneten die dortigen Gastgeber 21 547 Ankünfte, was knapp 50 000 Logiernächten entspricht. Das sind 13,2 Prozent aller Logiernächte in den B&B-Häusern. 

Sandra Gisler, Gastgeberin im Bed & Breakfast «Be and Mee» auf Rigi Kaltbad/LU, ist eine der rund 60 Gastgeberinnen in dieser Region. Im vergangenen Jahr registrierte sie rund 1000 Übernachtungen. Seitdem sie ihr Haus – eine ehemalige Kapuzinerklause – vor zehn Jahren für Gäste öffnete, verzeichnet sie jährlich mehr Gäste. Da diese über das ganze Jahr hinweg gleichmässig buchen, bleiben auch die Preise konstant. Eine Übernachtung kostet 70 Franken pro Nacht und Person inklusive Frühstück respektive 60 Franken ab der zweiten Nacht. Die zwei kleinen Ferienwohnungen, die drei Doppel-, zwei Einzel- und ein Dreierzimmer sind einfach, aber geschmackvoll und gemütlich eingerichtet. Das Gemeinschaftsbad auf der Etage ist frisch renoviert. Ihre Gäste seien zu 90 Prozent Schweizer jeden Alters. «Seit Eröffnung verzeichne ich eine angenehme Zunahme an Übernachtungen», so die zweifache Mutter. Zudem spüre sie den Trend, dass ihre Gäste länger bleiben.  

«Das Schönste, was es gibt, sind Begegnungen.»


Zustände, von denen viele Hoteliers träumen. Wieso ziehen immer mehr Gäste private Unterkünfte tollen, modernen Hotels vor? Was können Gastgeber in Bed & Breakfast ihren Gästen bieten, was ein Hotelier nicht kann? «Wir können individuell auf unsere Gäste eingehen», sagt Sandra Gisler. Ich begrüsse sie einzeln. Beim Frühstück setze ich mich gerne mit einer Tasse Kaffee an den Tisch, tausche mich mit ihnen aus und gebe Tipps, wie sie den Tag verbringen können.» Das vermittle den Gästen ein Gefühl von Zuhausesein. Viele kämen deshalb immer wieder. Interessanterweise besuchen viele alleinreisende Frauen ihr Bed & Breakfast auf der Rigi. Dann könne es vorkommen, dass die 53-Jährige auch abends den Gästeraum ihrer im Haus liegenden Wohnung vorzieht, im Gespräch vertieft. «Ich finde es schön, im eigenen Haus so viele Möglichkeiten für Begegnungen zu haben. Sie sind das Schönste für mich.»

Ein weiterer Vorteil von Bed &Breakfast sieht die gelernte Gastronomin im Platz, der den Gästen zur Verfügung steht: «Wir haben viel Raum, den sich wenige Menschen teilen dürfen. Im grossen Garten können sich Kinder austoben. Derweil gönnen sich die Erwachsenen einen Apéro oder ein Raclette. Beides kann bei Sandra Gisler bezogen werden, muss aber nicht: «Man muss hier nichts konsumieren. Es ist den Gästen gestattet, Mitgebrachtes im und ums Haus zu konsumieren.» Ein weiterer Vorteil gegenüber Hotels.

Hausgemachtes Brot und Konfi

Gemäss Sandra Gislers Motto «Mach’s mit Herzblut oder mach’s nicht» bäckt sie Brot und Zöpfe für ihre Gäste täglich selbst, auch die Konfis stellt sie her. Käse bezieht sie aus der Region. Bei schlechtem Wetter heizt sie den Kamin im Frühstücksraum schon morgens ein. Das gibt dem Raum noch mehr Charme. «Unsere  Gäste sollen sich wohlfühlen.» Dazu tragen auch die drei Katzen im Haus bei. Die jüngste, ein hübscher roter Kater aus dem Tal, hat sich im Januar im Tiefschnee ins «Be and Mee» hochgekämpft und es als sein neues Zuhause auserkoren.

Persönlicher Bezug ist wichtig

Die Bündner Mitglieder von Bed & Breakfast Switzerland haben 2016 rund 10 000 Logiernächte mehr als im Vorjahr gezählt. Bald dürfte diese Zahl weiter steigen. Denn in La Punt-Chamues-ch ist ein neues, grösseres Bed & Breakfast geplant. Die Chesa Dimena bietet ab Frühling 2020 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Inn Hub La Punt (siehe Box) 44 Betten in Doppelzimmern, Studios und Familienzimmern. «Wir haben schon zu viele klassische Hotels im Engadin», sagt die Gastgeberin Sonja Bannwart. «Wir wollen mit unserem Familienbetrieb den Gast abholen, ihn willkommen heissen, auf seine Bedürfnisse eingehen und eine Beziehung zu ihm aufbauen. Dieser persönliche Bezug ist für den Gast heute wichtiger als Luxus und kann ihm in Bed & Breakfast geboten werden.» 

Segeln oder joggen mit Gastgeber

Das gegenseitige Kennenlernen zwischen Gastgeberin und Gast findet längst nicht immer nur im Haus beim Frühstück statt: Regula Blumer, Gastgeberin im Blumer Bed & Breakfast in Basel, ist sogar schon vor dem Frühstück für ihre Gäste da. Auf Wunsch begleitet sie diese auf einer Joggingrunde durch Basel, bevor sie das Frühstück zubereitet. Tagsüber zeigt sie ihnen auf dem Velo die Stadt. Den Abend auf einer englischen Yacht mit Apéro oder Nachtessen verbringen, das kann man mit Gastgeber Daniel Graf in Weggis am Vierwaldstättersee.

Als «Spiezer Gschichtewyb» bietet Gastgeberin Eva Frei seit 2004 szenische Stadtrundgänge an. Auf verschiedenen Spaziergängen nehmen ihre Gäste teil an einer Geschichte mit wahrem Hintergrund, die ein lokales oder regionales Thema bearbeitet. Sie erfahren mehr über die besonderen Umstände der Zeit und über das Schicksal bestimmter Personen und lernen so die Gemeinde und die Umgebung auf spezielle Weise kennen.

(Sarah Sidler)


Innovation Hub La Punt

Auf rund 7000 Quadratmetern sollen in der Engadiner Gemeinde Arbeits- und Seminarräume, bewirtschaftete Wohnungen und ein Geschäft für lokale Produkte entstehen. Auch eine neue Gästeinformation, ein Sport- und Medizinzentrum, ein Café sowie eine Tiefgarage sind geplant. Während der Bau durch Investoren finanziert wird, wird für den Betrieb eine breit abgestützte Gesellschaftsform mit genossenschaftlichem Charakter angestrebt, an der sich Einheimische und Gäste beteiligen können. 

Die geplante Investitionssumme beträgt rund 40 Millionen Franken. Ohne grössere Verzögerungen in den rechtlichen Verfahren und bei einer Bauzeit von rund eineinhalb Jahren könnte der Inn Hub Ende 2021 seine Türen öffnen.