Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Von Stoppelrübe und Butterkohl

Matthias Hollenstein produziert mittels einzigartiger Anbaumethoden Wildkräuter, seltenes Gemüse und alte Getreidesorten.

  • Selbst im Winter gedeiht auf Matthias Hollensteins Äckern eine Vielzahl an Lebensmitteln. (Bilder ZVG)
  • Seltene Getreidesorten verhelfen regionalen Bäckern zu einzigartigen Broten.

Er ist ein Tüftler und arbeitet nach biodynamischen Grundsätzen. Auf seinem Hof wächst alles anders als weitherum verbreitet. Auch jetzt, wo die meisten Äcker kahl im Winterschlaf liegen, gedeiht es auf Matthias Hollensteins Boden. 15 Hektaren bewirtschaftet der 33-Jährige mit seinem Team. Sie liegen um den Eichhof in Mönchaltorf/ZH, bei Gossau/ZH und Jona/SG. Sie nennen ihr nachhaltiges und regeneratives System Slow Grow. «Wir gehen neue Wege und engagieren uns für vielfältige, multifunktionale Produktionslebensräume. Denn nur ein gesunder und belebter Boden sowie eine artenreiche, intakte Umwelt bieten den Pflanzen optimale Lebensbedingungen.» Wie gut diese Bedingungen sind, ist besonders jetzt sichtbar. Sogar mitten im Winter erntet er vom Feld Rettiche, Topinambur, Vogelmiere, Spinat, verschiedene Zwiebelsorten und Erdmandeln. Auch Kohlarten wie Butterkohl und January King, violetter Broccoli, Wirz und Stoppelrüben sind da. Letztere sind in der Norddeutschen Küche verbreitet und verfügen über einen feinen Räben- oder würzigen Kartoffelgeschmack. Sie eignen sich als Stärkebeilage in vielen Gerichten. 

«Wir decken den gesamten Gemüse- und Getreidebedarf des ‹Jakob›.»
 

Speziell erwähnenswert ist seine mehrjährige Kardy. Weil die Gemüse-Artischocke schon im dritten Jahr gedeiht, schmecken ihre Blätter nicht mehr bitter. Sehr aromatisch, schon fast süss sei das distelartige Gemüse nun. Auch auf seinen mehrjährigen Fenchel ist Matthias Hollenstein stolz: «Ich habe ihn so geschnitten, dass aus einem Strunk inzwischen mehrere kleine Fenchel wachsen.» Sein Geschmack sei sehr konzentriert und erinnert an Lakritz und Anis. «Wir kultivieren Gemüse wie andere Obstbäume.» 

Sein Wissen hat sich der Landwirt autodidaktisch mittels Büchern und Beiträgen aus dem Internet sowie durch 1000 Versuche angeeignet. Matthias Hollenstein beliefert mit seinen Lebensmitteln das Restaurant Jakob in Rapperswil/SG. Wann immer es die Zeit zulässt, erntet Küchenchef Markus Burkhard mit seiner Crew selbst auf den Feldern. Die Arbeit von Küchenchef Burkhard und seinem Team ist von Erfolg: Aktuell ist sie mit 16  Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. 2018 wurde ihr Restaurant als Entdeckung des Jahres in der Deutschschweiz gefeiert. 

Für das «Jakob» ist es sehr wichtig, dass Hollensteins Felder das ganze Jahr über immer etwas hergeben. «Mittlerweile schaffen wir es, nahezu den gesamten Gemüse- und Getreidebedarf des Restaurants aus unserem speziellen Anbausystem abzudecken». Dem ging eine dreijährige Entwicklungs- und Versuchsphase voraus.   

Auch mit dem Restaurant Rechberg 1837 pflegt der Zürcher Oberländer eine kreative Zusammenarbeit. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Köche, die vom austauschbaren Gemüse aus aller Welt wegwollen, fast süchtig nach Gemüse aus seinem entschleunigten Anbausystem werden.  

Regionale und biologische Vielfaltmischung

Zu den raren Pflanzen, die auf dem Slow-Grow-Land wachsen, zählen schwarze Gerste, roter Weizen und Waldstaudenroggen. Zudem lässt der innovative Bauer auf dem Feld eine Vielfaltmischung wachsen. Diese besteht aus Dinkel, Emmer, Roggen und Weizen. Mit diesem ausgeklügelten Saatenmix bietet er den Bäckern eine Backmischung direkt vom Feld an. «Diese hat hervorragende Backeigenschaften und entspricht dem Trend zu mehr Biodiversität, Regionalität und regenerativer Landwirtschaft», so Matthias Hollenstein. 

Neues Geschäftsfeld für Bäcker

In diesem Bereich sieht der Bauer grosses Potenzial für experimentierfreudige Bäcker. Matthias Hollensteins Angebot, sich als Partner auf dem Feld und in der Backstube zur Verfügung zu stellen, nahm Martin Mayer von der Bäckerei Vuaillat in Niederuster/ZH an. Dieser hat sich auf die Produktion und den Verkauf von Sauerteigbrot spezialisiert. Regelmässig testet er neues Brot aus Slow-Grow-Mehl. Im Dezember hat der junge Bäcker ein Vollkornbrot lanciert, das zu 100 Prozent aus rotem Weizen besteht.

(Sarah Sidler)