Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Serie: Wie Gastronomen die freie Zeit nutzen (Teil 1)

Der Lockdown hat die Welt der Gastronomen und Hoteliers verändert. Von heute auf morgen haben sie plötzlich sehr viel Zeit. Die HGZ hat sich umgehört, wie sich Betroffene organisiert haben, wie sie sich bei Laune halten und wie sie die ungewollte Pause nutzen.

Dario Cadonau, Gastgeber Hotel In Lain, skv-Mitglied, Brail/GR. (ZVG)

Einige Stimmen der Branche. Wir werden die Statements laufend ergänzen.

 

Dario Cadonau

Gastgeber Hotel In Lain, skv-Mitglied, Brail/GR

«Nichtstun ist nicht unser Ding, jammern schon gar nicht. Von Freizeit ist derzeit noch keine Rede. Wir sind daran, uns mit der Situation abzufinden, dass es ab dem Sommer andere Zeiten geben wird. Es wird bestimmt nicht mehr gleich sein wie vorher. Wir beschäftigen uns intensiv damit, was wir tun können, um dem Ganzen positiv entgegen zu wirken. Das «In Lain» ist lediglich eine Woche früher als geplant in die Zwischensaison gegangen. Die Buchungen für die letzte Woche wurden alle bis auf eine storniert. Somit gilt für uns im Moment die fast normale Zwischensaison – einfach mit einem sehr ungewissen Gefühl, wie es weiter geht. Denn bereits am 14. Mai möchten wir – falls möglich – gerne in den Sommer starten. Wir haben fast ausschliesslich Schweizer Gäste. Vielleicht ist dies unser Glück? Wir gehen aber stark davon aus, dass es später als geplant weiter gehen wird und sich eventuell das Rad langsamer drehen wird. In der Zwischenzeit füllen wir die Tage mit administrativen Aufgaben für unsere Teams, motivieren unsere Mitarbeitende und sind im ständigen Kontakt mit ihnen. Zudem machen wir uns viele Gedanken über neue Projekte, überdenken Strategien und planen für die Zukunft. Was können wir für die Gäste Neues umsetzen, wie können wir sie überraschen, wenn sie wieder da sind? Zudem denken wir uns neue Gerichte aus und geniessen die Familie. Gemeinsam essen ist für uns schon so viel wie für andere Ferien.»

Andy Zaugg

Caterer, Coacher, Solothurn

«Es ist eine globale Herausforderung, die alle Menschen in irgendeiner Form betrifft. Wenn wir es als freie Gesellschaft in der Schweiz schaffen, die Ausbreitung des Corona-Virus so einzudämmen, damit es das Gesundheitssystem würdevoll tragen kann, dann haben wir etwas erreicht, auf das wir wirklich stolz sein können. Klar, die ganze Situation ist sehr stressig und hat negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, aber es geht um etwas, das viel wichtiger ist. Mit welchen kreativen Ideen überbrücke ich die unfreiwillige Auszeit?

Als ich letzte Woche von #kochenfürhelden, einer Grassrootsbewegung in Deutschland, las, hat mich das sehr bewegt. Das ist eine wohltätige Aktion von Köchen. So werden Menschen mit Gratis-Mahlzeiten versorgt, die dafür sorgen, dass das Leben unter den derzeitigen Umständen weiterläuft, also Ärzte, Spitex, Polizei, die öffentliche Verwaltung undsoweiter. Ich habe spontan einige befreundete Köche angerufen, weil es mir ein Bedürfnis war, etwas Ähnliches für Solothurn auf die Beine zu stellen und denjenigen Menschen Danke zu sagen, die zur Zeit unsere Stadt am Laufen halten. Wir – Stefan Bader, Zum Alten Stephan, Giorgio Dominkovits, Markus Dominkovits und David Scheidegger, Cucina Arte, Urban Schiess, Urban Schiess Kochkünste und ich –  kochen in den nächsten Tagen 500 Mahlzeiten und verteilen diese am Freitag, 3. April an kostenlos. Damit es keinen Foodwaste gibt, haben wir vorab das Bedürfnis abgeklärt und die Resonanz war extrem positiv. Für mich persönlich, aber auch für meine Freunde, ist es sehr motivierend, wieder etwas zu bewegen und so unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen zu können. Daneben koche ich sehr viel für meine Familie und probiere neue Sachen aus. Die Fotos und Rezepte poste ich auf meinen Social-Media-Kanälen oder stelle sie meinen Kooperationspartner wie beispielsweise dem Cook & Chef Institute für ihre #stay-at-home-Kampagnen zur Verfügung. Auch hier entsteht viel Dialog und ich merke, wie ich damit den Menschen Freude bereiten kann, was in dieser Zeit sehr wichtig ist. Nächste Woche teste ich erstmals im Rahmen einer Influencer-Kooperation die Möglichkeiten von Instagram-Live aus. Ich nutze die Situation also auch um Neues zu lernen.»

Norbert Schwery

Catering Gaumenzauber, skv-Mitglied, Brig/VS

«Ich versuche immer positiv zu sein. Auch in diesen Tagen, wo es einem mehr zum Weinen als zum Lachen ist. Wenn wir Unternehmer jetzt nicht positiv sind, wird es nach der Krise noch viel länger dauern, bis alle wieder einander vertrauen und konsumieren. Uns hat es extrem stark getroffen. Wir haben alle Raiffeisen-Anlässe zur 100-Jahr-Feier von Belalp-Simplon abgesagt bekommen. Ebenso die Brunchfahrten der Matterhorn-Gotthard-Bahn sowie acht Wine-&-Dine-Fahrten und so weiter. Bis heute reden wir von weit mehr als 450 000 Franken Umsatzverlust. Nun was machen wir? Alle Mitarbeiter, welche keine befristeten Verträge hatten, sind in Kurzarbeit. Da wir schon immer versuchten, verschiedene Standbeine zu haben, können wir unseren letzten Bereich, die Firmenkantinen, bekochen. Neu hinzugekommen sind kleinere Firmen, die sich nicht mehr in einem Restaurant verpflegen können und Lieferungen an Private. Das Ganze rechnet sich nicht wirklich. Doch der dankbare Blick beim Ausliefern lässt einen die Corona-Misere für einen Moment vergessen.

Mirko Buri

Food Lab, «Mein Küchenchef», Bern

«Statt eines Restaurants betreiben wir derzeit ein Food Lab. Das heisst konkret: Wir richten in unserem Restaurant ein Food Lab  ein, um für ‹Foodoo› neue Produkte zu produzieren. Damit stehen wir den regionalen Produzenten als Absatzkanal weiterhin zur Verfügung. Und wir können weiterhin Food Waste verarbeiten, neu in herrliche Corona-Krisen-Produkte. Zu Ostern wird das erste Produkt auf den Markt kommen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.»

Andrea Scherz

Hotelier, Hotel Palace, Gstaad

 «Wir haben bereits vergangenen Herbst beschlossen, dass wir die Wintersaison am 9. März beenden wollen. Da wir diese planmässig beenden konnten, sind wir von der aktuellen Lage nicht so hart betroffen wie andere. Somit haben wir zwar eine normale Zwischensaison, jedoch mit vielen offenen Fragen, was die kommende Sommersaison betrifft.»

Stefan Wiesner

Sternekoch, skv-Mitglied, Alchemistische Naturküche, Restaurant Rössli, Escholzmatt/LU

 «Unsere erste Idee war, auf Take-away umzustellen, so wie viele Berufskollegen auch. Doch dann hätten wir uns an die Ladenöffnungszeiten halten müssen. In unserer Region würde aber vor allem das Wochenendgeschäft laufen. Also kamen wir wieder von dieser Idee ab. Weil ich vier Lernende habe, entschlossen wir uns, uns um deren Aus- und Weiterbildung zu kümmern. Die ersten zwei Tage habe ich ihnen den Wissensschlüssel meiner Naturakademie erklärt. Christian Hübscher, der im dritten Lehrjahr ist, nutzt die Zeit, für seine Abschlussprüfung lernen. Zudem gibt er sein Wissen den anderen drei Lernenden weiter. Wir gehen gemeinsam Kräuter sammeln, machen Gemüse ein, das wie immer jede Woche von einem nahe liegenden Demeterhof angeliefert wird. Dort helfen wir einmal pro Woche bei den anfallenden Arbeiten auf Feld und Hof aus. Und ich selber denke mir ein Gourmetmenü aus für die Zeit danach. Sein Titel lautet «Black Earth» und lehnt sich an ein Stück eines türkischen Komponisten an. Im Gericht kombiniere ich dessen klassischen und jazzigen Komponenten. Das Ganze plane ich auf dem Feuerring zu kochen.»

Pascal Kunz

Bartender, Mitinhaber Hinz & Kunz, Basel

«Nachdem beide Betriebe geschlossen wurden, haben wir erstmal alles heruntergefahren. Das heisst: Wir haben alles gereinigt, instand gesetzt, die Kühlanlagen ausser Betrieb genommen, von der Eismaschine über den Kühlschrank bis zur Tiefkühltruhe. Dann ging’s an die Administration, wie zum Beispiel dem Beantragen der Kurzarbeitsbewilligung für die Mitarbeiter. Alleine für das Ausfüllen der Formulare braucht es seine Zeit, denn wir sind mittlerweile 15 Mitarbeiter. Und natürlich ist unsere Hauptbeschäftigung die Beschaffung von finanziellen Mitteln. Nun ist es so, dass wir vom Kanton Basel-Stadt etwas erhalten werden. Zudem ist da die Kreditmöglichkeit des Bundes. Aber das alles durchzudenken und aufzugleisen braucht seine Zeit. Zudem bin ich im ständigen Kontakt mit den Mitarbeitern. Wir haben vereinbart, dass wir nach der Schliessung alle mal zwei Wochen zu Hause bleiben, um allfällige Risiken geringl zuhalten. Wir hatten alle in unseren Bars relativ viele Kontakte. Derzeit sind wir alle noch gesund. Mal ein paar Wochen keinen Alkohol zu trinken, viel zu schlafen und meinem, von der vielen Nachtarbeit geschundenen Körper eine Erholungspause zu geben – das schadet auf keinen Fall.»

Stefan Nowaczyk

Executive Chef Seven Group, Tessin

«Derzeit bin ich auf Kurzarbeit. Weil meine Frau als HR-Beauftragte im Hotel Eden Roc in Ascona alle Hände voll zu tun hat, betreue ich unsere beiden kleinen Kinder. In diesem Sinne bin ich halb Hausmann, halb Lehrer. Denn ich bin im ständigen Kontakt mit der Vorschule. Das machen die Schweizer wirklich gut. Da gibt es gute Videos und Programme. Dennoch muss immer ein Erwachsener dabei sein, um die Kinder zu unterstützen. Das ist auch richtig so. Ausserdem gehen wir viel nach draussen zum Wandern und Spazieren. Gottseidank dürfen wir das noch. Und uns bleibt die Hoffnung, dass wir ab Mai in die Sommersaison starten können. Unser Ziel ist es, möglichst viele der 40 Festangestellten in die nach Corona-Zeit zu bringen. Da wir verschiedene Standbeine haben, haben wir hier einen gewissen Spielraum.»

Rolf Fuchs

Restaurant Panorama Hartlisberg, skv-Mitglied, Steffisburg/BE

«Nach dem ersten grossen Schock haben wir damit begonnen, den ganzen Betrieb auf Vordermann zu bringen. Wir haben die Grundreinigung mehr als gründlich gemacht und haben uns an lange anstehende kleinere Renovationsarbeiten gewagt. Nach zwei Wochen war dann alles tipptopp. Wir dürfen 70 Prozent unserer Gäste regelmässig bei uns begrüssen. Unsere Überlegung war, dass diese sicher gerne wieder mal was Gutes von uns essen möchten. Und weil es uns in den Händen kribbelte, wieder mal so richtig Gäste verwöhnen zu dürfen, entschieden wir uns, einen Take-away-Service für unsere Stammkunden zu lancieren.»

Stefan Beer

Sternekoch, skv-Mitglied, Grand Hotel Victoria-Jungfrau, Interlaken/BE

 «Im Zuge der Weisung der Schweizer Behörden haben wir vor rund drei Wochen das Hotel geschlossen. Wöchentlich tauschen wir uns im Kader aus und gehen bereits die Planung für die Wiedereröffnung und die Ausarbeitung der Angebote bis Ende Jahr an. Die meiste Zeit verbringe ich aber mit dem Entwickeln von neuen Ideen für das «Menu Vo Hie» im Restaurant La Terrasse. Ich denke über Menü-Variationen nach und recherchiere nach neuen Produkten im Umkreis von 40 Kilometern. Dabei lasse ich aktuelle Kundenbedürfnisse wie vegane Gerichte nicht aus den Augen – wer weiss, vielleicht können wir bald eine vegane Version vom «Menu Vo Hie» anbieten… Wichtig ist mir ebenfalls ein gelegentlicher Austausch mit meinem Executive Sous Chef und den Küchenchefs, um Ideen für die Sommer- oder Event-Menüs und erste Entwürfe für das Festtags-Angebot auszuarbeiten.»

(rma)