Den Winter vertreiben

Graubünden ist reich an Traditionen. Über Jahrhunderte haben sich in den 150 Tälern und drei Sprachregionen Bräuche entwickelt, die bis heute gelebt werden. Einer von ihnen ist Chalandamarz.

Das rätoromanische Wort Chalandamarz bedeutet Kalendermärz. Dabei handelt es sich um einen Frühlingsbrauch, dessen Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Dass es der 1. März ist, geht auf die Zeit der römischen Besetzung von Raetia im 1. Jahrhundert nach Christus zurück. Damals galt der erste Tag (kalendae) im März (martius) als Beginn des neuen Jahres.

Noch heute wird im Engadin, Val Müstair, Bergell, Valposchiavo sowie im Val Surses an diesem Tag der Winter vertrieben und das neue Jahr mit einem rauschenden Fest begrüsst. Dabei zieht die Schuljugend durch die Dörfer und verjagt mit Schellengeläut und Peitschenknallen die winterlichen Dämonen. «Es wird erzählt, dass dies früher der Tag war, an dem sich die Kinder nach den kargen Wintermonaten wieder einmal richtig satt essen durften», weiss Luzi Bürkli, Leiter Unternehmenskommunikation von Graubünden Ferien.

Zur touristischen Wertschöpfung im Speziellen seien keine Zahlen bekannt. «Jedoch hat der Chalandamarz aus Marketingsicht eine grosse Bedeutung. Es gibt Gäste, die ihren Aufenthalt bei uns so planen, dass sie dabei sein können», sagt Bürkli. Der Anlass habe aber keinen kommerziellen Hintergrund. Er werde von den Gemeinden und Schulen organisiert. «Die touristische Wirksamkeit ist somit ein Nebeneffekt und längst nicht überall gleich.» 

Weltweit bekanntes Kinderbuch

Guarda als Schellenursli-Dorf habe sicher die grösste touristische Nutzung. Seine internationale Bekanntheit verdankt Guarda dem Kinderbuch Schellenursli von der Autorin Selina Chönz mit Zeichnungen von Alois Carigiet. Einen Tag vor dem Chalandamarz besucht Ursli Onkel Gian, der jedem Buben eine Glocke gibt, eine schöner als die andere. Als Ursli an die Reihe kommt, erhält er die letzte und kleinste Glocke. Alle lachen Ursli aus und rufen ihm Schellenursli nach. Dieser weint bittere Tränen und erinnert sich an die Kuhglocke, die im Maiensäss hängt. Kurzentschlossen nimmt er den Weg durch den Schnee auf sich und kehrt erst am nächsten Tag in sein Dorf zurück, bestückt mit der grössten Glocke.

Früher war der Chalandamarz ein Fest der männlichen ­Jugendlichen. Heute sind die Mädchen in den Umzug durchs Dorf integriert wie zum Beispiel seit 2023 in Zuoz im Engadin.

Das Brauchtum Die Schweiz ist voller Bräuche. Während eines Jahres picken wir einige davon heraus wie jenen im Kanton Graubünden. (Illustration Pierina Bucher)

Ein beliebtes Gericht an diesem Tag ist Chastognas da Chalandamarz. Dabei handelt es sich um ein süsses Hauptgericht. Dafür Kastanien säubern und für 48 Stunden in Wasser aufweichen. Wasser in den Kochtopf absieben. Die enthäuteten Kastanien in den Kochtopf geben. Zucker und Zitronensaft dazugeben. Kastanien zirka zwei Stunden kochen, bis sie weich und karamellisiert, aber noch nicht zerfallen sind. Rahm schlagen und ihn auf die heissen Kastanien geben.

(Ruth Marending)


Mehr Informationen unter:

graubuenden.ch