Der Verein Cosmea bietet im Restaurant Loë in Chur/GR berufliche Perspektiven für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
Das «Loë» ist seit zwanzig Jahren ein Beispiel dafür, wie aus Negativem Positives entstehen kann. Ein Schicksalsschlag in seiner Familie motivierte Reto Müller, Arbeitsplätze für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung zu schaffen. Er gründete dazu den Verein Cosmea. «Der Start war schwierig. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten», erinnert sich Reto Müller. Es galt, bei Behörden, Sozialversicherungen, Organisationen und Sponsoren vorstellig zu werden sowie eine geeignete Lokalität und Geschäftsführung zu finden.
Die Hartnäckigkeit und der Enthusiasmus der Beteiligten haben sich gelohnt. Das Restaurant Loë gibt es inzwischen seit über zwanzig Jahren. Der Cosmea-Vorstand ist fast noch in Originalbesetzung am Wirken. In der ganzen Zeit hatte das «Loë» mit Rita Petautschnig (2005 bis 2018) und Jasmin Ineichen (seit 2018) nur zwei Geschäftsführerinnen. Das Restaurant hat sich in der Churer Gastroszene als gepflegtes Speiserestaurant mit sozialem Auftrag einen Namen gemacht. Die Küche ist gutbürgerlich und saisonal.
Zusammen mit dem Fachpersonal konnte der Umsatz stetig gesteigert werden. Das wiederum ermöglichte den Ausbau der Arbeitsplätze für die auf Begleitung und Betreuung angewiesenen Mitarbeitenden. Sie sind im Service, in der Küche, in der Lingerie aber auch in der Administration im Einsatz.
Zurzeit sind im Restaurant Loë 21 Personen mit einer Beeinträchtigung beschäftigt. Zwei von ihnen sind seit der Eröffnung im Mai 2005 dabei, acht weitere arbeiten seit über zehn Jahren im «Loë». Die Beständigkeit bei Vorstand, der Geschäftsführung und beim Mitarbeiterstab ist einer der Erfolgsfaktoren. Gleichzeitig ist sie eine Bestätigung, dass das Konzept aufgeht. In der Regel bieten Integrationsbetriebe zeitlich begrenzte Ausbildungs- und Arbeitsprogramme an. Nicht so das Restaurant Loë. Hier können die Mitarbeitenden mit einer Beeinträchtigung so lange bleiben, wie sie möchten.
Jasmin Ineichen erklärt: «Für die einen sind wir ein Bahnhof, von dem aus sie weiterreisen, sobald sie fit für den ersten Arbeitsmarkt sind. Für andere sind wir ein sicherer Hafen, in dem sie bis zur Pensionierung bleiben können.»
Reto Müller, Präsident Verein Cosmea
Anstellungspensum und Einsatzgebiete werden dabei an die individuellen, aktuellen Bedürfnisse und gesundheitlichen Umstände jeder Person angepasst. Das erfordert von der Geschäftsführerin und den neun Fachangestellten des Restaurants Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Spontaneität. Immerhin kann jederzeit jemand wegen der tagesaktuellen psychischen Verfassung ausfallen.
Der grosse persönliche Einsatz aller Beteiligten zeigt Erfolge. So wagte sich eine Mitarbeitende, die Menschen meidet und nur im Hintergrund arbeitet, am Jubiläumsfest zum ersten Mal in den Service. Für diese Frau ist das ein grosser Fortschritt und, wie sie sagt, auch eine schöne Erfahrung.
Ein besonderer Höhepunkt in der «Loë»-Geschichte ist der Erfolg einer Mitarbeiterin, welche die Lehre zur Restaurantangestellten EBA mit der Note 4,9 abschloss. Und das ohne Nachteilausgleich. Sie suchte sich nach der Lehre selber eine Stelle in der Saisonhotellerie. Auch die verschiedenen Mitarbeitenden, die durch ihre Ausbildung und Arbeit im Restaurant Loë nur noch auf eine Teilrente angewiesen sind – oder gar keine IV-Rente mehr brauchen – sind lebende Beweise für gelungene Integration.
Integration findet im «Loë» auch direkt am Esstisch statt. In Zusammenarbeit mit der Selbsthilfeorganisation aller Menschen mit einer Behinderung Procap Graubünden wird monatlich eine Tavolata durchgeführt. Ganz nach dem Motto: «Sei mittendrin, statt nebenbei».
(Riccarda Frei)