Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Digitalisierung mit Köpfchen

Die Digitalisierung hat die Hospitality-Branche quer durch alle Bereiche erfasst. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, bringt automatisch Fortschritt. Wo die Branche steht, was sich bewährt und warum der Schlüssel zum Erfolg in einer ganzheitlichen Strategie liegt.

Die digitale Transformation prägt zunehmend die Art und Weise, wie Betriebe Gäste und Mitarbeitende ansprechen. Sie verändert und modernisiert zentrale Geschäftsbereiche und Prozesse in allen Bereichen der Hospitality-Branche. Was einst mit Online-Buchungsportalen und digitalen Zimmerschlüsseln begann, geht heute weit über das Front Office hinaus. Ob Réception, Küche, Bäckerei Housekeeping oder HR: Digitale Tools haben Einfluss auf den operativen Alltag und eröffnen neue Möglichkeiten für Effizienz, Qualität, Nachhaltigkeit und – ja – auch Gastfreundschaft.

Digital: aber nicht um jeden Preis

Für viele Betriebe stellt sich nicht mehr die Frage, ob sie digitalisieren, sondern wie und mit welchem Ziel. Denn digitale Lösungen können vieles: Prozesse automatisieren, Ressourcen einsparen, Fachkräfte entlasten oder das Gästeerlebnis verbessern. Doch nicht jede Technologie ist für jeden Betrieb sinnvoll, und nicht jede Innovation erfüllt ihren Zweck. Entscheidend ist, wie gut eine Lösung zu den Bedürfnissen, zur Kultur und zur strategischen Ausrichtung eines Betriebs passt. Eine Erhebung von Hotelleriesuisse zeigt: Rund zwei Drittel der Betriebe setzen bereits auf Self-Check-in-Systeme, über 70 Prozent auf digitale Tools zur Personalplanung. Gleichzeitig steigen die Investitionen in smarte Geräte, Cloud-Systeme oder Gäste-CRM (Customer Relationship Management). Teils aus Effizienzgründen, teils aus Notwendigkeit. Denn anhaltender Fachkräftemangel, steigende Kosten und veränderte Gästeerwartungen erfordern neue Wege, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere die junge Generation der Reisenden bringt hohe digitale Ansprüche mit, wünscht sich aber gleichzeitig einen authentischen, persönlichen Service. Der Spagat zwischen Automatisierung und Gastlichkeit wird damit zur Herausforderung.

Auch in Bereichen, die weniger im Rampenlicht stehen, bringt die Digitalisierung spürbaren Fortschritt: In der Hauswirtschaft sorgen digitale Reinigungspläne für mehr Effizienz, in der Backstube steuern intelligente Gärsysteme die Teigführung präzise und im HR-Bereich ermöglichen Mitarbeiter-Apps eine neue Qualität der internen Kommunikation und Zusammenarbeit. Ein weiteres Schlüsselthema ist die Energie- und Gebäudetechnik. Smarte Lösungen bieten angesichts steigender Energiepreise und wachsender Nachhaltigkeitsanforderungen ein erhebliches Sparpotenzial. Ein Beispiel liefert das Hotel Schweizerhof Zürich: Dort wurde das Heiz-, Lüftungsund Klimasystem durch Raumtemperatursensoren und eine zentrale Steuerung digitalisiert. Während früher Zimmertemperaturen nach dem Check-out manuell angepasst wurden, übernehmen heute automatisierte Prozesse die Regulierung. Das spart viel Energie.

Kulturwandel im Betrieb

Doch Digitalisierung ist kein reines Technologiethema. Sie greift in Arbeitsabläufe ein, verändert Rollenbilder und erfordert Mitdenken. Wer digitale Tools einführt, muss Strukturen anpassen und die Schulung und Begleitung der Mitarbeitenden sicherstellen. Eine Beratung hilft Betrieben, Prioritäten zu setzen.

Nils Betschart vom Beratungsunternehmen Hotel Digit Services AG in Schindellegi/SZ, zeigt auf, wo digitale Investitionen Mehrwert schaffen und wo häufige Fehler lauern. Eines wird dabei deutlich: Die Digitalisierung ist kein Trend, sondern ein Kulturwandel. Und der ge-lingt nur dann, wenn Mensch, Technik und Strategie zusammenspielen.

HGZ: Nils Betschart, wo sehen Sie den grössten Digitalisierungsbedarf in der Hospitality-Branche?

Die Herausforderung liegt in der fragmentierten Systemlandschaft. Statt einzelne Tools isoliert zu betrachten, braucht es den Blick auf die gesamte Customer Journey: von der Inspiration und Buchung über den Aufenthalt bis hin zur Bewertung und künftigen Bindung. Potenzial sehe ich bei der internen Datenvernetzung. In vielen Betrieben existieren zwar gute Insellösungen, aber es fehlt eine durchgängige Systemlandschaft, die den Informationsfluss zwischen Abteilungen automatisiert. Besonders kleine und mittlere Betriebe haben oft nicht die Ressourcen, das Know-how oder die Zeit, um strategisch zu investieren. Genau hier liegt das Problem: Der Digitalisierungsbedarf betrifft heute nicht nur einzelne Tools, sondern ganze Prozessketten. Gefragt sind Managementlösungen, die operative Abläufe effizienter machen, etwa durch die Optimierung von Buchungs- und Reservierungssystemen oder durch Systeme zur Gästeerfassung und -analyse.

Welche digitalen Lösungen haben Sie besonders überzeugt?

In den letzten Jahren haben sich Cloud-basierte Property Management Systeme (PMS) durchgesetzt. Das sind zentrale Hotelverwaltungssoftwares, mit denen Zimmerbelegung, Check-ins/-outs, Zahlungen und Gästedaten ortsunabhängig gesteuert werden können. Überzeugend sind ihre intuitive Bedienung und die Möglichkeit, sie mit anderen Systemen zu verknüpfen. Zum Beispiel mit Channel Managern, die Buchungskanäle wie Booking.com oder die Hotelwebsite synchronisieren, oder mit Payment- und Türöffnungssystemen. Ein weiterer Fortschritt sind digitale Housekeeping-Tools.

Können Sie Anwendungsbeispiele solcher Tools nennen?

Sie haben die interne Kommunikation in vielen Betrieben deutlich verbessert: Zimmerstatus, Reparaturaufträge oder Sonderwünsche lassen sich in Echtzeit erfassen und zuteilen. Das spart Zeit, vermeidet Missverständnisse und hebt die Servicequalität. Auch CRM-Systeme und personalisierte Gästekommunikationslösungen überzeugen. Sie ermöglichen, individuelle Gästedaten zu erfassen und massgeschneiderte Services und Marketingmassnahmen abzuleiten wie automatisierte Willkommensnachrichten, Up-Selling-Angebote oder Feedbackabfragen. Aktuell sind zudem KI-gestützte Telefonassistenten ein spannendes Feld. Sie können Reservationen entgegennehmen, häufige Fragen beantworten oder Anliegen vorsortieren – und entlasten damit das Front Office. Wichtig dabei ist: Der Nutzen für den Betrieb muss klar sein, und die Gäste müssen sich damit wohlfühlen.

Was sind die häufigsten Fehler, die Betriebe bei der Digitalisierung machen?

Viele Projekte starten ohne Strategie oder Zielsetzung. Oft wird einfach mal losgelegt, ohne sich Gedanken zu machen, was das Unternehmen mit der Digitalisierung erreichen will. Ebenso entscheidend ist, das Team mitzunehmen. Ohne Schulung und Beteiligung stossen neue Tools häufig auf Ablehnung oder werden umgangen. Ein weiteres Problem sind, wie erwähnt, Einzellösungen, die nicht miteinander verknüpft sind. Das erschwert Abläufe und senkt die Effizienz. Digitalisierung funktioniert nur als Gesamtstrategie. Zudem erlebe ich häufig, dass die Erwartungen zu hoch sind. Digitalisierung ist kein Schnellschuss, sondern ein langfristiger Prozess mit laufendem Schulungs- und Anpassungsbedarf. Deshalb lohnt es sich, frühzeitig auf fachliche Begleitung zu setzen, auch um Datenschutz und Datensicherheit im Blick zu behalten.


«Technik allein bringt wenig. Wichtig ist, wie gut sie zum Betrieb passt.»

Nils Betschart, Principal Consultant, Hotel Digit Services AG


Welche Innovation würde der Branche am meisten helfen?

Ein Gamechanger wäre eine zentrale, KI-gestützte Plattform, die sämtliche Gästedaten, Buchungskanäle, Preisstrategien, Personaleinsatzpläne, Bewertungen und Servicewünsche intelligent miteinander verknüpft. Man stelle sich vor: Ein Gast bucht online und erhält automatisch einen personalisierten Willkommensgruss. Parallel dazu wird sein Lieblingsgetränk an die Bar übermittelt – bereitgestellt für seine Ankunft. Die Preise passen sich dynamisch an die Nachfrage, das Wetter oder Gästefeedback an. Das System berücksichtigt gleichzeitig den Personaleinsatz. Und das Management sieht alle relevanten Daten auf einem Dashboard in Echtzeit. Kurz: eine Art digitaler Assistent, der Betriebsführung, Wirtschaftlichkeit sowie Gästeerlebnis in Einklang bringt. Noch fehlt ein solch umfassendes, einfach bedienbares System – aber dahin wird sich die Branche weiterentwickeln.

(Andrea Decker)


Zur Person

Nils Betschart ist Principal Consultant und VR-Delegierter der Hotel Digit Services AG. Er leitete unter anderem neun Gastrobetriebe im Raum Zürich und war an mehreren Neueröffnungen beteiligt. Als Mitgründer der Unisono Hospitality Management AG und Verwaltungsrat des Hotels Caspar in Muri/AG bringt er strategische wie praktische Erfahrung ein. Zudem war er Dozent für Projektmanagement an der Hotelfachschule Zürich und ist mit der digitalen Systemlandschaft der Hotellerie bestens vertraut. 

hotelit.digital


So digital arbeitet die Schweizer Hospitality

Gästeservice: Smarter Service

In den Zürcher Hotels Ambassador, Opera und Seehof wird die digitale Customer Journey konsequent umgesetzt. Von der Buchung über den Aufenthalt bis zur Bewertung kommen zahlreiche Tools zum Einsatz: unter anderem das Property-Management-System «Mews», das Check-in/Check-out, Gästewünsche und den Versand personalisierter E-Mails übernimmt. Via «Oaky» kann der Gast Zusatzleistungen buchen, und «Stripe» sorgt für sichere Zahlungen. «Digitale Tools entlasten uns bei repetitiven Aufgaben, was Freiraum für echte Gastfreundschaft schafft», sagt Anastasia Milovanova, Cluster Reservation Manager der Meili Selection Hotels. Gäste profitieren von mehr Komfort und Flexibilität, das Personal von klaren Prozessen und mehr Zeit für den persönlichen Kontakt. Die Technologie verstehe man nicht als Ersatz, sondern als Werkzeug, um individueller auf Wünsche einzugehen. «Gäste entscheiden selbst, ob sie digitale Angebote nutzen oder den persönlichen Kontakt bevorzugen. Beides ist jederzeit möglich», so Milovanova. Die Digitalisierung sei kein Widerspruch zur Gastfreundschaft, «sondern eine Voraussetzung, um diese zeitgemäss zu leben».


Bäckerei: Backen mit Bytes

Digitalisierung ist in der Bäckerei Abderhalden AG in Wattwil/SG gelebter Alltag. «In unserem Familienbetrieb setzen wir auf durchgängige digitale Lösungen – von der Rezeptur bis zur Kundenbewertung», sagt Geschäftsführer Gregor Menzi. Die Verbuchung von Kassenbelegen sowie die Verarbeitung von Kreditorenund Debitorenrechnungen läuft automatisiert. In der Produktion entstehen Rezepturen und Kalkulationen im ERP (betriebliche Ressourcenplanung), Stücklisten und Deklarationen werden direkt generiert. Geschäftskunden bestellen über ein Online-Portal, aus dem automatisch Lieferscheine entstehen. Die Personalplanung erfolgt über eine App – ein KI-gestütztes Pilotprojekt läuft. Auch die Mengenplanung soll künftig mithilfe künstlicher Intelligenz erfolgen. Kundenrezensionen werden KI-gestützt via Google Gemini bearbeitet. «Digitalisierung heisst für uns: weniger Zeit in der Administration und mehr Zeit für schmackhafte Produkte und zufriedene Kunden», so Menzi. Die Bäckerei zeigt, wie Handwerksbetriebe durchdachte Digitalisierung strategisch nutzen können und dabei sowohl den Betrieb als auch das Kundenerlebnis verbessern.


Housekeeping: Tool statt Telefon

Das Housekeeping wird im Luzerner Hotel Continental Park seit Kurzem digital gesteuert, und das mit spürbarem Effekt. «Wir arbeiten seit einigen Monaten mit dem Housekeeping-Tool von Hotelkit», erklärt Kathrin Haas, Chef de réception. «Die Umstellung verlief reibungslos, und schon nach kurzer Zeit konnten wir die internen Abläufe deutlich optimieren.» Das Tool reduziert nicht nur den Kommunikationsaufwand, etwa durch den Wegfall zahlreicher Kontrollanrufe zwischen Réception und Etage, sondern ermöglicht eine Echtzeiterfassung des Zimmerstatus. Auch die Rückmeldung über erledigte Reinigungen erfolgt nun systemgestützt und nachvollziehbar. Ein Vorteil ist die modulare Struktur: Checklisten, Reinigungsintervalle, Übergaben oder Aufgabenverteilungen lassen sich individuell an den Betrieb anpassen. «Besonders bei der Schulung neuer Mitarbeitender erleichtern die standardisierten Prozesse den Einstieg erheblich», so Haas. Zudem ermöglicht das System ein Reporting, das auch für Qualitätskontrollen und Audits hilfreich ist. «Wir gewinnen an Übersicht, Transparenz und Zeit und können uns stärker auf die Gäste konzentrieren.»


Human Resources: Scrollen statt Stapeln

Im Art Deco Hotel Montana in Luzern sind digitale Tools aus dem Human-Resources-Alltag nicht mehr wegzudenken. «HR heute ist nicht mehr möglich ohne digitale Hilfe», sagt Maxime Winz, Head of Human Resources. Mit dem Rekrutierungstool Jobalino verarbeitet das Team eine beeindruckende Menge an Bewerbungen: Allein bis Mai 2025 sind bereits über 2000 Bewerbungen eingegangen. «Zudem digitalisieren wir gerade unsere Mitarbeitendendossiers.» Das Tool ermöglicht es, Dossiers sicher, datenschutzkonform und digital abzulegen sowie schnell darauf zuzugreifen und sie gesetzeskonform zu archivieren. «Wir könnten noch mehr Prozesse digitalisieren, etwa Arbeitsverträge oder Stundenblätter, aber dafür braucht es Zeit und Ressourcen», so Winz. Aktuell ist das HR-Team zu zweit unterwegs. Neben dem Tagesgeschäft mit Lohn- und Sozialversicherungsabrechnungen, Rekrutierung und Mitarbeitendengesprächen bleibt wenig Spielraum, um neue Prozesse sofort umzusetzen. Auch Checklisten und Schulungsvideos auf der Plattform Hotelkit haben sich bewährt – ideal für die Einführung neuer Mitarbeitender.