Mit dem «Non Filtré» präsentieren Neuenburger Winzerinnen und Winzer, was im Jahrgang 2022 steckt.
Die Weinflasche auf den Kopf zu stellen und leicht zu schütteln, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, ist aber nötig. Denn dies bringt die ruhenden Hefepartikel wieder in Schwebe. Danach fliesst der Non Filtré mit seinem typisch trüben Aussehen in die Gläser.
Jeweils am dritten Mittwoch im Januar präsentieren die Neuenburger Winzerinnen und Winzer den Chasselas Non Filtré als ersten Wein des neuen Jahrgangs. Staatsrat Laurent Favre, Vorsteher des Departements für Raumentwicklung und Umwelt, hat im Rahmen einer kleinen Feier die neue Saison des Non Filtré eröffnet. Liebhaberinnen und Liebhaber des Non Filtré, zunehmend auch aus der Deutschschweiz, erwarten den Verkaufsstart des milchig trüben Chasselas mit grosser Vorfreude.
«Die schöne Trübung und die goldenen Reflexe der Robe sind Zeichen für einen Jahrgang mit viel Sonne», beschreibt Yves Dothaux, Leiter des Önologie-Labors der Weinbauanstalt des Kantons Neuenburg, seine Eindrücke. Serviert wurde der Non Filtré des Château d’Auvernier. «In der Nase ist er zunächst zurückhaltend, öffnet sich aber an der Luft und enthüllt einen ganzen Früchtekorb zwischen Terroir und Exotik. Limette und Grapefruit sind vorherrschend. Dazu kommt ein Hauch von Mango.» Verblüffend bei diesem Jahrgang: eine bezaubernde Note von Mirabellen. «Man kommt sich vor wie im Obstgarten zwischen den Weinbergen und dem Schloss, während man die reifen, goldenen Früchte bewundert», führt Dothaux weiter aus. «Am Gaumen empfängt einen eine schöne Lebhaftigkeit, dann folgen feine Bläschen und die oben beschriebene fruchtige Empfindung in der Nase. Ein rassiger, harmonischer und lange anhaltender Wein.» Chasselas Non Filtré ist ein idealer Aperitifwein, passt aber auch zu Eglifilets, Spargeln, Currygerichten oder Fondue.
Im Frühjahr 1975 füllte Henri-Alexandre Godet, Winzer in Cortaillod, nach einer geringen Ernte erstmals die kleine Menge von 300 Flaschen des ungefilterten Weines ab. Er gilt als Vater des Neuchâtel Non Filtré. Der Wein fand sofort Anklang, was der Beginn einer Erfolgsgeschichte war. Heute keltern über dreissig Weingüter Non Filtré. Rund zehn Prozent der Neuenburger Chasselas-Ernte wird aktuell für seine Herstellung verwendet.
Die schwebende Weinhefe verleiht der Neuenburger Spezialität ihren unverwechselbaren Charakter. Um dies zu unterstreichen, haben die Winzer erstmals zu einem Trick gegriffen. Sie haben die Etiketten bewusst verkehrt auf die Non-Filtré-Flaschen geklebt. Diese Weltpremiere soll die Weingeniesser daran erinnern, die Flasche vor dem Öffnen kurz auf den Kopf zu stellen.
(gab)