Die Gastronomie wirbt häufig damit, dass die Aus- und Weiterbildung von der Basisqualifikation bis zum eidgenössischen Diplom durchlässig ist. Vier Beispiele zeigen auf, dass dem durchaus so ist. Wer will und den nötigen Biss hat, schafft es beispielsweise vom Küchenangestellten bis zum Küchenchef.
Das Wort Gastronomie kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet laut Wikipedia Magenkunde. Dass die Gastronomie und die Hotellerie viel mehr als nur dem Magen guttun, ist gemeinhin bekannt. In der Gastronomie finden auch Menschen einen Beruf, für die der Einstieg in die Arbeitswelt schwieriger ist. Die Branche ermöglicht es beispielsweise anerkannten Flüchtlingen, eine Basisqualifikation zu absolvieren. Wenn sie den Willen und den Biss haben, schaffen sie es zu einem eigenen Betrieb oder einer leitenden Position, wie die Beispiele rechts zeigen. Oder Menschen, die als Quereinsteiger in die Branche kommen, können mittels Basisqualifikationen wie Progresso oder Perfecto Fuss in der Gastronomie oder Hotellerie fassen. Zudem ist es dank dem L-GAV möglich, Aus- und Weiterbildungen zu einem niedrigen Preis oder sogar gratis zu absolvieren.
Seit wann ist die Aus- und Weiterbildung in der Gastronomie von der Basisqualifikation bis zur höheren Weiterbildung durchlässig?
Progresso existiert seit 25 Jahren. Das war der erste Schritt der Durchlässigkeit in der Gastronomie. Progresso gibt es in den Bereichen Küche, Service, Hauswirtschaft. Später kam der Bereich Systemgastronomie dazu.
Was ist das Spezielle am Progresso-Lehrgang?
Die Absolvierenden können im Anschluss an Progresso in speziellen Klassen die verkürzte modulare Grundbildung mit EBA-Abschluss besuchen. Das nimmt ihnen die Hemmungen, denn viele sind nicht mehr lerngewohnt. Zudem sind viele älter als die meisten Lernenden. In einem weiteren Ausbildungsschritt zu einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis ist es für sie einfacher, auch mit Jüngeren die Schule zu besuchen.
Gibt es auch Grenzen in der Durchlässigkeit?
Ausser bei den Sprachkenntnissen gibt es kaum Grenzen. Um diese zu umgehen, haben wir die Fide-Sprachkurse eingeführt. Damit unterstützen wir die Teilnehmenden in ihren Bemühungen, die regionale Sprache zu erlernen.
In welchem Berufsfeld ist die Weiterbildungsrate am höchsten?
Im Bereich Küche gibt es sicher am meisten Absolvierende. Das beginnt jedoch schon bei den Lernendenzahlen, diese sind im Küchenbereich auch am höchsten.
Die Gastronomie ist nach wie vor eher unbeliebt als Arbeitsbereich. Was tun Sie dagegen?
Wir müssen viel mehr zeigen, was wir in der Branche gut machen. Das Thema Wertschätzung ist sicher ein wichtiger Baustein. Das haben die meisten in der Branche erkannt. Zudem müssen wir aufzeigen, welche Karrierechancen man in der Gastronomie hat. Ich kenne keine andere Branche, in der man eine solch steile Karriere machen kann. Ausserdem können wir stolz auf alle unsere Berufs-Europa- und -Weltmeisterinnen sein. Es gibt kaum einen anderen Berufszweig, der so regelmässig Erfolge feiern darf.
Mike Kuhn ist Vizedirektor und Leiter Bildung und Berufsentwicklung bei Hotel & Gastro Formation Schweiz in Weggis/LU.
Die tiefen Löhne sind jedoch nach wie vor ein Thema.
Gemäss Umfragen ist das immer wieder ein Thema, vor allem bei den Berufseinsteigern. Zudem müssen die Arbeitgebenden dem Bedürfnis nach neuen Arbeitszeitmodellen Rechnung tragen. Es ist eine Tatsache, dass die jungen Menschen von heute nicht mehr so arbeiten möchten, wie es ihre Eltern tun oder taten.
Was ist in Sachen Aus- und Weiterbildung in den nächsten Jahren geplant?
In jedem Beruf nimmt man alle fünf Jahre eine Überprüfung vor. Fünf berufliche Grundbildungen befinden sich derzeit in der Revision. Nächstes Jahr starten in der Hotellerie-Hauswirtschaft zwei neue Grundbildungen. Weiter ist die Berufsrevision im Bereich Küche fast abgeschlossen. Diese überarbeitete Grundbildung beginnt auch nächstes Jahr. Zudem läuft in der Grundbildung Systemgastronomie die Revision. In diesem Bereich wird es in Zukunft einen EBA-Abschluss geben. Und wir machen uns bereits Gedanken zur Berufsbildung 2030, damit wir für die Berufe in der Zukunft gerüstet sind.
(Daniela Oegerli)
«Der Abschluss dieser bildenden Kurse hat mir immense Jobchancen eröffnet.»
Cátia Mateus, Housekeeping
Bevor die Portugiesin Cátia Mateus (38) im Jahr 2018 entschieden hat, durch eine gute Bildung ihre Karriere im Bürgenstock Resort in Obbürgen/NW anzukurbeln, war sie als Floor Supervisor im selben Hotel tätig. Sie verantwortete die Leitung des Teams, die Überprüfung der Zimmer und die Sicherstellung, dass der Gast den bestmöglichen Service erhält. Vorgängig zum Start der anvisierten Weiterbildungen wollte die ambitionierte Portugiesin die Grundlagen der deutschen Sprache lernen, was ihr überhaupt erst die Tür zu Weiterbildungen öffnete. Im Jahr 2021 startete sie mit dem Progresso-Basiskurs Hauswirtschaft und hat dann das eidgenössische Berufsattest EBA Hotellerieangestellte absolviert.
«Ich habe in Portugal eine höhere Ausbildung im sozialen Bereich gemacht, die ich in der Schweiz jedoch nicht nutzen kann. Ich finde es als Auswanderin mehr als fair, dass sich in der Schweiz dank guter Weiterbildungsmöglichkeiten grosse Chancen für eine berufliche Weiterentwicklung eröffnen», freut sich Cátia Mateus. So hat sie sich innerhalb des Hotelbetriebs seit Absolvieren des Progresso-Basiskurses vom Oberzimmermädchen zur Etagenaufseherin entwickeln können. Und immer neue Möglichkeiten kamen auf Cátia Mateus zu: Nach dem Berufsattest EBA wurde sie zum Senior Supervisor für Qualität und Schulung in der Housekeeping-Abteilung befördert. «Seit März 2018 bin ich nun schon im Bürgenstock Resort tätig – ein Unternehmen, das mich immer unterstützt und mich zum Weiterbilden ermutigt», so Cátia Mateus. Ihr grosses Ziel ist es, eines Tages die Leitung einer Hauswirtschaftsabteilung zu übernehmen.
(Andrea Decker)
«Das Schweizer Bildungssystem bietet jedem die Chance, sich weiterzuentwickeln.»
Ghaffar Arefi, stv. Barchef
Mit 14 Jahren flüchtete Ghaffar Arefi aus Afghanistan in die Schweiz. Hier entdeckte er die Gastronomie für sich und absolvierte eine Kochlehre. «Ich interessierte mich schon immer für Menschen und Kultur. Um mich in der Schweiz zu integrieren, schien mir eine Ausbildung in der Gastronomie am besten geeignet», sagt Arefi. Die Lehre schloss er als Kantonsbester ab – leicht fiel ihm das aber nicht. «Im Vergleich zu den anderen Lernenden musste ich viel Zeit und Aufwand investieren, um gute Noten zu schreiben. Aber ich habe die Einstellung, bei allem, was ich tue, mein Bestes zu geben.»
Nach der erfolgreichen Lehre war für Ghaffar Arefi klar, dass er sich weiterbilden wollte. Mittlerweile hat er den Fähigkeitsausweis zum Führen eines gastgewerblichen Betriebes erlangt. Freizeit hat er wenig – er lernt und trainiert lieber. «Das ist anstrengend, aber ich schätze diese Möglichkeit in der Schweiz sehr. Dass ich hier arbeiten und mich nebenbei weiterbilden kann, ist eine riesige Chance, die ich nutzen möchte.» Derzeit arbeitet Arefi als stellvertretender Barchef in der Tuchlaube Café Bar in Aarau. Die Beförderung anzunehmen, die ihm bereits mehrmals angeboten worden war, hatte er sich gut überlegt: «Ich wollte sicher sein, dass ich der Verantwortung gewachsen bin, bevor ich eine solche Position übernehme.»
Ghaffar Arefi liebt die Gastronomie über alles. Daher kann er sich vorstellen, in ein paar Jahren einen eigenen Betrieb zu führen. Für seine Leistung erhielt er jüngst den «Guet-gmacht-Priis» von Gastro Aargau. Trotz der Freude über die Anerkennung sagt er: «Wichtiger als ein Preis sind mir die Menschen, mit denen ich täglich zu tun habe. Sind sie zufrieden, habe ich meinen Job gemacht.»
(Angela Hüppi)
«In fünf Jahren als stellvertretende Gruppenleiterin habe ich viel lernen können.»
Donja Suter, Restaurationsfachfrau
Donja Suter wusste nach der Schule nicht so recht, in welche Richtung es gehen sollte. Mehr zufällig entschied sich die heute 30-Jährige für eine EBA-Ausbildung in der Restauration. 2010 startete sie im Stadtspital Triemli in Zürich und schloss dort die zweijährige Berufslehre ab.
«Nach der Lehre absolvierte ich die Rekrutenschule und danach eine Wintersaison im Hotel Sport in Klosters/GR.» Dann zog es Suter wieder zurück ins «Triemli». Sie entschloss sich kurz darauf aber, noch einen EFZ-Abschluss in einem anderen Betrieb zu machen. «Ich wollte mir noch mehr Fähigkeiten aneignen, als ich das in der EBA-Ausbildung konnte, in der die Möglichkeiten doch etwas limitiert sind.»
Das EFZ absolvierte sie dann im Zürcher Restaurant Rüsterei. Als sie danach wieder auf Stellensuche war, meldete sich prompt das «Triemli». «Seit sechs Jahren bin ich jetzt wieder dort, und es gefällt mir immer noch sehr», erzählt Donja Suter. Die Arbeit sei vielseitig, mit Bistro und Restaurant, einer Barista-Bar, der Cafeteria in der Frauenklinik sowie Events und Banketten. «Ich fühle mich wertgeschätzt, kenne nach insgesamt 13 Jahren das Team gut und gehe gerne arbeiten.» Dazu kämen die Arbeitszeiten, die ihr im Spital viel mehr zusagten als noch im Restaurant. Mittlerweile ist Suter stellvertretende Bistro- und Restaurantleiterin und leitet das 20-köpfige Team, wenn ihre unmittelbaren Vorgesetzten nicht da sind. Letztes Jahr hat sie die Weiterbildung zur Lehrmeisterin abgeschlossen und ist nun für zwei Lernende in den Bereichen Restauration und Systemgastronomie verantwortlich. Als Nächstes überlegt sie sich den Besuch einer Kaderschule.
(Alice Guldimann)
«Durch die Küche lerne ich die Eigenheiten der Länder kennen. Das fasziniert mich.»
Tayla Ottoni, Chefköchin
Noch vor sechs Jahren sprach die gebürtige Brasilianerin Tayla Ottoni kein Deutsch und arbeitete bei Royal Caribbean International auf einem Kreuzfahrtschiff als Chef de partie und als Saucier. Sie absolvierte mit 17 Jahren die «Universidade Positivo» in Brasilien, wo sie sich ein Jahr lang als Köchin ausbilden liess. «Das Bildungssystem in Brasilien lässt sich nicht mit dem hier in der Schweiz vergleichen», erklärt die 29-Jährige. Man besucht eine Universität und das Handwerk lernt man bei der Arbeit. Ihre erste Station war das Bistro Banoffi, welches sich in Curitiba in Brasilien befindet. Es folgten weitere Stationen in Brasilien und in der Karibik sowie einige Monate auf dem Kreuzfahrtschiff.
«In der Karibik arbeitete ich in einem Strandrestaurant. Da lernte ich den Umgang mit verschiedenen Fisch- und Fleischarten.» Vor sechs Jahren wagte sie den grossen Schritt und zog in die Schweiz. Ab Oktober 2017 arbeitete sie im Hof zu Wil in Wil/SG als Demichef de partie, als Gardemanger und in der Pâtisserie. «Da lernte ich, wie man das Mise en place organisiert und wie man À la carte und Bankette gleichzeitig vorbereitet.»
«In der Küche lerne ich jeweils sehr viel über ein Land.» Das finde sie das Faszinierendste an ihrem Beruf. Seit Oktober 2019 ist sie im Tertianum Rosenau in Bazenheid/SG tätig. Kürzlich schloss sie mit der besten Abschlussnote die Weiterbildung zur Chefköchin mit eidgenössischem Fachausweis ab. «Für mich war unter anderem die fremde Sprache eine grosse Herausforderung.» Zudem war es die erste Gastronomieprüfung, die sie in der Schweiz absolvierte. «Daher hatte ich keine Vergleichsmöglichkeiten.» Sie hatte die Unterstützung des Teams und konnte sich auch im Betrieb auf die Prüfung vorbereiten.
(Daniela Oegerli)
Sechs Berufsprüfungen
In der Hotellerie und der Restauration gibt es verschiedene Möglichkeiten, den eidgenössischen Fachausweis zu erlangen:
- Bereichsleiterin Hotellerie-Hauswirtschaft oder Bereichsleiter Hotellerie-Hauswirtschaft
- Chef de réception
- Diätköchin oder Diätkoch
- Bereichsleiterin Restauration oder Bereichsleiter Restauration
- Chefköchin oder Chefkoch
- Sommelière oder Sommelier
Voraussetzungen
Um den eidgenössischen Fachausweis zu erlangen, benötigen Interessierte einen Abschluss mit eidgenössischem Fähigkeitsausweis. Zudem werden mindestens drei Jahre Berufserfahrung gefordert. Bei einigen Berufen ist ausserdem der Ausbildungskurs als Berufsbildnerin oder Berufsbildner Voraussetzung.