Neben Spezialitätenkaffees spielen im Zürcher «Coffee» Frischkäse die Hauptrolle. Sie basieren auf den Milchresten vom Cappuccinoschaum und sind im Mittagessen sowie im Brunch die wichtigsten Zutaten.
Das Mittagsmenü lautet beispielsweise grillierter Lattich, selbstgemachter Buttermilchkäse, Parmesan, Granatapfelmayonnaise, eingelegte Äpfel, Enokis und Maisespuma. Das Ganze kommt zwischen zwei getoastete Brotscheiben der stadtbekannten Bäckerei John Baker daher, dazu gibt es einen frischen Salat. Das Signature Dish ist ein Auberginentatar mit Eigelb-Creme, Kartoffelschaum, getrockneten Kapern, wildem Broccoli und Buttermilch-Frischkäse auf Brioche. Die Basis dieses Rezepts stammt von Sternekoch Antonio Collaiani. Zum Brunch am Samstag gibt es zum Beispiel den Klassiker aus doppelt gekochtem Ricotta, Mais-Pistazienpüree, grilliertem Lattich, Kokos, Grapefruit, Rauchmandeln und «Stiifmüeterli-Blüete». Als Eierspeisen werden wöchentlich wechselnde Egg-Benedict auf einem Brioche an einer Stundenei-Sauce-Hollandaise angeboten. Was immer möglich, ist hausgemacht.
Bis zu 50 Brunchs verkaufen Thomas Leuenberger und Shem Leupin an einem guten Samstag in ihrem 23 Quadratmeter kleinen «Coffee» an der Grüngasse 4 in Zürich. Zwischen 200 und 250 Gäste zählen sie an guten Tagen, obwohl das Lokal lediglich über 30 Sitzplätze verfügt, wovon sich 16 im Aussenbereich befinden. Dabei wollten der einstige Küchenchef des Gourmetrestaurants Widder im gleichnamigen Hotel in Zürich und der Barista-Schweizermeister 2013 bei der Eröffnung ihres eigenen Lokals hauptsächlich guten Kaffee anbieten, über das Foodkonzept waren sie sich bei der Eröffnung noch nicht im Klaren.
Das «Coffee» lief bereits nach drei Wochen so gut, dass sie innert einer Woche bis zu 90 Liter Biomilch verbrauchten und davon – zu Gunsten eines guten Capuccinoschaums – 15 Liter Milchresten wegleeren mussten. «Das passte uns überhaupt nicht», so Thomas Leuenberger. Er begann, eigenen Käse daraus herzustellen. Erst nur den einfach zu produzierenden Feta. «Unsere Gäste reagierten so gut auf unsere erste eigene Käsesorte, dass ich das Repertoire erweiterte.» Heute verarbeitet er in den Mittags- und Brunchmenüs abwechslungsweise Buttermilch, Sauerrahm-Frischkäse, Hüttenkäse, doppelt gekochten Ricotta und auch den aufwändigeren Mozzarella. Käsen brachte er sich selbst bei. Was einen guten Mozzarella ausmacht, lernte er hingegen während seiner Zeit bei Antonio Collaiani in der Küche vom «Gustav» in Zürich.
15 Liter Milch ergeben zwischen eineinhalb und zwei Kilo Käse. Das entspricht zum Beispiel 25 Mozzarella-Kugeln à 50 bis 60 Gramm. Eine Ausnahme macht der doppelt gekochte Ricotta. Bei dieser Käsespezialität bleiben aus sechs Litern Molke noch zwei Deziliter Ricotta. Dafür ist dieser caramelisiert und kann als schmackhafte Delikatesse eingesetzt werden. Um etwas mehr Geschmack in den Frischkäse zu bringen, legt Thomas Leuenberger seinen Feta in Oliven sowie die Lake davon ein. Zudem verwendet er hier neben der übrigen Cappuccino-Milch zur anderen Hälfte Ziegenmilch. «Nächstens möchte ich Rotschmierkäse oder Brie ausprobieren. Doch für die Lagerung muss ich mir erst einen Weinklimaschrank zutun.»
«Wir verkaufen unseren Frischkäse in den Gerichten aktiv.» Pro Mittag gibt es ein Menü, es wird wöchentlich gewechselt. Ein Gericht sei perfekt. Somit nehme man dem Gast die Entscheidung ab. «Mit einer grossen Karte tut sich ein Gastronom keinen Gefallen. Interessanterweise litt noch keiner unserer Gäste an Laktose-Intoleranz oder verlangte nach Fleisch», so Thomas Leuenberger. Nachdem sie sich für dieses, auf Milchprodukte basierende Konzept, entschieden haben, war rasch klar, dass im «Coffee» die vegetarische Schiene gefahren wird. Während der Koch erst mit tierischem Lab die Milch zu Käse verarbeitete, ist er deshalb auf Labkraut umgestiegen.
Jeweils donnerstags bis samstags produziert der ehemalige Spitzenkoch auf der einen Herdplatte der winzigkleinen Küche an der Grüngasse 4 die Käse sowie die einzelnen Komponenten der Gerichte vor. «Meine Teller kommen ohne Hauptkomponente aus, das fördert die Kreativität.» Der gewiefte Koch bereitet alles so zu, dass die vier Mitarbeiterinnen daraus feine Lunchmenüs zubereiten können. Was immer möglich, stellt der Koch selbst her. Da Thomas Leuenberger zusammen mit seiner Frau Franzi seit 2009 einen 250 Quadratmeter grossen Garten betreibt, verarbeitet er im Sommer für die Gerichte im «Coffee» eigene Tomaten, Rüebli, Bohnen, Tomaten und Erdbeeren. «Unseren Mozzarella-Tomaten-Erdbeersalat lieben unsere Gäste.» Kein Wunder, wenn sozusagen alles selbst gemacht ist. Gurken, Äpfel, Pflaumen und die Wildkirschen aus der Stadtzürcher Nachbarschaft werden eingemacht und etwa als hausgemachtes Ketch- up verwendet. Das Grün der Karotten verarbeitet Thomas Leuenberger zu einem Pulver, das er als schmackhafter Eyecatcher über seine Kreationen streut.
Inzwischen verkaufen sich die hausgemachten Limonaden aus Yuzu, Mandarine, roter Johannisbeere oder bald auch Kalamansi gleich gut wie die Kaffeespezialitäten. Zwischen 110 und 150 Gläser und Tassen gehen täglich über den Tresen. Während diese unter der Woche von den drei aus- und einer angelehrten Barista zubereitet werden, legt am hektischen Samstag Shem Leupin, Mitinhaber und Barista-Schweizermeister 2013, selbst Hand an. «Kaffee gibt es bei uns in allen Zubereitungsarten», so Thomas Leuenberger. Nicht selten machen Stammgäste mehr als einmal täglich Halt im «Coffee». Auch nach dem Mittagessen sind die Plätze besetzt. In diesem Konzept sieht Thomas Leuenberger die Zukunft: «Ich glaube, dass die reine Mittags- und Abendgastronomie ausstirbt.» In grossen Städten im Ausland sowie in Betrieben der Systemgastronomie werden die Lokale den ganzen Tag über bespielt. «Mit tollen Mittagessen und Speciality-Kaffee kann man den Gast binden, das Lokal den ganzen Tag beleben.»
Thomas Leuenberger ist deshalb auf der Suche nach weiteren Standorten in Zürich. «Ich habe zwei fixfertige Konzepte in der Tasche. Eines für ein tolles Café mit kreativen Mittagessen und Top-Kaffees über den Tag und eines für eine stark frequentierte Lage an einer Ausgangsmeile.»
Doch es gibt noch einen weiteren Grund. Der Spitzenkoch sehnt sich nach einer grosszügigeren Küche, um von dort aus das «Coffee» mit noch ausgefeilteren Gerichten zu beliefern. Und um abends öfters kleine Gesellschaften mit Mehrgängern zu verwöhnen – basierend auf hausgemachten Käsespezialitäten.
(Sarah Sidler)
Thomas Leuenberger absolvierte seine Lehre von 1999 bis 2002 im Gasthaus Hirschen in Regensdorf. Nach Stationen in der «Blue Fattoria» und im Hotel Hermitage am Zürichsee, kochte er im «Kunsthof» mit Tobias Funke. Nach drei Jahren im Restaurant Kunsthof bei Marcus Lindner, arbeitete er im «L’O» in Horgen und im «Gräulich» in Zürich mit David Martinez. Im Alter von 25 Jahren kochte er dreieinhalb Jahre im «Widder», die meiste Zeit davon als Chefkoch im Gourmetrestaurant. Nach einer ausgedehnten Reise 2013 arbeitete er als Betriebsleiter in einem Food-Truck-Unternehmen als Caterer und bei Antonio Collaiani, bevor er 2016 mit Shem Leupin das «Coffee» eröffnete. Auch heute noch betreibt er selbstständig ein Catering.
Coffee
Grüngasse 4
8004 Zürich
www.coffeezurich.com