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Kann Bio die Welt ernähren?

Monokultur oder Vielfalt: Wie kann man eine Welt ernähren, ohne Böden, Tiere und Bauern zu zerstören? Permakultur könnte die Lösung sein.

Noch kennen die Setzlinge das Problem von Bodenverschleiss, Überdüngung und Nährstoffarmut nicht. In der konventionellen Landwirtschaft oder in einer Permakultur entscheidet sich ihr weiteres Leben. (Unsplash/ Markus-Spiske)

Umweltaktivist Robert Hopkins bringt es auf den Punkt: «Würden wir auf einer einsamen Insel landen, wüssten wir nicht mal, wie wir uns gegenseitig essen müssten.» Recht plakativ und doch wahr: Wir haben verlernt, mit der Natur zu leben, die Herkunft zu begreifen und den Bezug zu Essen herzustellen. Die industrielle Landwirtschaft produziert lebensfeindlich, zerstört Boden und Leben. Wälder werden zu Feldern gemacht. Mit dem Ergebnis einer chronischen Überproduktion, von der doch ein Drittel verschwendet wird. 2850 Kilokalorien werden pro Kopf und Tag in Form von Lebensmitteln produziert. 2050 werden es bereits über 3000 Kalorien sein. «Unbegrenztes Wachstum macht die Menschheit unersättlich. Sie sieht kein herrliches Wunder, sondern Ressourcen zum Ausbeuten: bis zum letzten Fisch, bis zum letzten Baum», so der französische Agrarökologe Pierre Rabhi.

Hat er recht? Wie rettet man die von Monokultur ausgebeuteten Böden, so dass man in Zukunft weiterhin von einer Lebensmittelsicherheit ausgehen kann? Welches Potenzial muss man nutzen, um Menschen nachhaltig ernähren zu können? Bodenverschleiss, Überdüngung und Pestizide sind grundlegende Probleme, die es zu lösen gilt. Kann und soll Bio-Landbau die Antwort sein? «Zu teuer und zu unwirtschaftlich», hört man von vielen Seiten. Doch geht es auch anders? Ja. Es gibt nachhaltige Systeme, die Bauer, Tier und Boden schonen. Als wichtiger Player im Lebensmittelmarkt kann es der Gastronomie nicht egal sein, wie ihre Rohstoffe produziert werden. Gerade die Gemeinschaftsgastronomie als «Massenverpfleger» sollte sich Gedanken um nachhaltigen Konsum machen.

Abwechslung bringt’s

Kilometerweit ziehen sich Raps- und Weizenfelder entlang Schweizer Landschaften. Man könnte die satte, gelbe Blütenpracht fast geniessen, wüsste man nicht, dass der Boden unter ihr abstirbt. Monokultur wird zum Problem. Trotz künstlicher Düngemittel sind die Böden arm an Nährstoffen. Die fehlende Artenvielfalt lockt Schädlinge an, die man mit Pestiziden bekämpft und das Grundwasser somit verseucht – ein Kreislauf gegen die Natur.

Macht eine Umstellung auf biologische Landwirtschaft Sinn? Von unterschiedlicher Seite hört man unterschiedliche Meinungen: dass Bio wegen der tieferen Erträge nichts zur Welternährung beitragen könne; dass es zu viel Land brauche. «Da gibt es regelrechte Grabenkämpfe», weiss Adrian Müller, Wissenschafter am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) an der ETH Zürich. Weniger Erträge bedeuten höhere Preise. «Der Mensch hat noch nie weniger Geld für Lebensmittel ausgegeben als jetzt. Vor 50 Jahren gab man noch ein Viertel seines Gehaltes für Essen aus. Heute sind es nur noch zehn Prozent. Das sollte Spielraum für bessere Landwirtschaft geben», meint Adrian Müller.

Alle Ressourcen nutzen: Wie entsteht ein nachhaltiger Kreislauf?

«Es geht nicht darum zu sagen: alles Bio oder gar nichts. Man soll verschiedene Strategien miteinander kombinieren», so Müller.

Alleine 40 Prozent der Schweizer Agrarfläche werden für Kraftfutter verwendet. Ein Drittel der Lebensmittel geht dabei vom Feld zum Konsumenten verloren. Adrian Müller: «Das sind Riesenmengen. Man kann nachhaltige Landwirtschaft nicht vom Konsum trennen – es ist trivial. Hat man weniger Abfall und weniger Kraftfutter, hat man auch mehr Raum für Produktionssysteme wie Bio mit tieferen Erträgen.»

Es gehe darum, Kreisläufe zu schaffen. Vielleicht erinnern sich einige an die «Schweinekübel», wie man sie früher hatte. Das System hatte durchaus Sinn und hätte es noch: Ernährt man Vieh mit Grasland und Schweine mit Lebensmittelabfällen, geht kein Ackerland für Kraftfutter verloren. Plus: Tiere produzieren wertvollen, natürlichen Dünger. Theoretisch liessen sich selbst die Knochen und Blutabfälle zu Tiernahrung verarbeiten; oft sprechen jedoch ethische Gründe dagegen. Als Dünger eignen sie sich allerdings auch. «Ich sage nicht, dass Restaurants Fleisch streichen müssen. Tiere machen in einem Ernährungssystem absolut Sinn. Hat man eine gewisse Anzahl an Tieren, die Gras fressen, und eine gewisse Menge, die Abfälle fressen, braucht man am wenigsten Land. Sogar weniger, als wenn man sich vegan ernähren würde», so Adrian Müller.

Gastronomen sollen etwas anbieten, was in Relation zueinander steht. «Verarbeitet man eine gewisse Menge Milch, soll man auch Fleisch dazu verarbeiten. «Nose to Tail» wird sich dann ganz von alleine ergeben. Anderer Vorschlag: kein Fleisch von sojagemästeten Schweinen anbieten. Besonders in der Systemgastronomie sollte man umdenken», meint Müller.

Vielfalt dank Permakultur

20 Prozent weniger Ertrag und mehr Fläche benötigt ökologischer Landbau – so eine Annahme. «Das sind jedoch nur durchschnittliche Zahlen. Es gibt Betriebe, die viel effizienter produzieren als die konventionelle Landwirtschaft», sagt Adrian Müller. So ein Betrieb ist die «Ferme du Bec Hellouin» in der Normandie. In einer Gegend, in der sich ellenlange Felder von Weizen und Mais aneinanderreihen, schufen Perrine und Charles Hervé-Gruyer auf nur 1000 Quadratmetern eine Mikrofarm, die sie eher als «Wald» bezeichnen. «Bei uns vermischt sich alles – die Natur kennt keine Monokulturen», so Perrine Hervé-Gruyer, die früher als Juristin arbeitete. 


800 Pflanzenarten leben dort, umgeben von Teichen, Tieren und Gärten. Noch vor zehn Jahren:  unfruchtbares Brachland. Ohne Kunstdünger oder Agrargifte erwirtschaften sie in ihrem Ökosystem drei- bis viermal mehr Ertrag als die konventionelle Landwirtschaft. 150 Gemüsekisten verkaufen sie pro Woche an ihre Kunden. Alles funktioniert per Hand: das Aussäen, das Pflügen, das Ernten. Und es rechnet sich: Sie benötigen zehnmal weniger Land. Während ein Traktor drei Reihen parallel aussäen kann, können manuelle Maschinen sechs Reihen aussäen.

«Wir schaffen per Hand, was Maschinen nicht können, nämlich liebevoll den Boden zu pflegen. Er ist die Grundlage für den Anbau. Wenn er reich und lebendig gepflegt und verwöhnt wird, dann ist er ertragreich» - Perrine Hervé-Gruyer


Jede Pflanze auf der Farm spielt eine Rolle im Ökosystem, jede hat ihre Funktion. Und jede wirft Ertrag ab. Die Hervé-Gruyers bauen auf sich ergänzende Kreisläufe auf: Hügelbeete, Tierwirtschaft oder Zwischenfruchtbau, der Nährstoffe konserviert, durch verschiedene Sorten vor Erosion schützt und die Humusbildung fördert. Zwischen Tomaten bauen die Selfmade-Landwirte Basilikum an, der Schädlinge fernhält. Porree verhindert inmitten von Erdbeersträuchern, dass sich Fadenwürmer festsetzen. Und zwischen Kohl pflanzen sie Zwiebeln. Auf manchen Beeten wachsen bis zu acht verschiedene Obst- und Gemüsesorten. 

Vielfältige Ernährung, weniger einjährige Sorten

Wenn Charles Hervé-Gruyer auf seinem Land der 800 Pflanzen spaziert, wird er wehmütig: «Der Mensch ernährt sich von 20 Pflanzen. Dazu kommt: 60 Prozent von dem, was wir essen, bestehen aus Getreide, Mais und Reis – lauter einjährige Sorten. Früher ass der Mensch Früchte, Beeren, Blätter und Wurzeln. Genau dafür ist unser Organismus eingerichtet. Ernährung, die sehr getreide-, fleisch- oder milchlastig ist, ist nicht gesund für uns und ganz schlecht für die Erde.»

Kann Permakultur eine Lösung sein? Ja, sagen die Hervé-Gruyers: «Stelle man sich all die Mikrofarmen in den Städten und Vorstädten vor. Und schon existiert eine Gesellschaft mit sicherer Versorgung. Das gibt doch Anlass zur Hoffnung.»

(Anna Shemyakova)


Hügelbeete

Gegenüber einem Flach- oder Hochbeet bietet ein Hügelbeet rund ein Drittel mehr Anbaufläche. Es wird durch darunterliegenden Kompost, Mist sowie Laub zusätzlich erwärmt. Die um fünf bis acht Grad höhere Erdtemperatur verlängert die nutzbare Anbauzeit. Da Wasser besser gespeichert wird, trocknet der Boden nicht aus.


Zahlen und Fakten

6 Reihen können manuelle Maschinen parallel aussäen, Traktoren schaffen nur drei.

Bearbeitet man Felder per Hand statt mit Maschinen, braucht man zehnmal weniger Land.

57 000 Euro erwirtschaften Perrine und Charles Hervé-Gruyer auf ihrer 835 Quadratmeter grossen Farm pro Jahr. Im ersten Jahr waren es noch 32 000 Euro.

Ein Rind auf Kraftfutter produziert etwa 11 000 Liter Milch pro Jahr. Ein Rind, das sich von Grasland ernährt, etwa 6000 Liter.


Mehr Informationen unter:

www.fermedubec.com
www.fibl.org