Wer Fleisch anbietet oder konsumiert, muss seinen Blick über den Tellerrand hinaus richten. Es könnte sein, dass er danach der heimischen Produktion den Vorzug gibt.
Tierwohl und Klimaerwärmung sorgten diesen Sommer für Schlagzeilen. Bei beidem spielen der Hunger nach Fleisch eine zentrale Rolle. Fleisch spielt auch in der Gastronomie eine wichtige Rolle. Denn mehr als die Hälfte davon wird in Restaurants, Take-aways sowie Mensen und Kantinen konsumiert. Artikel mit Titeln wie «Tausende Bauern verstossen gegen den Tierschutz» oder «Apokalypse auf der Schweinefarm» und Horrorbilder regen zum Nachdenken an. Doch die herumgebotenen Zahlen von Verstössen gegen das Tierschutzgesetz müssen hinterfragt werden. So war die Rede von 62 003 Betrieben, die zwischen 2014 und 2017 Direktzahlungen des Bundes erhielten. In den vier Jahren mussten 18 313 von ihnen Kürzungen hinnehmen, weil sie gegen das Tierschutzgesetz verstiessen. Tatsache ist, dass 2018 in der Schweiz 50 852 Landwirtschaftsbetriebe registriert waren. Auf 10 647 Betrieben wurden Kontrollen durchgeführt und bei 87 Prozent der Betriebe keine Tierschutzmängel in der Nutztierhaltung festgestellt. Gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV handelte es sich bei den 13 Prozent der beanstandeten Betriebe mehrheitlich um mangelhafte Dokumente.
In der Schweiz und in Europa stagniert der Fleischkonsum und nimmt tendenziell ab. In Schwellenländern und in Asien steigt er hingegen rasant an. In den meisten dieser Ländern werden Tierfabriken unter dem Deckmantel der landwirtschaftlichen Entwicklung mit Agrarsubventionen, sprich Steuergeldern, gefördert. Dass das Fleisch so seinen Wert verliert und dafür Tiere leiden müssen, ist besonders stossend. Leider wird das in Zukunft nicht besser. Der Hunger Chinas auf Schweinefleisch ist unersättlich. In Dänemark wurden Muttersäue gezüchtet, die zwei Zitzen mehr haben. Statt bis zu zehn Ferkel können diese Säue bis zu vierzehn Junge werfen.
Den Kühen geht es nicht besser. Rinder mit angezüchtetem Gendefekt produzieren besonders viel Muskelfleisch, und Hochleistungskühe werden nur mit der Fütterung von Kraftfutter zu Milchmaschinen. Da sie anfällig für Krankheiten sind, kommen Medikamente zu deren Behandlung grosszügig zum Einsatz. Solange mit Fleisch Milliarden verdient werden, wird sich daran nichts ändern. Schönzureden gibt es nichts: Möglichst billiges Fleisch und artgerechte Tierhaltung sind nicht miteinander vereinbar.
Trotz der Missstände, die es auch in der Schweiz gibt, halten die meisten Bauern ihre Tiere hierzulande artgerecht. Flächenbeiträge und Direktzahlugen, vom Bund bezahlte Subventionen, erhalten nur diejenigen, welche den ökologischen Leistungsnachweis erbringen und den Tierschutz gewährleisten. Es gibt in keiner Branche mehr Gesetze und Verordnungen als in der Fleischproduktion. Der Weg vom Tier auf der Weide bis zum Steak auf dem Teller ist absolut transparent. Beginnend mit dem Landwirtschaftsrecht folgen das Messwesen und die Verordnungen zur Swissness. Die Verordnung zum Tierschutzgesetz ist ein 182 Seiten umfassendes Werk mit 226 Artikeln und Dutzenden von Anhängen; es gibt die Verordnungen über Tiertransporte und über das Schlachten. Schliesslich gilt die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung mit 96 Artikeln für Metzger genauso wie für Gastronomen.
Dazu kommt, dass die meisten Nutztiere in der Schweiz in besonderen Programmen gehalten werden, die weit strengere Vorgaben und Kontrollen kennen als das Tierschutzgesetz.
Die Gäste werden in Zukunft vermehrt Fragen nach der Herkunft und der Haltung der Tiere stellen. Gut, wenn man dann die passenden Antworten bereit hat. Schon heute verlangt der Gesetzgeber auf jeder Menü- und Speisekarte die Deklaration der Tierart sowie des Herkunftslands des Fleisches. Zudem muss die Produktionsmethode angegeben werden, wenn diese in der Schweiz nicht zugelassen ist. Beispiele dafür sind die Produktion mit Hormonen als Wachstumsförderer oder eine präventive Verabreichung von Antibiotika. «Mehrere Länderkürzel hinter der Tierart auf der letzten Seite der Speisekarte, sind für den Gast keine klare Deklaration», sagt Samuel Zaugg, Projektleiter Gastronomie bei «Schweizer Fleisch». «Da könnten sich Gastgeber besser profilieren.» Metzgermeister Kurt Jaun aus Neuenegg/BE ergänzt: «Auch der Spruch ‹wir beziehen unser Fleisch bei regionalen Lieferanten› ist schwammig. Denn auch der regionale Metzger kann Fleisch aus Frankreich, Irland oder Uruguay im Angebot haben.» Kurt Jaun sitzt zusammen mit Köchen im Team von Samuel Zaugg und begutachtet einmal im Jahr die Fleischdeklaration auf den Speisekarten der Best-of-Swiss-Gastro-Finalisten.
Viele Gastronomen würden vielfältige Schweizer Fleischgerichte anbieten. Sie liessen sich mit den Länderkürzeln jedoch eine Hintertüre offen. Habe der Fleischlieferant günstige Ware aus Brasilien im Angebot, würden viele zugreifen und müssten die Speisekarten dann nicht umschreiben. «Freude kommt auf, wenn Gastronomen ‹Bäckli vom Schweizer Kalb› oder ‹Cordon bleu vom Berner Säuli› anbieten. Wer auf diese Weise deklariert, verwendet garantiert Schweizer Fleisch und dem Gast wird bewusst, was er bestellt», sagt Samuel Zaugg. Zudem hat heimisches Fleisch gegenüber importiertem ökologische Vorteile.
Wiederkäuer stehen am Pranger, weil ihre Verdauung Methan, ein Treibhausgas, produziert. In der Schweiz machen Teibhausgase von Rindern 3,11 Prozent der Emissionen aus. Die hierzulande typische Weidewirtschaft hilft aber auch, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden. Je dichter und dauerhafter eine Weide bewachsen ist, desto mehr Kohlenstoff können Pflanzen in den Boden einbringen.
Einen weiteren Vorteil bieten kleinere Rassen wie das Braun- und Grauvieh. Als Zweinutzungsrassen, die Milch und Fleisch liefern, sind sie robuster als hochgezüchtete spezialisierte Milchrassen. Sie sind länger produktiv und das wirkt sich positiv auf die Ökobilanz aus.
Ebenfalls positiv für die Umwelt ist das Nose-to-Tail-Konzept. Viele Köche kaufen ganze Tiere bei einem Bauern in der Region. Aus Respekt vor dem Tier bereiten sie aus allen Teilen kreative Gerichte zu. «Die Menschheit muss ihr Verhalten grundsätzlich ändern, es geht bei Weitem nicht nur um Fleisch essen oder nicht», sagt Regula Kennel, Leiterin Unternehmensentwicklung bei Proviande. «Die Zukunft liegt im massvollen Konsum und in der Wertschätzung aller Nahrungsmittel – nicht nur beim Fleisch.»
Knapp 36 Prozent der Gesamtfläche der Schweiz sind für die Landwirtschaft nutzbar. Nur 27 Prozent davon eignen sich für den Anbau von Lebensmitteln. 73 Prozent bedecken Wiesen, Weiden und Alpmatten. Regelmässige Niederschläge lassen Gras, Klee und Kräuter üppig wachsen. Die saftigen Weiden sind dann auch eine perfekte Futtergrundlage für Kühe, Schafe und Ziegen. Die je nach Quelle herumgebotenen 15 000 Liter Wasser, welche die Produktion von einem Kilo Rindfleisch verbrauchen würde, treffen auf die Situation in der Schweiz nicht zu. Die weiten Grasflächen lassen sich vom Menschen nur über die Milch und das Fleisch der Wiederkäuer nutzen. Milch, Rahm, Butter und Käse sind wichtige Grundnahrungsmittel. Ohne Kälber geben Küche keine Milch, und das Fleisch der Tiere, die nicht für die Milchproduktion herangezogen werden, ist ein wichtiger Lieferant von Vitaminen und Spurenelementen wie Eisen.
Würden von heute auf morgen keine Tiere mehr gehalten, weil niemand mehr Fleisch essen möchte, sähe die Schweiz innerhalb weniger Jahre ganz anders aus. Die heute noch akribisch gepflegten Alpen würden verbuschen. Vorbei wäre es mit dem Wanderparadies Schweiz und der bei Touristen hoch geschätzten Postkartenidylle.
(Gabriel Tinguely)
Mehr Informationen unter:
www.de-ipcc.de
1,2 kg Schulterfilet vom Schweizer Rind
2 Rüebli
100 g Knollensellerie
2 Zwiebeln
10 schwarze Pfefferkörner
je 2 Nelken, Lorbeerblätter
2 Zweige Thymian
2 Zweige Rosmarin
7,5 dl trockener Rotwein
3 EL HO-Sonnenblumen- oder HOLL-Rapsöl
2 EL Tomatenpüree
5 dl Bratenfond
1 EL Zucker
300 g Stangensellerie
8–10 Dörrbirnen
Salz und Pfeffer
So wird’s gemacht:
Rüebli und Knollensellerie schälen und würfeln. Zwiebeln schälen und vierteln. Alles mit Pfefferkörnern, Nelken und Lorbeer in eine grosse verschliessbare Schüssel geben. Das Schulterfilet dazugeben, mit den Kräutern belegen und komplett mit Rotwein bedecken. Die Schüssel luftdicht verschliessen und das Fleisch 1 bis 4 Tage im Kühlschrank beizen und gelegentlich wenden. Schulterfilet aus der Beize nehmen und trockentupfen.
Die Beize durch ein Sieb in eine Schüssel giessen, Gemüse und Kräuter beiseitestellen. Öl in einem Bräter auf höchster Stufe erhitzen, das Schulterfilet hineingeben und rundherum rund vier Minuten anbraten. Das Fleisch herausnehmen und beiseitestellen.
Herd auf mittlere Stufe zurückstellen, Gemüse und Kräuter
in die Pfanne geben und goldbraun anrösten. Tomatenpüree zugeben, rund vier Minuten mitrösten, mit der Beize ablöschen und einkochen. Bratenfond und Zucker dazugeben, zum Kochen bringen und das Fleisch hineingeben. Der Braten sollte gut mit Flüssigkeit bedeckt sein – allenfalls mit Bouillon oder Rotwein auffüllen und zugedeckt auf kleiner Stufe 1,5 Stunden schmoren. Stangensellerie putzen, in zwei Zentimeter lange Stücke schneiden und mit den Dörrbirnen zum Braten geben. Nochmals 30 Minuten schmoren. Das Fleisch, sobald es zart ist, herausnehmen und in dünne Scheiben schneiden.
Die Sauce mit Salz und Pfeffer würzen, Fleisch darin erwärmen und sofort servieren.