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Vergesst den Seniorenteller!

Die Gesellschaft wird älter. Das hat Auswirkungen auf die Bedürfnisse der Gäste sowie die Angebotsgestaltung im Tourismus.

Viele der heutigen Rentner sind fit und wohlhabend. Um diesem aktiven, reisefreudigen Publikum bis ins hohe Alter gerecht zu werden, gilt es, die Angebotsgestaltung im Tourismus zu überdenken und zielgruppengerechte Dienstleistungen zu schaffen. Der berüchtigte Seniorenteller gehört aber definitiv nicht dazu. (Adobe Stock)

Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der über 80-Jährigen in der Schweiz von 460 000 auf 1,1 Millionen Menschen erhöhen. Die Zahl der über 65-Jährigen steigt bereits jetzt, denn die kinderreiche Generation der zwischen 1955 und 1970 Geborenen rückt unaufhaltsam ins Rentenalter vor.

Interessante, aber schwer fassbare Zielgruppe

Die pensionierten Baby-Boomer sind eine interessante und lukrative Zielgruppe. Aber auch eine, die schwer zu fassen ist, weil ihre Interessen so weitgefächert, ihr Fitnessgrad und ihre Vitalität so unterschiedlich sind.

«Seniorinnen und Senioren sind treu, haben Zeit und verfügen oftmals über finanzielle Ressourcen. Zudem haben sie ein hohes Sicherheitsbedürfnis, weshalb die Schweiz als Reiseland beliebt ist», schreibt Tiziano Pelli in einer Medienmitteilung zu einer Innotour-Veranstaltung. Bei diesem Event beleuchteten Tourismusfachleute, Altersforscher und Kurt Aeschbacher, Herausgeber einer Zeitschrift für Menschen über 50, das Thema «Tourismusstrategien für eine Aging Society».

Die Teilnehmenden kamen zum Schluss, dass dem Segment «Ältere Gäste» unbedingt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Nicht nur, weil die Zielgruppe wächst wie keine andere, sondern weil sie oft in Begleitung von Familie und Freunden reist und vieles, was älteren oder betagten Gästen den Aufenthalt verschönert, auch für jüngere Gäste von Vorteil ist. Barrierefreie Zugänge beispielsweise sind für alle Gäste nützlich; egal ob sie mit Rollkoffer, Rollator, Kinderwagen oder Gipsbein unterwegs sind.

«Alter ist keine Krankheit. Alter ist ein Lebens­zustand.»

Kurt Aeschbacher, Herausgeber der Zeitschrift «50Plus»


Gastgeber können bereits mit wenig Aufwand der alternden Gesellschaft gerecht werden, ohne das Alter zu stigmatisieren. Für die Speisekarte und andere Schriftstücke sollte generell eine etwas grössere Schrift ohne feine Linien und Schnörkel, dafür mit hohem Farbkontrast gewählt werden. Das macht das Lesen der Speisekarte für ältere Menschen, aber auch für Kinder, die das Lesen noch nicht gut beherrschen, sowie für Gäste mit einer Sehbehinderung leichter. Die berühmte Altersweitsichtigkeit beginnt übrigens bereits ab 40 Jahren.

Auch Junge haben mal wenig Appetit oder brauchen Spezialkost

Gerichte sollten immer als grosse und als kleine Portion auf der Menükarte gelistet sein. Damit werden alle mit einem kleinen Appetit, unabhängig von ihrem Alter oder Geschlecht, gleichermassen angesprochen. Auf Worte wie Seniorenteller und Kinderportion kann so getrost verzichtet werden. Dadurch erspart man dem 12-Jährigen, der Schnitzel und Pommes frites möchte, sowie dem Rentner, dem es nach demselben als kleine Portion gelüstet, die Peinlichkeit, den Micky-Mouse-Teller bestellen zu müssen. Zudem sollte die Küche fähig sein, spezielle Ernährungsbedürfnisse zu erfüllen. Allergiker, Diabetiker sowie alle, die eine bestimmte Diät einhalten, wissen das zu schätzen. Ganz unabhängig von ihrem Alter. Ebenfalls unabhängig vom Alter steigt in der Schweiz die Zahl der Singles. Alleinreisende hätten auch gern schöne, geräumige Zimmer mit Aussicht. Verschiedene Reedereien tragen diesem Umstand Rechnung. Ihre neuesten Kreuzfahrtschiffe verfügen über barrierefreie Einzelkabinen. Dadurch entfällt der Zuschlag, den Singles für das unbenutzte zweite Bett in der Kabine bezahlen mussten.

Begleiten, nicht bevormunden

So geistig agil und körperlich fit jemand beim Eintritt ins Rentenalter sein mag, irgendwann kommt die Zeit, wo es Unterstützung braucht. Sei es, dass einem jemand das Tablet erklärt, mit dem man das Licht, die Temperatur, den Fernseher im Zimmer und das Dusch-WC steuert oder dass jemand beim Anziehen der Stützstrümpfe hilft (siehe Box unten). In diesen Situationen ist es wichtig, dass gute Gastgeber ihre Gäste bedürfnisgerecht begleiten, ohne sie zu bevormunden.

(Riccarda Frei)


Barrierefrei-Projekte

Die Initiative OK:GO hilft Tourismusanbietern herauszufinden, wie barrierefrei und damit gästefreundlich ihre Angebote wirklich sind.
www.ok-go.org

Die Claire-&-George-Stiftung koordiniert nicht nur Spitex-Einsätze für Gäste, die während ihres Hotelaufenthalts kleine Hilfestellungen brauchen. «Claire & George» hat auch die Projekte Hotel-Barrierefreiheit Schweiz und Barrierefreiheit in den Destinationen lanciert. Gemeinsam sollen neue Angebotspakete entwickelt, gebündelt und vermarktet werden.
www.claireundgeorge.ch (Suchbegriff: Barrierefreiheit in den Destinationen)

Die Stiftung Cerebral baut mit verschiedenen Partnern in Tourismusdestinationen ein Netz von mietbaren, geländegängigen Elektrorollstühlen auf. Bewegungseingeschränkte Gäste können dank dieser speziellen Rollstühle an Wanderungen teilnehmen.
www.cerebral.ch (Suchbegriff: Geländegängiger Rollstuhl)


Informationen

www.prosenectute.ch
www.seco.admin.ch
www.50plusmagazin.ch