Ihr Körper ist voll mit Prozessoren, Steckkarten und Kabeln – und sie arbeiten an der Réception oder im Room Service.
Ihre Zimmernummer ist 101 und hier haben Sie den Schlüssel», ertönt es an der Réception im Marriott Hotel im belgischen Gent. Wer sich jetzt jedoch einen Menschen am Empfang vorstellt, wird sich wundern. Denn dort steht Mario, ein sechs Kilogramm leichter Roboter. Erst 57 Zentimeter ist er gross, spricht aber dennoch bereits 19 Sprachen. Das digitale Empfangsmännchen begrüsst die Gäste, gibt ihnen die Zimmerkarten und erklärt den Weg. «Jeder Gast lacht, wenn er ihn sieht. Das bleibt in Erinnerung», sagt Hoteldirektor Roger Langhout. Seit Juni 2015 ist Mario dort unermüdlich im Einsatz – oder zumindest bis er nach 90 Minuten wieder aufgeladen werden muss. Danach muss eine halbe Stunde «geschlafen» werden oder man speist ihn permanent durch das Ladekabel.
Auch im «Hampshire» in Amsterdam ist der mechanische Helfer im Einsatz und bekommt je nach Wunsch andere Aufgaben. Die Gerichte beim Buffet vortragen, Ausflugsziele nennen oder eine Power-Point-Präsentation vorlesen – der Roboter kann beliebig programmiert werden. Sogar singen und tanzen kann er. Und er braucht keine Pause.
Das Ziel des belgischen Herstellers Zora Robotics ist dennoch nicht, Hotelangestellte zu ersetzen. «Mario ist lediglich ein Assistent. Menschlicher Kontakt ist nicht ersetzbar», erklärt Fabrice Goffin vom Entwicklerteam. «Mario kreiert sogar Arbeitsplätze. Seit er hier ist, ist die Auslastung im Hotel deutlich höher», bemerkt Hoteldirektor Roger Langhout.
Er spricht nicht. Er tanzt nicht. Er liefert nur aus. Der Roboter der US-Firma Savioke ist eine rollende Room-Service-Maschine. Bestellt der Gast Handtücher, Kaffee oder kleine Snacks, kommt der Roboter vor das Zimmer gefahren. Beladen wird der 90 Zentimeter grosse und 45 Kilogramm schwere Roboter vom Empfangspersonal. Die Réceptionisten öffnen seine Klappe, legen die gewünschten Artikel hinein und geben die Zimmernummer ein. Dann beginnt seine grosse Fahrt. Mittels 3-D-Kameras schlängelt sich der Roboter mit Schrittgeschwindigkeit durch den Gang und weicht dabei problemlos Menschen aus. Am Lift angekommen sendet er über Wi-Fi ein Signal und rollt auf der gewünschten Etage hinaus. Vor dem Zimmer sendet er über das Telefonnetz ein Signal an den Gast. Sobald sich die Tür öffnet, macht auch der Roboter seine Klappe auf und der Auftrag ist erledigt. Im Anschluss kann er sich an der Ladestation an der Réception ausruhen. Der Vorteil: Angestellte an der Réception sind somit an zwei Orten gleichzeitig und müssen ihren Posten nicht verlassen. So haben sie mehr Zeit, sich anderen Aufgaben zu widmen.
In Kalifornien ist der fahrende Lieferheld gefragt. Bereits in fünf Hotels gehört er zum Standard, darunter das Residence Inn L. A., «Aloft» in Cupertino und Fremont, «Crowne Plaza», San Jose und das Grand Hotel Sunnyvale.
Doch auch hier wird sich menschliche Arbeit nicht ersetzen lassen, meint Savioke-CEO Steve Cousins: «Er kann nicht sprechen, er kann kein Gepäck tragen und vor allem kann er keine Betten machen.» Besonders im Housekeeping sind es filigrane Arbeiten, die Geschick brauchen.
Dieser Meinung ist auch Elvira Schwegler, Geschäftsführerin des Berufsverbandes Hotellerie-Hauswirtschaft: «Oft liegen Koffer und persönliche Gegenstände mitten im Zimmer herum. Wie soll ein Roboter das aufräumen? Auch muss man erkennen, wenn ein Bild schief hängt oder die Seife nachgefüllt werden muss. Die Zimmer sind teilweise verwinkelt oder die Betten sind unterschiedlich. Das sind sehr komplexe Aufgaben. Diese Arbeit wird sich nicht so schnell ersetzen lassen.»
Haben Hotelroboter eine Zukunft in der Schweiz? Die Digitalisierung macht auch hier nicht Halt. In vielen Hotels sind Technologien wie App-Steuerung in Zimmern oder Check-in am Automaten bereits Realität. Sitzt also bald ein Roboter am Empfang? «Das werde ich nicht mehr erleben», sagt Kurt Wodiczka, Direktor des Walhalla Hotels Zürich «Ich verstehe, dass die Branche digitaler wird, doch Roboter überlasse ich meiner Tochter. Ich finde, dass Robotik die Essenz der Hotellerie zerstören würde. Es geht doch um Persönlichkeit, Service und ein Zuhause-Gefühl.» Dabei war das Walhalla Hotel das erste in der Schweiz, das iPads in seinen Zimmern installiert hat.
Der Trend ist jedoch klar: die Akzeptanz wird steigen. So wie sich Menschen gewöhnen mussten, Geld am Automaten abzuheben und nicht mehr zum Bankbeamten zu gehen.
Wie viel Digitalisierung ist jedoch möglich? Ein Hotel in Japan strotzt mit einem neuen Konzept und eröffnet im Juli 2015 ein reines Roboterhotel. Es ist etwas noch nie Dagewesenes, denn im Hotel Henn-na in der Nähe von Nagasaki gibt es keine Angestellten. An der Réception sitzt eine menschliche Roboterfrau, die die japanischen Gäste begrüsst. Englischsprechende stehen beim Dinosaurierroboter an. «Wenn Sie einchecken wollen, drücken Sie bitte die eins», brummt der Dino.
Auch für den Portier gibt es einen mechanischen Ersatz: ein fahrender Gepäckwagen, der die Koffer automatisch vor das Zimmer rollt. Ein Roboterarm kann das Gepäck auch kurzfristig in speziellen Fächern einlagern. Schlüssel gibt es ebenfalls nicht. Die Tür öffnet sich per Gesichtserkennung. Der Grund ist einfach: Roboter können schlecht einen verlorenen Schlüssel wiederfinden.
Das Hotel, welches in einem Erlebnispark steht, ist jedoch keine Spielerei und kein Gag, beteuert Direktor Hideo Sawada. Er möchte die Technologie nutzen, um effizienter zu arbeiten und um etwas gegen die hohen Hotelpreise zu tun. Eine Übernachtung im Henn-na Hotel kostet jedoch umgerechnet 125 Franken im Doppelzimmer ohne Frühstück, was für japanische Verhältnisse eher mittlerer Durchschnitt ist. Man setzt auf Minimalismus: In den Zimmern gibt es kein Telefon. Ein weiterer digitaler «Zimmerhelfer» in Form einer Tulpe steuert per Sprachbefehl das Licht, stellt den Wecker und gibt Auskunft über Zeit und Wetter.
Doch auch hier verläuft nicht alles ohne Menschenhand. Rund um die Uhr wird das Hotel videoüberwacht, um bei Problemen eingreifen zu können. «Und die Roboter können leider keine Betten machen», gesteht Sadawa. Auch das Frühstück wird in einem nahegelegenen Restaurant serviert. Das Hotel arbeitet momentan jedoch an einem System, Essen aus umliegenden Restaurants mit einer Drohne zu den Gästen fliegen zu lassen.