Die vom Schweizer Kochverband geplante Höhere Fachschule sollte 2020 ihre Tore öffnen. Weil die Unterstützung der Branchenverbände fehlt, wird daraus vorerst nichts.
Ein Weiterbildungs- und Kompetenzzentrum der Kochkunst sollte die geplante HF Kulinarik, auch Kochakademie genannt, in Heiligkreuz/LU werden. Auf dem Areal des ehemaligen Ferienheimes der Ingenbohler Schwestern sollte die Höhere Fachschule Köchen die Möglichkeit bieten, ihr Handwerk zu vertiefen. Bisher ist die Berufsprüfung Chefköchin/Chefkoch FA die höchste Weiterbildung mit einer praktischen Kochprüfung, während die höhere Fachprüfung zum eidgenössisch diplomierten Küchenchef HFP die Absolventen für unternehmerische Aufgaben rüstet. Die geplante HF sollte ein neues Angebot schaffen, mit Fokus auf das Handwerk auf höherem Fachniveau.
Um die HF Kulinarik zu verwirklichen, ist allerdings eine so genannte OdA nötig: eine Organisation der Arbeitswelt. Dabei handelt es sich um eine Trägerschaft der repräsentativen Branchenverbände. «Für uns unverständlich und nicht nachvollziehbar stehen Hotelleriesuisse und Gastrosuisse nicht hinter dem Projekt», sagt Urs Masshardt, Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union. Ohne die Unterstützung der beiden grossen Branchenverbände sei eine Realisierung der HF Kulinarik trotz des Rückhalts von der Gilde der etablierten Schweizer Gastronomen, der «Jeunes Restaurateurs Schweiz» und Botschaftern wie Tanja Grandits, Vreni Giger, René Schudel und Heinz Reitbauer nicht möglich.
Hotelleriesuisse und Gastrosuisse bezweifeln, dass es einen zusätzlichen Abschluss benötigt. So schreibt Gastrosuisse etwa in einem Brief an die Hotel & Gastro Union: «Wir sind der Auffassung, dass keine neuen Strukturen mit einer zusätzlichen OdA geschaffen werden sollen.» Für Urs Masshardt ist diese Haltung unverständlich: «Der Markt an ausgewiesenen Fachkräften ist extrem ausgetrocknet. Die HF Kulinarik hätte hier Abhilfe schaffen können. Das ist eine verpasste Chance.»
3000 Stunden handwerkliche Weiterbildung umfasst der Lehrplan, der vom Schweizer Kochverband skv ausgearbeitet wurde. Nun gilt es zu klären, wie sich dieses Wissen nutzen lässt. «Die Inhalte entsprechen genau den Zielen, welche sich der skv auf die Fahne geschrieben hat. Nämlich die Förderung des Handwerks», sagt skv-Geschäftsführer Reto Walther. Derzeit erstellt die Hotel & Gastro Formation einen Bericht, der untersucht, in welcher Form die Inhalte verwendet werden können. Möglich ist etwa eine neue Berufsprüfung Kulinarik oder eine Integration des Stoffs in die bestehende Berufsprüfung Chefkoch. Die Ergebnisse werden im Dezember analysiert.
Unabhängig davon ist für den skv klar, dass eine Integration in bestehende Angebote das Ziel der HF Kulinarik verfehlt. «Wir haben uns ganz klar für eine Höhere Fachschule ausgesprochen, um uns von bestehenden Weiterbildungsangeboten abzugrenzen», so skv-Präsident Thomas Nussbaumer.
(Angela Hüppi)
Die Vorbereitung auf eine Berufsprüfung (BP) dauert in der Regel ein bis zwei Jahre und wird berufsbegleitend absolviert. Der erlangte Fachausweis gehört zur höheren Berufsbildung. Die BP bereitet Fachleute auf Stellen mit hoher Verantwortung vor. Die Vorbereitungskurse auf die Prüfung vermitteln theoretische und praktische Kenntnisse sowie höhere Qualifikationen. Die Vorbereitungskurse finden an privaten und öffentlichen Bildungsstätten statt.
Höhere Fachschulen HF bieten Lehrgänge an, die zu einem Diplom der Tertiärstufe führen. Lehrgänge mit Abschluss-Diplom HF sind eine umfassendere und allgemeinere Berufsbildung als Berufsprüfungen und höhere Fachprüfungen. Sie vermitteln die erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Kompetenzen, um im betreffenden Berufsfeld technische Verantwortungen oder Leitungsfunktionen zu übernehmen.
Hotellerie Gastronomie Zeitung: Urs Masshardt, im vergangenen Herbst klang es noch so, als ob die HF Kulinarik mit Sicherheit kommen wird. Was sagen Sie als Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union zum Vorwurf, man habe damals zu voreilig informiert?
Urs Masshardt: Der berufspolitische Meinungsbildungsprozess wurde klar unterschätzt. Die Unterstützung des Vorhabens durch die Gilde der etablierten Schweizer Gastronomen und die Jeunes Restaurateurs Schweiz sowie mehrere namhafte Köche aus der Schweiz und dem näheren Ausland war nur die halbe Miete. Man kann sagen: Die Rechnung wurde ohne den Wirt gemacht.
Die Exponenten von Hotelleriesuisse und Gastrosuisse bezweifeln, ob die Nachfrage nach einer HF Kulinarik vorhanden ist. Zu Recht?
Nein, das glaube ich nicht. Die Branche ruft nach mehr Fachkräften. Externe Untersuchungen zeigen, dass fehlende Karriereperspektiven zu den Gründen gehören, weshalb viele Berufsleute die Branche verlassen. Nicht jeder will eine Hotelfachschule absolvieren oder eine höhere Fachprüfung machen, um dann Hoteldirektor oder Gastronomieleiter zu werden. Umfragen zeigen klar auf, dass ein grosser Wunsch nach einer Vertiefung des Handwerks besteht. Genau das wollte man mit der Höheren Fachschule Kulinarik erreichen. Es waren über 3000 Stunden handwerkliche Weiterbildung vorgesehen.
Ist die HF Kulinarik nach den aktuellen Entwicklungen endgültig vom Tisch?
Nur eine Sache, die man aufgibt, ist wirklich verloren. Der Rahmenlehrplan ist erarbeitet und kann jederzeit aus der Schublade genommen werden. Ich bin überzeugt, dass der Kochverband der Zeit voraus ist. Die Branche bräuchte die HF Kulinarik dringend. Tatsache ist, dass das umliegende Ausland uns bezüglich kulinarischer Ausbildungen längst überholt hat. Ein hervorragendes Beispiel ist das Culinary Center in San Sebastian in Spanien, ein klassisches Public-Private-Partnership-Projekt. Dass wir die HF Kulinarik nicht realisieren, ist eine verpasste Chance.
Stv. Direktor und Leiter Berufsbildung und Dienstleistungen bei Gastrosuisse
Gastrosuisse ist nicht generell gegen eine Kochakademie. Vielmehr haben wir kritische Fragen gestellt, was zu einer aus unserer Sicht konstruktiven Diskussion führte. Gemeinsam wurden alternative Lösungen gesucht und bewertet, weshalb uns das kürzlich verbreitete Schreiben der Hotel & Gastro Union mit dem Betreff «Die Kochakademie ist in der Branche nicht erwünscht» mehr als irritierte. Wir sind seit Jahren bestrebt, das Handwerk in der Branche zu fördern. Werden Lücken im bestehenden Aus- und Weiterbildungssystem identifiziert oder müssen neue Schwerpunkte gesetzt werden, sollten Lösungen zuerst innerhalb der bestehenden Formate gesucht werden.
Präsident Schweizer Kochverband skv
Immer wieder hören und lesen wir vom Fachkräftemangel. Wir wollen unserem Nachwuchs Perspektiven geben. Wir wollen das Handwerk pflegen und vertiefen. Leider finden wir im Moment keinen gemeinsamen Nenner mit unseren Bildungspartnern. Wir haben uns ganz klar für eine Höhere Fachschule Kulinarik ausgesprochen als Abgrenzung zu bereits bestehenden, etablierten und guten Weiterbildungen. Deshalb werden wir eine Berufsprüfung Kulinarik nicht aktiv unterstützen. Das Ziel des Schweizer Kochverbands ist es, den Beruf für unsere Mitglieder und unseren Nachwuchs attraktiv zu gestalten. Dafür werden wir auch in Zukunft weiterkämpfen.
Initiator Kochakademie und Küchenchef Gasthof Rössli in Escholzmatt/LU
Gemäss einer Umfrage erachteten 75 Prozent aller befragten Köche in der Schweiz eine höhere Fachbildung als wünschenswert. Anscheinend braucht es mehr als zwei Anläufe, bis die Verantwortlichen von Gastrosuisse und Hotelleriesuisse zur Einsicht kommen, dass das Kochhandwerk einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert erhalten muss. Es gibt wenig stichhaltige Argumente gegen eine HF Kulinarik. Meist sind sie Ausdruck von Befürchtungen personalpolitischer oder verbandseigener Veränderungen. Aber ich bin überzeugt, wenn junge Köche sich für eine HF Kulinarik einsetzen, kann diese zustande kommen. Wofür man kämpft, bekommt man auch.
Direktor Hotelleriesuisse
Hotelleriesuisse will sich nicht als Investor oder Mitträger einer neuen Schule verpflichten. Wir stehen aber für eine zukunftsträchtige Aus- und Weiterbildung im Berufsfeld des Kochs ein. Wir wollen hierzu eine saubere Berufs- und Arbeitsmarktanalyse, um gestützt darauf allfällige Weiterentwicklungen der beruflichen Grund- sowie der höheren Berufsbildung vorzunehmen. Die drei Partnerverbände Hotelleriesuisse, Gastrosuisse und Hotel & Gastro Union haben sich im Vorstand der Hotel & Gastro Formation einstimmig dafür ausgesprochen, bis Dezember 2018 die nötigen Grundlagen zu erarbeiten. Wenn die Bedarfsanalyse ein Bedürfnis für eine eigenständige und klar positionierbare Berufsprüfung ausweist, kann dies eine Option sein.