Ohne Online-Buchungsplattformen kommt kaum ein Betrieb aus. Wer unabhängiger sein will, braucht eine Digitalstrategie.
Ärger über die immer restriktiveren Vorschriften von Online-Buchungsplattformen wie Booking.com oder Expedia? Das Maya Boutique Hôtel & Spa kennt das nicht. Seit 2016 kommt das Vier-Sterne-Haus in Nax komplett ohne die so genannten OTA aus. Das Gastgeberpaar Lisa und Louis Papadopoulos nutzt andere Wege, um mit potenziellen Gästen in Kontakt zu kommen. Unter anderem bedient es verschiedene Social-Media-Kanäle.
So wird auf Facebook beispielsweise eine positive Yelp-Bewertung geteilt, der Hinweis auf einen Tesla-Testfahrt-Event gepostet oder ein Beitrag zur Abstimmung über die Olympischen Spiele 2026 in Sion online gestellt. «Um soziale Medien kommt man heute nicht mehr herum», sagt Louis Papadopoulos. Das Engagement auf diesen Kanälen generiere zwar keine direkt messbaren Resultate: «Aber man bleibt im Gespräch.» Indirekt führt das zu mehr Buchungen, und zwar direkt beim Hotel, also kommissionsfrei.
Neben Facebook ist das Maya Boutique HÔtel & Spa auf den Social-Media-Kanälen Instagram, Pinterest, Twitter und Linkedin präsent. Jeder Kanal wird anders genutzt. Facebook eignet sich besonders für die Kommunikation mit den Followern, während Instagram es dank der Hashtags ermöglicht, bestimmte Zielgruppen anzusprechen. «Unser Hotel ist beispielsweise bei der LGBT-Community sehr beliebt», sagt Louis Papadopoulos. Daher werden auf Instagram Bilder vom Rhonetal oder dem Matterhorn mit dem Hashtag #lgbttravel versehen. Das Bild eines elektrischen Shuttlebusses in Sion erhält den Hashtag #greentravel. So kommen potenzielle Gäste auf die Seite des Hotels, die gezielt nach LGBT-freundlichen oder nachhaltigen Hotels suchen. Die Hashtags müssen zum Hotel passen, sonst bleibt es beim einmaligen Klick auf einen Post.
Ihre Social-Media-Kanäle bewirtschaften Lisa und Louis Papadopoulos zu zweit. «Wir versuchen, unter anderem durch Veranstaltungen zu Social Media auf dem Laufenden zu bleiben. Das ist ungemein wichtig, weil die Entwicklung in diesem Bereich rasant voranschreitet.»
Social-Media-Kanäle ständig mit den neuesten Updates zu füttern, braucht Zeit. Dass es sich lohnt, davon ist Papadopoulos überzeugt: «Derzeit bezahlen wir praktisch keine Kommissionen mehr. Dadurch können wir unser Angebot um rund 15 Prozent günstiger gestalten – das bringt neue Gäste.» Nach der Eröffnung vor rund fünf Jahren war das Hotel noch zu 33 Prozent von OTA abhängig. Diesen Anteil reduzierte man stetig: «Durch unsere Social-Media-Aktivitäten können wir die Gäste auf unsere Internetseite holen, wo sie direkt ein Zimmer buchen.» Aber auch andere Massnahmen führen zu Direktbuchungen: etwa Aktionen im Newsletter oder ein Empfehlungsrabatt von 15 Prozent.
Gute Auslastung ganz ohne OTA – das hört sich gut an, ist aber nicht für alle Hotelbetriebe realistisch. «Die OTA können ein nützliches Werkzeug sein, um neue Märkte zu erreichen», sagt Roland Schegg, Tourismusexperte und Professor am Tourismusinstitut der Walliser Fachhochschule HES-SO. «Man muss abwägen, wie viel Abhängigkeit man sich leisten kann und will.» Ganz ohne OTA können seiner Meinung nach nur Hotels funktionieren, die sehr gut positioniert sind. «Sobald es in einem Umkreis von 20 Kilometern ähnliche Hotels gibt, wird es bereits schwierig.»
Er warnt allerdings davor, das Marketing komplett an OTA auszulagern: «Man muss einen guten Mix finden und die OTA vor allem dazu nutzen, neue Kundschaft anzuziehen.» Auf den eigenen Kanälen wie Webseite und Social Media hingegen könne den Kunden ein Mehrwert gegenüber einer OTA-Buchung geboten werden. «So kann man Kunden bei einer Direktbuchung auf der Hotel-Webseite beispielsweise ein ruhigeres Zimmer, einen Skipass oder den Transport vom Bahnhof offerieren. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.»
Die Buchung auf der Webseite müsse zudem so einfach wie möglich gestaltet sein – sonst verliert der potenzielle Gast das Interesse. Das heisst beispielsweise, dass das Buchungsdatum bereits auf das aktuelle eingestellt ist und automatisch Alternativen angezeigt werden, falls am gesuchten Datum kein Zimmer frei ist. «Jeder Klick ist einer zu viel», so Schegg.
So optimiert wie die grossen Online-Buchungsportale werden die Buchungen per Hotel-Webseite allerdings nie sein. «Das Optimieren ist eine Wissenschaft für sich, und Booking.com ist Meister darin», so Schegg. Dank der vielen Seitenbesuche können im Hintergrund regelmässig Tests durchgeführt werden: Wird ein roter oder ein oranger Button häufiger angeklickt? Welche Gestaltung führt zu den meisten Buchungen? Diese Möglichkeiten haben die wenigsten Hotels – aber sie können den Buchungsprozess so einfach und schnell wie möglich gestalten.
Fast 3000 Personen folgen dem Maya Boutique Hôtel & Spa auf Facebook. Eine beachtliche Zahl für ein Hotel mit nur acht Zimmern. Und weit mehr, als Schweizer Hotels im Durchschnitt haben. Gemäss einer Untersuchung eines Studenten der HES-SO haben Schweizer Hotels im Durchschnitt 800 Follower auf Facebook, auf Instagram sind es meist unter 200. Die Zahl der Personen, die auf Posts reagieren, ist bedeutend kleiner.
Lohnt sich der Aufwand also überhaupt? «Ja», ist Roland Schegg überzeugt, «wenn man eine Strategie hat.» Einfach mal ein Facebook-Konto erstellen, damit man dabei ist, nütze nichts. Verschiedene Kanäle sprechen ein anderes Publikum an, und müssen auch entsprechend bespielt werden. Besonders wichtig ist die Regelmässigkeit: «Man muss fast täglich, sicher aber wöchentlich, neue Inhalte hochladen, um eine Beziehung zu den Followern aufzubauen.» Wenn das gelingt, kann man Social Media unter anderem zu Marktforschungszwecken nützen: Kommentare und Likes zeigen, was dem Publikum gefällt. Ganz abgesehen von der kostenlosen Werbung, wenn ein Gast ein Foto vom Betrieb postet und damit ein neues Publikum erreicht, mit dem der Betrieb sonst vermutlich nicht in Berührung käme.
Das versucht beispielsweise das Parkhotel Brenscino Brissago zu fördern. Unter anderem mit einem Like-Zähler direkt an der Réception sowie einem Fotowettbewerb: Wer das spektakulärste Bild mit dem Mietwagen des Hotels schiesst, erhält das Fiat-500- Cabriolet beim nächsten Aufenthalt einen Tag lang kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Community soll einem Hotel nicht nur folgen, sondern sich auch aktiv beteiligen. «Man muss eine Fanbasis aufbauen», sagt Roland Schegg. Die Beiträge müssen es also schaffen, dass den Followern das Hotel nicht nur gefällt, sondern dass sie sich auch mit ihm identifizieren. Beispielsweise, wenn das Maya Boutique Hôtel & Spa zum Thema «Sion 2026» einen Artikel zur Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit postet. Ein Beitrag, der Emotionen weckt und zu dem jeder eine Meinung hat. So wurde er dann auch insgesamt 80 Mal geteilt und erhielt 146 Likes. Der Beitrag zeigt zudem, dass Hoteliers auf Social Media durchaus ihre Meinung äussern dürfen – auch wenn diese nicht mit derjenigen aller Gäste übereinstimmt. Nicht alle Kommentatoren waren mit dem «Pro Sion 2026»-Beitrag des Hotels einverstanden. Doch die Antworten sind durchwegs sachlich und respektvoll. So schreibt etwa ein Follower: «Sie sind der Beweis dafür, dass wir auch ohne die Olympischen Spiele innovativ sind und internationale Anerkennung haben.»
Eine weitere Möglichkeit, mehr Menschen über Social Media zu erreichen, ist das Influencer-Marketing. Dafür muss man nicht unbedingt die bekanntesten Blogger zu sich holen. «Es gibt auch viele Influencer, die noch keine so grosse Fanbase haben. Dennoch erreichen sie ein ganz bestimmtes Zielpublikum und können für Hotels spannend sein», so Roland Schegg. Dass ein Video um die Welt geht wie jenes vom Infinity-Pool der Villa Honegg in Ennetbürgen im Jahr 2016, ist natürlich selten. «Das sind Einzelfälle, bei denen auch viel Glück im Spiel ist», so Schegg.
Trotzdem – auch wer keine Zeit oder Lust auf Social Media hat, kommt um Portale wie Facebook, Instagram oder auch Snapchat kaum mehr herum. Roland Schegg ist überzeugt: «Man muss sich mit dem Thema beschäftigen. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft ständig. Da muss man dranbleiben und die eigenen Kompetenzen immer weiterentwickeln – sonst wird man irgendwann abgehängt.»
(Angela Hüppi)
Die Kritik an Online-Buchungsplattformen ist allgegenwärtig. Fakt ist aber: Dank der OTA profitieren viele Hotels von Marketinginstrumenten, die sie sich sonst nicht leisten könnten.
«Booking.com ist ein Marketing-Champion», sagt Tourismusexperte Roland Schegg. Seit das Unternehmen 1996 als kleines Start-up begann, ist es zum Big Player geworden, indem es sich ständig weiterentwickelt und den Kundenbedürfnissen anpasst. Die Plattform bietet Hotels Marketing-Möglichkeiten, die sie alleine unmöglich finanzieren könnten. Auf den Online-Buchungsplattformen können Hotels ihre Zimmer relativ einfach einem globalen Publikum präsentieren und so viele potenzielle Kunden erreichen, die sonst kaum auf die hoteleigene Webseite gefunden hätten. Booking.com über- setzt ausserdem die von der Unterkunft zur Verfügung gestellten Informationen in über 40 Sprachen.
Ebenfalls praktisch: Hotels haben jederzeit die Möglichkeit, die auf Booking.com zur Verfügung gestellten Zimmer mittels direktem Zugriff zu entfernen, falls man sie auf anderem Weg vermarkten möchte. Und nicht zu vergessen: Die Präsenz auf der Plattform ist grundsätzlich kostenlos – die Kommission wird erst fällig, wenn es tatsächlich zur Buchung über Booking.com kommt.
Diese Vorteile schätzt beispielsweise das Hotel Schweizerhof in Bern, das unter anderem auf den Plattformen Booking.com und Expedia präsent ist. «Dank der OTA ist unser Hotel auf verschiedenen Kanälen präsent, und der Buchungsprozess wird für den Gast durch die Apps vereinfacht», sagt der Presseverantwortliche Daniel Huggenberger. «Zudem können verschiedene Angebote und Promotionen auf den diversen OTA aufgeschaltet werden.» Dafür nimmt das Hotel Nachteile wie die relativ hohen Kommissionen und die Preisparität in Kauf.
Tatsache ist, dass es ohne OTA kaum noch geht: «Das Buchen über OTA ist bei den Gästen sehr beliebt, da die Buchung sehr einfach und rasch erledigt werden kann.» Um Direktbuchungen zu fördern, betreut aber auch das Hotel Schweizerhof in Bern gezielt verschiedene Social-Media- Kanäle und bedient die Webseite laufend mit neuen Bildern und Events.
Alle reden von Booking.com. Dabei gibt es auch preisgünstigere Alternativen. Zum Beispiel die Buchungsplattformen der Tourismusbüros und -destinationen oder my.Switzerland.com und das Switzerland Travel Center. Für Pensionen und Boutique-Hotels besteht die Möglichkeit, sich auf Airbnb zu präsentieren, wo die Kommissionen ebenfalls tiefer sind. Weiter gibt es das holländische Start-up Bidroom, das als Mitglieder-Club funktioniert und keine Kommissionen verlangt. Stattdessen bezahlen Hotels einen Jahresbeitrag von 59 Euro. Wie im Juni bekannt wurde, hat Tourismusmilliardär Samih Sawiris in Bidroom investiert, um eine Konkurrenz zu Booking.com aufzubauen.
Aller Alternativen zum Trotz – Booking.com wird wohl noch eine Weile Marktführer bleiben. Und Hotels werden auch weiterhin ein gespaltenes Verhältnis zu den Online-Buchungsplattformen haben. Sie können nicht ohne sie, aber auch nicht wirklich gut mit ihnen. Mit der Motion Bischof, die ein Verbot von Knebelverträgen der OTA fordert, soll nun zumindest die viel beklagte enge Preisparitätsklausel auch in der Schweiz verboten werden. Der Branchenverband Hotelleriesuisse fordert dann auch eine möglichst schnelle Umsetzung: «Dann wird die eigene Webseite wieder zum Preisleader und der Konsument profitiert vom preislichen Wettbewerb.»
40 % der Buchungen werden heute in Echtzeit generiert, wobei die Online-Buchungsportale mit rund 28 Prozent klar dominierend sind.
Fast die Hälfte der Hotels fühlt sich von OTA unter Druck gesetzt, ihre Geschäftsbedingungen (z. B. Stornierungsbedingungen, Sonderrabatte) zu akzeptieren.
8 % der Echtzeitbuchungen finden auf der Webseite des Hotels statt.
94 % des Marktes für Online-Reiseplattformen gehören Booking.com, Expedia und HRS. Booking.com ist mit rund 75 Prozent Marktführer.
Die Hälfte der befragten Hotels hat seit Annahme der Motion Bischof Anpassungen zur Stärkung des Onlinedirektvertriebs unternommen, zum Beispiel über kostenlose Zusatzangebote.
40 % der Hotels geben an, dass sie von den OTA gedrängt werden, kostenlose Last-Minute-Stornierungen zu akzeptieren.