Restaurationsfachleute sind das Aushängeschild eines Lokals. Trotz dieser wichtigen Rolle wird ihr Beruf unterschätzt.
Tisch 17, schicken, bitte! erklingt es aus der Küche. Draussen im Restaurant geht in der Zwischenzeit die Post ab. Alle Gäste sind gleichzeitig gekommen, alle wollen gleichzeitig bestellen und selbstverständlich auch gleichzeitig bezahlen. Restaurationsfachangestellte haben einen anspruchsvollen Job. Denn sie sind die Vermittler zwischen Küche und Gast und rücken die Kreationen der Köche ins richtige Licht. Sie stellen sich einerseits in den Dienst des Gastes, aber auch in jenen der Küche. Denn erst das Zusammenspiel von hochstehender Küche und perfektem Service ergibt ein gutes Restaurant. Daneben ist eine Menge Fachwissen, Menschenkenntnisse und ein Talent als Gastgeberin oder Gastgeber gefragt.
So geht es darum, dem Gast zu vermitteln, dass er willkommen ist und wahrgenommen wird. Es gilt, die Wünsche des Gastes zu antizipieren oder, wie man so schön sagt, ihm diese von den Augen abzulesen. Während ihrer Tätigkeit als Restaurationsfachangestellte hat Noemi Kessler diese Gastgeberrolle geliebt und gelebt. Beispielsweise hörte sie aus dem Gespräch heraus, dass ein Gast gerne Sauce béarnaise mochte. Diese liess sie dann von den Köchen herstellen, bevor der Gast seinen Wunsch formulieren konnte.
Genau diese Faszination für die Gastgeberrolle hat Noemi Kessler, die zurzeit die Hotelfachschule in Luzern besucht, dazu bewogen, eine Lehre als Restaurationsfachfrau zu absolvieren. Als Vorbild diente ihr der Grossvater, der in Davos zusammen mit ihrer Grossmutter ein Hotel führte. «Morgens beim Frühstück fragte er jeweils alle Gäste nach ihren Plänen für den Tag. Und am Abend erkundigte er sich bei jedem, wie dieser verlaufen war», erinnert sich Noemi Kessler, die sich 2013 in Leipzig an den WorldSkills den Weltmeistertitel Restauration-Service holte. Auf ähnliche Erfahrungen kann David Füger zurückgreifen, der den Berufsstand im letzten Sommer an den WorldSkills in São Paolo vertrat und ein Diplom erreichte. Seine Eltern lebten ihm die Passion für das Gastgewerbe in ihrem Betrieb in Mörschwil vor.
Doch nicht alle Berufseinsteiger bringen eine solche Erfahrung mit. Da ist es wichtig, dass in der Ausbildung im Betrieb auf eine entsprechende Sensibilisierung Wert gelegt wird. Für Mimi Bischofberger, die seit über 25 Jahren zusammen mit ihrem Mann Louis Bischofberger im Gasthof Kreuz in Egerkingen Lernende ausbildet, ist dies ein zentraler Faktor. Sie fördert bei ihren Lernenden das Verständnis für Gästebedürfnisse, schult deren Rhetorik, feilt am Auftritt und paukt mit ihnen Psychologiekenntnisse. Die Lehrmeisterin plädiert zudem dafür, dass auch die Ausbildner entsprechend geschult werden müssten. Denn allzu oft seien überforderte und fachlich ungenügend ausgebildete Mitarbeiter verantwortlich für die Lernenden.
«Eine gute wirkungsvolle Ausbildung ist nur möglich, wenn Ausbildner und Lernender während der Lehrzeit so viel wie möglich miteinander zusammen arbeiten», sagt Mimi Bischofberger. Tom Christen, Geschäftsleiter im Landhaus Liebefeld, Juror bei Lehrmeister des Jahres und beim Marmite Youngster Selection im Bereich Service, sieht in einer intensiven kameradschaftlichen Ausbildung ebenfalls den Schlüssel zum Erfolg. «Der grosse Teil unserer Lernenden im Landhaus Liebefeld bleibt in der Regel auf dem Beruf», sagt der passionierte Gastgeber. «Wenn die Lernenden eine tolle Lehrzeit haben, macht sich das für alle bezahlt.»
Der Beruf Restaurationsfachfrau/-fachmann verfügt trotzdem über wenig Prestige. Obwohl passionierte Gastgeber ein grosses Fachwissen etwa über Gerichte und Getränke sowie deren Zusammensetzungen und Kombinationen mitbringen. Die Arbeit der Restaurationsfachleute wird heute in der Regel gering geschätzt, da sich mittlerweile die Restaurantkonzepte verändert haben und der Service in vielen Lokalen in erster Linie schnell gehen muss. «Die Branche hat es verpasst, den Beruf aufzuwerten wie zum Beispiel in Österreich», sagt Julia Scussel, stellvertretende Restaurationsleiterin in der «Kronenhalle» in Zürich. «Durch die vielen ungelernten und möglichst günstigen Arbeitnehmer ist der Stellenwert des Serviceberufs sehr tief gefallen», ergänzt die Lehrmeisterin. Jeder kriege den Eindruck, dass dies sowieso jeder könne. Ähnliche Erfahrungen hat Erica Beer gemacht. Das Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Restauration bvr ist immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. «Ist ja nicht schwer, ein paar Teller zu tragen», kommt es der erprobten Berufsfrau immer wieder zu Ohren von Lernenden, die sich ohne viel Begeisterung für eine Restaurationsfachlehre entscheiden, weil sie ihre Wunschlehrstelle nicht kriegen. Reine Tellertaxis? Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es heute viele Betriebe gibt, die viel zu wenig Gewicht auf einen guten Service legen. «In solchen Lokalen sind Serviceangestellte reine Tellertaxis», stellt Thomas Profanter, Restaurantleiter im «Carlton» in Zürich fest, wenn er in der Stadt essen geht. Viele Leute im Service seien ungelernt und würden die Arbeit als reinen Brotjob betrachten, den sie ohne viel Leidenschaft ausüben.
Gegen Quereinsteiger sei gar nichts einzuwenden, sagt der gelernte Industrieinformatiker, der die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich absolviert hat. Doch gemäss dem gebürtigen Südtiroler brauche es Leidenschaft für den Beruf. Um diese zu wecken, seien Vorbilder gefragt. Das sieht auch Mimi Bischofberger so. «Wenn wir es schaffen, die Begeisterung für die Gastronomie zu 100 Prozent zu entfachen, können wir uns auf engagierte Gastroprofis freuen, die uns viele Jahre erhalten bleiben», sagt Mimi Bischofberger. Und nicht zuletzt auch auf zufriedene Gäste: «Der anspruchsvolle Gast, der Kenner der Szene, schätzt guten Service sehr.» Diese Aussage hört sie immer wieder von ihren Gästen. Das eine geht jedoch nicht ohne das andere. Damit ein Restaurant möglichst gut funktionieren kann, ist ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen Küche und Service fundamental. Allzu oft gibt es zwischen den beiden Bereichen zu wenig Verständnis und es kommt zu unnötigen Reibereien. So kann der Service nicht verstehen, warum es so schwierig ist, rasch ein bisschen Sauce zu reichen. Die Küche kann im Gegenzug mit Unverständnis reagieren, wenn der Service bei der Bestellungsaufnahme viel Zeit vergeudet.
«Das Ganze ist und muss als Teamleistung empfunden und gelebt werden», sagt Mimi Bischofberger. Um Küche und Service aufeinander einzuschwören, hat Tom Christen im Landhaus Liebefeld vor einiger Zeit im Betrieb einen Tausch der Aufgaben realisiert. So musste der Service in die Küche und die Küche in den Service. «Für alle Beteiligten war diese Erfahrung sehr erkenntnisreich und wir konnten das gegenseitige Verständnis fördern.» Um sich auch das Servicehandwerk anzueignen, hängen im Gasthof Kreuz in Egerkingen viele der Kochlernenden eine Zusatzlehre im Service an.
Doch wie gelingt es, den Stellenwert des Berufs zu erhöhen? Erstens müssten die Arbeitgeber bereit sein, mehr in die gelernten Mitarbeiter zu investieren. Zweitens sollte man den jungen, interessierten Mitarbeitern in der Ausbildung klar aufzeigen, welche Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten ihnen nach der Lehre offen stehen. Und drittens müsste man dem Beruf medial mehr Präsenz verleihen. Dies könnte in Form von Wettbewerben, wie dies bei den Köchen gang und gäbe ist, stattfinden. Gerade bei Wettbewerben ortet Mimi Bischofberger jedoch ein grosses Problem. «Hier mangelt es am Interesse der Berufsleute. Jeder Service-Wettbewerb kämpft mit ungenügenden Teilnehmerzahlen», sagt Mimi Bischofberger. Sie bedauert dies sehr, denn solche Veranstaltungen würden von den Gästen mit grossem Interesse verfolgt und von Lieferanten grosszügig unterstützt.
Tom Christen, der als Marmite- Youngster-Service-Juror tätig ist, sieht die Situation etwas positiver, wenn er auch eingesteht, dass die Köche viel besser organisiert und vernetzt seien. Er sieht Wettkämpfe als ein gutes Mittel, um den Stellenwert des Berufes zu steigern. Denn seines Erachtens ist Gastgeber der schönste Beruf der Welt.
Denn wo sonst, könne man im Sommer seinen Arbeitstag auf einer lauschigen Terrasse verbringen und bekomme täglich positive Feedbacks? Zudem bietet eine Lehre in der Restauration unzählige Karrierechancen in Gastronomie, Hotellerie und Tourismus.
(Bernadette Bissig)
...dauert die berufliche Grundbildung Restaurationsfachfrau/-mann EFZ
...lernt, wer bereits über eine berufsverwandte Grundbildung verfügt
...umfasst die schulische Bildung der Lehre Restaurationsfachfrau EFZ
...umfassen die überbetrieblichen Kurse
<link http: www.worldskills.org>www.hotelgastrounion.ch/de/bvr
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