Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Wer profitiert vom Beizentod?

Anfang Jahr waren es drei, jetzt sind es noch zwei Restaurants in Mosnang/SG. Für die Einheimischen jedoch kein Grund zur Klage.

  • Mosnang liegt abseits der grossen Hauptverkehrsachsen im Untertoggenburg auf 735 Metern über Meer. Mittelpunkt des rund 2000 Einwohner zählenden Dorfes ist die katholische Kirche mit ihrem dominierenden Turm, der einst als Wachturm erbaut worden ist. (Bilder Filipa Peixeiro)
  • Skilift am so genannten «Gletscherhang» (weil schattig im Winter) in Mosnang. Hier stand die spätere Weltklasse-Skirennfahrerin Maria Walliser zum ersten Mal auf den «Brettern».Mosnang liegt abseits der grossen Hauptverkehrsachsen im Untertoggenburg auf 735 Metern über Meer.
  • Das im Besitz der Familie Schneider befindliche Restaurant Krone.
  • Am «Krone»-Stammtisch in Mosnang mit der HGZ; von links: Philipp Schneider, Pal Laska, Max Gmür und Bruno Kaufmann.
  • «Im Käsereigewerbe finden wir einfach keine gut ausgebildeten Fachkräfte mehr.» Bruno Kaufmann, Inhaber der Käserei Kaufmann.
  • «Der Mosliger ist bodenständig, pragmatisch, abwartend.» Max Gmür, Präsident 
    des Verkehrsvereins Mosnang. 
  • «In puncto Arbeitszeit können wir jetzt mit den Grossbetrieben mithalten.» Philipp Schneider, Gastgeber im Restaurant Krone.
  • «Nirgendwo in der Schweiz bin ich so gut aufgenommen worden wie in Mosnang.» Pal Laska, Pächter des Restaurants Hirschen.

Das Erste, was ein aus dem Kanton Zürich kommender Besucher im sankt-gallischen Mosnang erfährt, ist: Die Einwohner sind nicht Mosnanger, sondern Mosliger. Als Zweites wird mit Wonne kundgetan, der höchste Zürcher sei ein Mosliger.  

Wie bitte? Ist die Rede vom Zürcher Kantonsratspräsidenten? «Nein, nein», erwidern die Mosliger lachend. Es gehe um den höchsten Berg Zürichs, das Schnebelhorn. Das läge auf Mosliger Grund und Boden.

Nun gut, offiziell steht geschrieben, dass auf dem 1292 Meter hohen Gipfel die Kantonsgrenze zwischen Zürich und St. Gallen verläuft, aber wer will schon streiten. Die Mosliger sehen’s pragmatisch. Hier ein paar unbestrittene Fakten: Mosnang im Untertoggenburg gehört mit etwas über 50 Quadratkilometern Fläche zu den grössten Gemeinden im Kanton St. Gallen. Mit 3000 Einwohnern ist Mosnang mit den Dörfern Mühlrüti und Libingen sowie den Weilern Dreien und Wisen allerdings eher dünn besiedelt. 

Dafür zählt die Gemeinde sechzig Vereine. Und die bestünden nicht nur auf dem Papier, sondern seien extrem aktiv, sagt Verkehrsvereinspräsident Max Gmür.

Mosnang ist vor allem eine sportliche Gemeinde. Der Seilziehclub und der Radballverein machen sogar international von sich reden. Und: Ex-Skistar Maria Walliser und die Top-Leichtathletin Selina Büchel sind Mosliger.

Neben Landwirtschaft prägen kleingewerbliche Betriebe das Leben der Gemeinde. Tourismus? Ein kleiner Skilift und ein paar Wanderwege. Die Mosliger sind gerne unter sich. 

Für Gesprächsstoff in der Region sorgte unlängst die Nachricht, dass der «Bären», einst stolzes Gilde-Mitglied, seine Türen schliessen musste. Was heisst das nun für die letzten zwei verbliebenen Gastronomen im Dorf? Wie reagieren Vereine und Gewerbe? Die HGZ traf sich mit dem «Krone»-Wirt Philipp Schneider, «Hirschen»-Pächter Pal Laska, Käser  Bruno Kaufmann und Verkehrsvereinspräsident Max Gmür.

Mit dem «Bären» hat ein renommiertes Restaurant in Ihrem Dorf den Betrieb eingestellt. Sind die Gäste ausgeblieben?
Bruno Kaufmann
: Das glaube ich nicht, meines Wissens lief das Restaurant sehr gut.
PhilippSchneider: Stimmt. Der Besitzer suchte seit langem alters- und gesundheitshalber einen Nachfolger und fand einfach keinen Gastronomen. Die Liegenschaft steht jetzt zum Verkauf.
BrunoKaufmann: Das Restaurant ist ein toller Betrieb und wirklich etwas für engagierte Gastronomen. Aber die hier in der Region zu finden, ist wirklich schwierig.  
Max Gmür: Leider. An Gästen würde es wirklich nicht mangeln. Die Mosliger gehen gerne in die Beiz. Organisiere im Dorf einen Anlass, und die Leute kommen.
 
Ein Gastrobetrieb weniger im Dorf. Profitieren nun die «Krone» und der «Hirschen» von weniger Konkurrenz?
Pal Laska
: Ja, ich profitiere ein wenig. Aber dass nun deswegen sehr viele Gäste mehr zu mir in den «Hirschen» kommen, kann ich nicht sagen.
PhilippSchneider: Bei mir in der «Krone» ziehen die Bankette an, da ja auch das Restaurant Hirschen im benachbarten Bütschwil aufgegeben hat. Allgemein gibt es im Toggenburg immer weniger Betriebe mit Bankettsälen. 
PalLaska: Geht es um kleinere Veranstaltungen, finden  Vereine in den Restaurants der Region immer noch genügend Platz.
PhilippSchneider: Man muss aber auch sagen: Wir hier im Toggenburg sind lange vom Beizensterben verschont geblieben, aber jetzt verschwinden immer mehr Betriebe.
BrunoKaufmann: Ja, leider. Ich als Käser verliere Abnehmer in der Gastronomie, dennoch spüre ich das umsatzmässig weniger, da wir glücklicherweise viele Grosskunden wie Spitäler und Heime bis Wil und Wattwil mit Milchprodukten beliefern können.

Philipp Schneider, in der Regionalpresse war zu lesen, dass Sie Ihren Betrieb erweitern wollen.
Philipp
Schneider: Ja, wir haben schon seit längerem gemerkt, dass wir im bestehenden Saal nicht genügend Plätze anbieten können. Wir erhalten immer mehr Anfragen für grössere Events, deshalb planen wir einen Anbau ans Restaurant mit einem Saal für bis zu 200 Personen.

Mosnang liegt im Untertoggenburg und bietet im Vergleich zum Obertoggenburg nur ein paar wenige Skilifte und Wanderwege. Will die Gemeinde im Tourismus zulegen und mehr auswärtige Gäste anlocken?
MaxGmür: Nein. Mit «Chrüzegg» und «Hulftegg» haben wir zwei stark frequentierte Wandergebiete. In den Dörfern selbst ist man gegenüber steigendem Tourismus eher skeptisch. Insofern sind wir vom Verkehrsverein vorsichtig mit Neuprojekten. Die Mosliger lieben ihre Ruhe und möchten, dass wir gut zum Dorf- und Landschaftsbild schauen.

Vor mehreren Monaten war im Toggenburg von der Lancierung einer touristischen Käsestrasse die Rede. Wie steht es um das Projekt?
Bruno Kaufmann
: Die Initiative ging von der benachbarten Gemeinde Lichtensteig aus.  
PhilippSchneider: Ja, die Obertoggenburger wollten auch für uns Untertoggenburger schauen. Aktuell wurden Käser- und Gas- trogruppen gebildet, um das Projekt voranzutreiben. Konkret ist uns aber nichts weiter bekannt. Es braucht wohl noch Zeit.

In vielen Regionen klagt man über Fachkräftemangel. Auch bei Ihnen in Mosnang?
Bruno
Kaufmann: Eine Katastrophe im Käsereigewerbe! Wir finden keine gut ausgebildeten Fachkräfte.
Max Gmür: Bruno, bildest du Lernende aus? 
BrunoKaufmann: Nein. Aber Lernende findet man durchaus in der Region, da es noch viel Bauernfamilien gibt. Aber wenn du ausgebildete Käser suchst, findest du fast niemanden. Vor Jahren haben sich auf mehrere Inserate lediglich zwei Bewerber gemeldet. 
Philipp Schneider: Ich bilde derzeit fünf Lernende aus, vier in der Küche, einen in der Restauration, merke aber seit einiger Zeit, dass die Zahl der Bewerbungen zurückgeht. Ich möchte jedes Jahr mindestens eine Stelle in der Küche besetzen. Das sowie auch gute Ausgelernte zu finden, wird immer schwerer. Die Gemeinschaftsgastronomie ist für uns eine grosse Konkurrenz.

Wegen der höheren Löhne? 
Philipp
Schneider: Ja. Aber in puncto Arbeitszeit können wir jetzt mithalten. Seit wir jeden Tag offen haben, arbeiten meine Mitarbeiter vier Tage die Woche. In drei Schichten und ohne die verpönten Zimmerstunden. Sie arbeiten die 42 Stunden in vier Tagen. Dafür haben sie zwei fixe Tage am Stück frei. Der dritte freie Tag variiert, freitags, samstags oder sonntags. Somit haben sie jeden dritten Samstag/Sonntag frei. Wir haben dadurch unsere Produk-
tionsabläufe optimiert und sind attraktiver für Mitarbeiter geworden. Wir haben das Glück, dass unsere Köche aus der Region sind, aber wenn einer von ihnen geht, wird es schwierig, jemanden aus der Region zu finden. Deshalb auch unsere Bemühung, flexiblere Arbeitszeiten anzubieten. 

Pal Laska, wie sieht es bei Ihnen aus?
Pal
Laska: Wir sind ein kleiner Familienbetrieb und suchen höchstens Aushilfen – beispielsweise für abends. Aber auch das ist wirklich schwierig.  

Max Gmür, trifft das auch auf andere Branchen zu? 
Max
Gmür: Ja, wobei man sagen muss, dass wir derzeit schweizweit in den Lehren mit geburtenschwachen Jahren zu kämpfen haben.  

Pendelt der Mosliger zur Arbeit in grössere Städte? 
Max Gmür: Ja, zum Teil. Auffällig bei uns ist, dass fast alle Oberstufenschüler eine Lehre beginnen. Die gewerbliche Lehre hat in der Region nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Die Mosliger sind heimatverbunden, zeigt sich das auch im Vereinsleben? 
Max
Gmür: Ja, alle sind sehr aktiv. Und mit den Seilziehern und Radballern sind die Mosliger sehr erfolgreich. Und das nicht nur national, sondern auch im Ausland. Viele wissen gar nicht, dass unsere jungen Seilzieher und Radballer um die halbe Welt reisen. So bodenständig der Mosliger ist, er nimmt auch von aussen etwas mit. 

Wie würden Sie den typischen Mosliger beschreiben.  
Max
Gmür: Bodenständig, zurückhaltend und, was Trends anbelangt, eher pragmatisch abwartend. Für meinen Geschmack könnte der Mosliger manchmal etwas forscher sein.

Pal Laska, Sie sind erst vor zwei Jahren nach Mosnang gezogen. Wie sind Sie im Dorf aufgenommen worden?
Pal Laska
: Sehr gut. Ich habe in vielen Orten in der Schweiz gelebt, aber so gut wie hier bin ich nirgendwo aufgenommen worden.

Apropos einmalig. Es ist zwar jetzt Sommer, aber nicht unerwähnt soll bleiben, dass Mosnang für den grössten Adventskranz der Welt steht.
Max
Gmür: Richtig. Und damit stehen wir seit 2017 im Guinness-Buch der Rekorde. Auf die Idee kam vor Jahren der Mosliger Pius Hollenstein. Ich war OK-Präsident. Der Adventskranz hatte einen Durchmesser von 120 Metern und war 400 Meter lang. Rund 400 Mosliger haben 6000 Stunden daran gearbeitet. Und es kamen vor zwei Jahren zirka 20 000 Besucher nach Mosnang.

Und welchen Rekord brechen die Mosliger als Nächstes?
Max
Gmür: (lacht) Warten wir ab, auf welche Ideen wir noch kommen.

(Gesprächsleitung Jörg Ruppelt)