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Wundersame Welt der Äpfel

In den Obstgärten von Hans-Rudolf Schweizer gedeihen über 250 alte Apfelsorten. Die seltenen Exemplare erfreuen neben Köchen auch Mostproduzenten und Kosmetikhersteller.

  • Die rotfleischigen Äpfel sind nicht nur schön anzuschauen. Sie verfügen über hohe Mengen an Antioxidantien und sind als Saft eine Rarität. (Bilder ZVG)
  • 1994 musste sich Hans-Rudolf Schweizer entscheiden, ob er Äpfel im grossen Stil anbaut oder alte Sorten am Leben erhalten möchte. Er hat richtig entschieden.
  • Im Restaurant Sonne in Neukirch an der Thur wirtete Hans-Rudolf Schweizers Familie 220 Jahre lang. Er ist dort aufgewachsen.
  • Christian Consoni ist CEO der Ramseier Suisse AG mit Sitz in Sursee. Das Interview sehen Sie in voller Länge untern.

Hier gehört er hin. Hier wurde er geboren. Hier lebt er und hier wird er bleiben: im kleinen Dorf Neukirch an der Thur/TG. Seit rund 450 Jahren bauert die Familie von Hans-Rudolf Schweizer hier und baut Äpfel an. Das Bauern hat er inzwischen aufgegeben, die letzten Schafe verkauft: Sie haben sich an den Rinden der Apfelbäume gütlich getan. «Wir mussten uns entscheiden: entweder die Schafe oder die Apfelbäume. Natürlich blieben die Apfelbäume.» 1000 sind es an der Zahl. Aber das ist nicht das Besondere an diesem Hain in Mostindien, wo mit Abstand die meisten Apfelbäume der Schweiz stehen. Nein, das Besondere daran sind die über 250 verschiedenen Sorten, die auf diesem Hochplateau gedeihen, das von der Thur beinahe umrundet wird. Über 250 schönste, vergessene und vom Aussterben bedrohte Apfelsorten. 25 Prozent aller Schweizer Sorten wachsen auf diesem Boden, 15 Sorten nur hier. Viele stammen aus der Umgebung. Doch manche haben den langen Weg von Japan, Ungarn, Tasmanien oder gar China und Kasachstan – den Wiegen der Äpfel – zu Hans-Rudolf Schweizer gefunden, und er hat sie veredelt. 100 Sorten hat der Bund nach Neukirch gebracht. Viele sind von Pro Specie Rara, einer Organisation, die sich für den Erhalt von seltenen Sorten, Rassen und Pflanzen einsetzt.

Nun ist Hochsaison. Seit August nimmt der 71-Jährige gemeinsam mit seiner Frau Brigitte die reifen Äpfel zusammen. Täglich, bis Mitte November alle Äpfel geerntet sind. Erst werden einige von den Bäumen gepflückt, getrennt und angeschrieben aufbewahrt. Die allermeisten aber werden von den Bäumen geschüttelt und von einer Maschine eingesammelt. Diese Früchte werden von der Mosterei Möhl und dem Getränkeproduzenten Ramseier vermostet. 

«Bis Ende Jahr werden wir wohl ungefähr 1000 Kilogramm Äpfel zusammengenommen haben», so der grosse rüstige Mann. 400 von seinen 1000 Bäumen hat er an einen benachbarten Bauern vermietet. Vermietet, wie er betont. Sie zu verkaufen brächte er nicht übers Herz.  

Um zu testen, welche Äpfel reif sind, macht Hans-Rudolf Schweizer den Biss- und Geschmackstest. Im Herbst esse er wohl zwischen fünf und sechs Äpfel pro Tag. Sonst zwei bis drei. Gut verständlich. Wer hier in einen Apfel frisch ab Baum beisst, weiss wieder, wie ein  Apfel eigentlich schmecken sollten: süss und sauer zugleich, mal mit einem Hauch Zitrone, mal mit Ananasgeschmack. Es knackt und saftet im Mund – ein wahrer Genuss. Man möchte mehr davon.

«Ich bin unter Obstbäumen gross geworden.» - Hans-Rudolf Schweizer Obstbauer


Zu fast jedem Baum weiss Hans-Rudolf Schweizer eine Geschichte zu erzählen. Beinahe zärtlich nimmt der stämmige Obstbauer die Früchte in die Hand: «Das ist der Sternapi. Er kann erst um Ostern gegessen werden, vorher ist er steinhart.» Diese Sorte wurden von den Römern in die Schweiz gebracht. 

Den Namen hat sie von seiner Form. Sie ist fünfeckig, was der botanischen Urform von Äpfeln entspricht. Doch dem nicht genug. Einige Bäume weiter weist der Obstbauer auf den Winterkalville – auch Paradiesapfel genannt – hin. Dieser Apfel verfügt gar über zehn Ecken. Zudem weist er den höchsten Vitamin-C-Gehalt unter Äpfeln auf. 

Die Zitronen, Himbeeren und Bananen unter den Äpfeln

Die Früchte leuchten da Zitronengelb, dort scheinen sie auberginefarbig zu sein. «Das ist die Zitronenreinette, der violette ist der Himbeerapfel», weiss der Obstbauer. Es wird sogar noch bunter, und wir stossen auf Äpfel, die nach Birnen schmecken und auf Bananenäpfel. Sie sind gelblich und mit braunen Punkten versehen. «Mit viel Fantasie schmecken sie auch nach Bananen», lacht der gutgelaunte Thurgauer, der 20 Jahre lang in der Lebensmittelindustrie gearbeitet hat. 

Der berühmteste Apfel aber ist farblich, geschmacklich sowie von der Form her ziemlich unscheinbar. Doch ist er in zahlreichen Magazinen und Zeitungen weltweit erschienen: der Uttwiler Spätlauber. Wegen seiner feinen Haut und langen Lagerfähigkeit – er schrumpft sozusagen nicht – wird aus seinen Stammzellen eine Anti-Aging-Creme hergestellt. «Sogar Michelle Obama benutzt sie», so der stolze Besitzer dieser Wunderfrucht. Regelmässig arbeiten Mitarbeiter von Forschungsanstalten im Apfelhain. Sie wollen etwa herausfinden, ob die Namen der Äpfel stimmen oder ob sich neue Sorten züchten lassen, die zum Beispiel resistent sind gegen Feuerbrand. 

Doch nicht nur Forscher und Kosmetikfirmen zeigen Interesse an Hans-Rudolf Schweizers Äpfeln. Auch Köche schätzen die Sorten-, Farben- und Geschmacksvielfalt: «Ich bestelle immer die Bismarck- Äpfel», sagt Cäcilia Willi, Geschäftsführerin des Restaurants Sonne in Neukirch an der Thur. Daraus stellt sie Apfelchüechli her. «Die spezielle Säure dieser Äpfel eignet sich perfekt dafür», so die Gastronomin. Mit den rotfleischigen Äpfeln dekoriert sie gerne ihre Desserts. Die Zusammenarbeit mit Cäcilia Willi schätzt der Neukircher besonders. Ist er doch in der «Sonne» aufgewachsen: Seine Familie hat 220 Jahre lang dort gewirtet. Seit Jahren liefert er seine alten Sorten auch in den «Quellenhof», der zum Grand Resort Bad Ragaz gehört, und ein Kochclub bestelle regelmässig einige seiner Raritäten.

Roter Apfelsaft wirkt wie Medizin

Der Obstbauer presst die rotfleischigen Äpfel zu rotem Apfelsaft. Rund 100 Liter verkauft er davon. Zudem macht er getrocknete Apfelstückli daraus. Rotfleischige verfügen über sehr viel Säure und Antioxidantien. Ihnen wird nachgesagt, dass sie das Altern der Haut verzögern. «Diese alten Sorten verfügen über mehr Antioxidantien als Aroniabeeren. Sie sind wie Medizin.»   

(Sarah Sidler) 


Tag der offenen Tür

Am Sonntag, 4. November, können ab 13.30 Uhr rund 250 verschiedene Apfelsorten degustiert und gekauft werden. Gastronomen sind herzlich willkommen.

Hans-Rudolf Schweizer, Bühlstrasse 4, 9217 Neukirch an der Thur/TG.


Mosterei Möhl eröffnet Schweizer Mosterei- und Brennereimuseum in Arbon

Mit der Eröffnung bietet das Familienunternehmen eine umfassende Erlebnis- und Genusswelt rund um die Saftherstellung. Auf einer Fläche von über 1000 m2 und acht Teilbereichen erwarten die Besucher neuartige Erlebnisformen und Genusswelten. Es werden Einblicke in die Geschichte der Gründerfamilie Möhl gewährt und in die uralte sowie nach wie vor moderne Tradition der Saftherstellung – aber auch Ausblicke in die Zukunft der Cider-Apfelwein Herstellung. Die Besucher erwarten interaktive Prozesserlebnisse, spannende Filmdokumentationen und Köstliches zum Degustieren.
www.moehl.ch


Interview mit Christian Consoni

«Die Ernte ist Gross und die Qualität gut» - Christian Consoni ist CEO der Ramseier Suisse AG mit Sitz in Sursee.

HGZ: Christian Consoni, die Apfel- und Birnenbäume scheinen dieses Jahr besonders ertragreich zu sein. Trügt der Schein?
Christian Consoni: Nein. Die Mostobstverarbeitung ist frühzeitig angelaufen. Gemäss ersten Ernteschätzungen des Schweizerischen Obstverbandes wird mit rund 117 000 Tonnen Mostäpfeln und 11 500 Tonnen Mostbirnen gerechnet.

Wie hoch ist der Ertrag im Vergleich zum Vorjahr?
Da die Mostobstverarbeitung erst angelaufen ist, können wir diese Frage nicht abschliessend beantworten. Im Jahr 2017 wurden gesamtschweizerisch aufgrund des Frosts lediglich 22 000 Tonnen Mostäpfel und 6000 Tonnen Mostbirnen verarbeitet. Aufgrund der Ernteschätzungen rechnen wir dieses Jahr mit einer deutlich grösseren Ernte.

Bringt der hohe Ertrag auch Probleme mit sich?
Da wir im letzten Jahr eine kleine Ernte verzeichnet haben, sind wir darauf angewiesen, mit der aktuellen Ernte unsere Lager wieder füllen zu können. Zudem zeigen die ersten Analysen, dass wir nicht nur mit einer grossen Ernte rechnen dürfen, sondern dass auch die Qualität des Mostobsts sehr gut ist. Eine Herausforderung ist sicherlich, dass bei einer grossen Ernte in einer kurzen Zeitspanne von wenigen Wochen die Äpfel und Birnen in unseren zwei hauseigenen Mostereien verarbeiten werden müssen. Aufgrund unserer über hundertjährigen Erfahrung sind wir jedoch gut gerüstet, um diese Herausforderung zu meistern.

Zu welchen Produkten werden Sie diese Ernten verarbeiten?
Das Mostobst bildet die Basis für unsere natürlichen Ramseier-Obstsäfte. Wir sind bestrebt, immer wieder neue Produkte auf den Markt zu bringen. Das neueste Kind in unserem Sortiment ist der Ramseier Huus-Tee. Dies ist ein Aufbrühtee aus Schweizer Minze, welcher ausschliesslich mit Obstsaft gesüsst wird. Wir freuen uns, dass dieses Produkt bei den Kunden und Konsumenten auf grosse Akzeptanz stösst. 


Mehr Informationen unter:

www.hr-schweizer.ch