Musik ist ein Kommunikationsmittel, das in der Gastronomie noch viel zu wenig genutzt wird. Dabei kann man mit ihr nicht nur die Stimmung der Gäste beeinflussen, sondern auch ihr Konsumations- und Trinkgeldverhalten.
Was haben die Lieder «Orinoco Flow» von der Sängerin Enya, «Grosse Freiheit» von der Gruppe Unheilig und «Santiano» von der gleichnamigen Band Santiano gemeinsam? Sie sind so genannte Auslaufmusik und werden immer dann gespielt, wenn «Mein Schiff 5» «Mein Schiff 3» und die «Aidacara» einen Hafen verlassen.
Jedes Kreuzfahrtschiff oder zumindest jede Reederei hat ihren Auslaufsong. Auf der «MS Deutschland» ist es die Titelmelodie der TV-Serie Traumschiff, auf den Segelschiffen der Windstar Cruises und Star Clippers ist es «Conquest of Paradise». «Time to Say Goodbye» erklingt auf den Schiffen von Princess Cruises und Regent Seven Seas.
Egal ob New Age, Piratensound oder Classic Pop, die Passagiere sind nach der Kreuzfahrt auf diese Lieder konditioniert. Immer wenn sie irgendwo «ihren» Auslaufsong hören, werden sie sich an die Kreuzfahrt erinnern.
Für die Reedereien erfüllt diese Konditionierung einen Werbeeffekt, der nicht zu unterschätzen ist. Er funktioniert allerdings nur, wenn die Passagiere den Auslaufsong mit positiven Emotionen, Erlebnissen und Erfahrungen verbinden. Wer eine Woche lang seekrank war, dem wird bei «Time to Say Goodbye» der Appetit auch an Land vergehen.
Zwar kann man nicht im Voraus wissen, welche Emotionen jemand mit einem bestimmten Lied oder einer Musiksparte verbindet, trotzdem lohnt es sich, über Musik als Kommunikationsmittel im eigenen Betrieb nachzudenken.
Mit welchem Sound werden meine Gäste in unserem Betrieb empfangen? Unterstützt die Musik die Ambiance, die wir für unsere Gäste erschaffen wollen? Und passt die Musikauswahl überhaupt zu unserem Betrieb und der Zielgruppe, die wir ansprechen möchten?
Das sind nur ein paar der Fragen, die man sich stellen sollte. Auch ist es ganz hilfreich, sich mal ein paar Minuten mit geschlossenen Augen ins eigene Lokal zu setzen und sich ganz auf die Hintergrundmusik zu konzentrieren. Ist die Lautstärke angenehm oder ist sie zu laut oder zu leise? Und ist das, was man gehört hat, stimmig zu dem, was man sieht, wenn die Augen wieder geöffnet werden?
Welche Musik in einem Hotel oder Restaurant zu hören ist, sollte ebenso Teil des Betriebskonzepts sein wie das kulinarische Angebot, die Preispolitik oder das Marketing.
Einer, der für sein Lokal ganz bewusst den Soundtrack ausgewählt hat, ist Kevin Fehling. Der Dreisternekoch aus Deutschland liebt Filmmusik. In seinem Restaurant The Table in der Hamburger Hafencity sind dezente Melodien aus Filmen wie «Die fabelhafte Welt der Amélie» zu hören.
Dass man bei mehrgängigen Menüs zu jeder Speisefolge das passende Getränk serviert, ist gang und gäbe. Man könnte nun einen Schritt weiter gehen und jeden Gang mit dem passenden Musikstück begleiten. Das würde nicht nur zum emotionalen Gesamterlebnis beitragen, sondern würde auch die gustatorische Wahrnehmung verändern.
Gemäss Charles Spence, Professor für experimentelle Psychologie an der Universität Oxford, schmeckt den Gästen das Essen beim Italiener oder Griechen nachweislich besser, wenn dort landestypische Musik erklingt.
Charles Spence wollte wissen, wie Gehör und Geschmackssinn zusammenspielen. Er hat Testper- sonen ein bittersüsses Schokoladetörtchen serviert und sie dieses bei unterschiedlicher Musik essen lassen. Das Ergebnis war klar: Bei Musik mit vielen tiefen Tönen schmeckten die Testesser die Bitterstoffe der Schokolade stärker heraus. Bei helleren Liedern mit höheren Tönen trat die Süsse des Schokoladetörtchens in den Vordergrund.
In einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» sagt Professor Spence: «Es ist geradezu fahrlässig, wie Gastgeber mit der Musik in Restaurants umgehen.» Da werde wochen- oder gar monatelang an den Menüs getüftelt, viel Geld in die Einrichtung der Lokale investiert und dann dudelt irgendeine CD-Compilation oder ein Radiosender unmotiviert vor sich hin. Dabei hat doch die Musik einen grossen Einfluss auf das Verhalten der Gäste.
Schon die Lautstärke allein wirkt sich auf den Umsatz aus. Je lauter die Musik in einem Club oder in einer Bar ist, desto mehr Drinks werden konsumiert. Vermutlich, weil man ab 90 Dezibel sich eh nicht mehr richtig unterhalten kann. Ausserdem wird bei dynamischer, lauter Popmusik viel schneller gegessen als bei leichter Klassik. Das kann nützlich sein, wenn man den Tisch am Mittag zwei oder drei Mal verkaufen möchte. Es bedeutet aber auch, dass Zusatzverkäufe wie das Dessert oder der Kaffee nach dem Essen in der Regel wegfallen.
Gäste, die beim Essen im Hintergrund Klassik hören, fühlen sich vornehmer und wohlhabender als sonst. Das kann sich darin äussern, dass der Gast teureren Wein bestellt und ein höheres Trinkgeld gibt.
Apropos Wein – im Dezember 2014 wurde in Christchurch, Neuseeland, die erste Sonic Wine Bar der Welt eröffnet. Hier wird jeder Wein mit dem perfekt dazu passenden Soundtrack serviert. Sollen die Zitrusnoten eines Weins betont werden, bekommen die Gäste auf die Kopfhörer Lieder mit höheren Tönen eingespielt. Zum Herausheben von Holz- oder Schokoladenoten gibt es Lieder mit tieferen Tönen.
Mit dem richtigen Soundtrack kann man nicht nur das Geschmackserlebnis der Gäste steuern, man kann sie auch anlocken oder sie sogar vertreiben. Um Drogenabhängige, Säufer und Bettler vor dem Bahnhof Hamburg fernzuhalten, werden die Bahnhofsvorplätze mit klassischer Musik dauerbeschallt. In anderen Städten werden sehr hohe Töne eingesetzt, um herumlungernde Jugendliche zu vertreiben. Die Töne sind so hoch, dass Erwachsene das penetrante Pfeifen nicht mehr wahrnehmen können, Jugendliche sich aber gestört fühlen.
Auch für Mitarbeitende kann die musikalische Dauerberieselung am Arbeitsplatz nervend sein. Besonders, wenn immer die gleichen Stücke gespielt werden. Deshalb ist, auch wenn man sich auf einen zum Betrieb passenden Musikstil festgelegt hat, Abwechslung wichtig. Morgens beim Frühstück darf ruhig etwas anderes laufen als mittags oder abends. Zudem kann man während des Tages mit der Lautstärke variieren.
Etwas anderes ist es, wenn man zum Beispiel Irish Folk oder Ländlermusik nicht mag. Dann sollte man vielleicht nicht ausgerechnet in einem Pub oder Bergbeizli arbeiten. Was man aber auf jeden Fall machen sollte, ist, auf den herrschenden Schallpegel am Arbeitsort achten. Denn wer konstant und ungeschützt einem Pegel von über 85 Dezibel ausgesetzt ist, riskiert einen irreversiblen Hörschaden.
(Riccarda Frei)
Gehörschutz ist für Arbeitnehmende zwingend, wenn der Lärmpegel am Arbeitsplatz über 85 dB(A) beträgt und dieser Wert nicht durch technische oder bauliche Massnahmen gesenkt werden kann.
Gemäss Artikel 82 des Bundesgesetzes für die Unfallversicherung (UVG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete Schutzausrüstung bereitzustellen.
100 Dezibel sind zu laut. Das finden 40 Prozent der Konzertbesucher. 55 Prozent halten einen Schallpegel von 100 dB(A) für angemessen und nur 5 Prozent der Musikfans hätten den Sound gerne noch lauter.
Zwei Drittel der Frauen finden die Musik in Clubs und Konzerten zu laut.
Schallpegel kann man auch ohne Gerät «messen». Bei 70 dB(A) ist eine Unterhaltung in normaler Lautstärke möglich. Bei 80 dB(A) muss man dazu die Stimme erheben. Bei 90 dB(A) hingegen ist die Verständigung auch mit Rufen schwierig und bei 100 dB(A) kann man sich nur mit grösstem Stimmaufwand austauschen. Ab 105 dB(A) ist keine Verständigung mehr möglich.
93 dB(A) der Schall- und Laserverordnung entsprechend müssen Lokale und Veranstaltungen den zu erwartenden Schallpegel deutlich deklarieren, wenn dieser im Stundenmittelwert über 93 dB(A) liegt.
Quelle: Suva