Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Auf Geschmack, nicht Optik kommt es an!»

Als Executive Chef im Restaurant «1904 Designed by Lagonda» in Zürich hat Thomas Bissegger freie Hand: Glücksfall und Herausforderung zugleich.

Kann in Zürich seine Kreativität ausleben: skv-Mitglied Thomas Bissegger. (ZVG)

Thomas Bissegger, im April hatten Sie Eröffnung, ein halbes Jahr später sind Sie mit 16 Punkten im «Gault Millau» gelistet, zufrieden?
Thomas
Bissegger: Und wie! Allen 14 Mitarbeitenden ist dieser fulminante Einstieg in den Gault-Millau-Führer zu verdanken. Wer mich kennt, der weiss, dass dies ein Ansporn ist, um noch mehr zu erreichen. Zum Beispiel den Michelin-Stern. Wir geben alles und feilen täglich in der Küche an Technik und Geschmack.   

Apropos Geschmack. Sie bezeichnen Ihre Küche als weltoffen und puristisch. Spielen Optik und Geschmack die gleichen entscheidenden Rollen? 
Für mich hat alles, was mir geschmacklich keinen Mehrwert bringt, auf dem Teller nichts verloren. Blüten als Zierde oder Saucenpunkte findet man bei mir nicht. Ich weiss, dass ich damit anecke, aber mein Gast soll den Geschmack meiner Gerichte in Erinnerung behalten und nicht das Aussehen. Natürlich lege ich aber auch Wert auf Geschirr, Gläser und Besteck. Diese müssen mit den Speisen ein harmonisches Ensemble bilden.

Dario Cadonau fungiert als Geschäftsführer. Sie sind Executive Chef. Stimmt für Sie die Rollenverteilung? 
Ja, für mich war von Anfang an klar, welche Verantwortung und Rolle ich im «1904 Designed by Lagonda» habe. Ich wachse jeden Tag an neuen Aufgaben, kann sehr viel selbst bestimmen und entwickle mich weiter.

Zum Auftakt Ihres Acht-Gang-Menüs servieren Sie Rindstatar mit Sauerrahm und Oona-Kaviar im Cornetto, das in einer Holzhand steckt. Wie sind Sie auf diese verrückte Idee gekommen? 
Unsere Arbeit ist Handwerk. Alles, was wir tun, geschieht mit unseren Händen. Also wollte ich einen prägenden Eindruck zum Start unseres Dinners hinterlassen. Ich habe mich vom Restaurant Somni in Los Angeles inspirieren lassen, das schon länger eine hölzerne Hand für Fingerfood verwendet. 

In einem weiteren Gericht wickeln Sie fermentierten Spitzkohl um Kohlenfisch. Ist Fermentation für Sie ein grosses Thema? 
Fermentiert wird schon sehr lange, in jeglicher Form. Wir wollen uns die Eigenschaften der unterschiedlichen Fermentationen zunutze machen und die verschiedenen Gärungen in unserer Küche anwenden. Die enzymatische Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gas oder Alkohol ist zudem geschmacklich sehr interessant.  

«Ich wachse jeden Tag an den Aufgaben und kann viel bestimmen.»
 

Wie funktioniert das konkret mit Spitzkohl?
Die Blätter reibe ich mit Jalapeño-Öl und Fischsauce ein und lege sie dann in eine Salzlake. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Struktur der Lebensmittel durch die Zugabe von Salz verändert, ohne dass man Hitze zugefügt hat. Fermentierte Spitzkohlblätter sind nicht nur länger haltbar, sie haben auch mehr Säure, mehr Saftigkeit und werden knackiger. Ich finde das wahnsinnig interessant.

Für eines Ihrer Desserts vermählen Sie geräucherten Mascarpone mit Rande und Dill. Das ist sehr gewagt.
Oh ja, ist aber keine Erfindung von mir. Erlebnisse in Stockholm brachten mich auf diese Kombination. Es ist eine kleine Hommage an die skandinavische Küche. Dieses Dessert ist keines dieser modischen Gemüsedesserts. Dill habe ich vorher bei Süssspeisen noch nie verwendet.

Zu Ihrem Team gehören mit Jordan Thompson und Dominik Roider zwei Kochnati-Köche. Geben Sie den beiden Tipps mit auf den Weg zur Kocholympiade? 
Ja, wir reden über Trainings und die bevorstehenden Wettbewerbe. Es ist eine grossartige Win-win-Situation, jedoch möchte ich betonen, dass meine komplette Crew eine souveräne Arbeit leistet, sich extrem viel einbringt und wir alle zusammen an unseren Zielen im «1904 Designed by Lagonda» arbeiten. 

Haben Sie selbst nicht wieder Lust, an Wettbewerben teilzunehmen?
Sagen wir es mal so: Ich würde es mir zutrauen. Aber ich habe als Executive Chef meine Challenge und mir hohe Ziele gesetzt. Dies verlangt, jeden Tag in Topform zu sein und keine Kompromisse einzugehen.

(Interview Jörg Ruppelt)


Das Restaurant

Der Name «1904 Designed by Lagonda» steht für die legendäre Marke Lagonda, die ihr erstes Auto 1904 entwickelte. Das gleichnamige Restaurant wurde im April 2019 in Zürich eröffnet. Signature Chef ist Dario Cadonau vom «In Lain» in Brail/GR, 17 Gault-Millau-Punkte, 1 Michelin-Stern. Besitzer sind die Unternehmer und Motorsport-Fans Dr. Andreas Baenziger und Dr. Florian Kamelger. Das Lokal wird von der R-Experience AG betrieben, verfügt über 32 Plätze, eine luxuriöse Lounge und einen begehbaren Weinkeller.