Gaststätten leben davon, Genuss und Erlebnisse zu bieten. Unter anderem mit alkoholischen Getränken. Das reicht einigen Menschen aber nicht. Sie berauschen sich zusätzlich mit illegalen Substanzen.
«Dealer lagern kiloweise Heroin in Thurgauer Hotel.» «Bern: Gast hatte Koffer voller Drogen.» «Schwestern tot im Luxushotel gefunden: Starben sie nach Drogen-Orgie?» – Das sind nur einige der Schlagzeilen, die in den letzten zwei Jahren die Titelblätter von Schweizer Zeitungen füllten. Auch wenn die Gastgeber nicht für das Verhalten ihrer Gäste verantwortlich sind, dem Ruf ihres Hauses und dem der Gastronomiebranche schaden solche Meldungen.
Dass Drogen in Hotels und Restaurants konsumiert, zwischengelagert oder sogar verkauft werden, ist kein Zufall. Gaststätten sind nun mal von ihrem Naturell her offene Häuser, wo sich die verschiedendsten Menschen zwanglos treffen und austauschen. Zudem liegen Hotels, Restaurants und Clubs in der Regel an gut frequentierten, verkehrsgünstigen Lagen. Sie haben meistens mehrere Eingänge. Auch sind sich die Leute, die im Gastronomiebetrieb arbeiten oder in dessen unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, gewohnt, dass ein Kommen und Gehen herrscht. Besucher werden daher selten aufmerksam beäugt. Im Kontrast zu aller Gastfreundlichkeit und Offenheit bieten Hotels und Restaurants gleichzeitig eine gewisse Anonymität. Diese, zusammen mit der professionellen Diskretion der Gastgeber, macht Gastronomiebetriebe seit jeher zur perfekten Lokalität für vertrauliche Treffen. Sei dies ein intimes Têtê-à-Têtê oder ein informelles, politisches Geheimtreffen.
Wohl aus diesen Gründen gibt es kaum Agentenfilme, die ohne Hotelszene auskommen. Meist treffen sich die Spione auffallend unauffällig in der Hotelhalle, an der Garderobe, der Bar oder in den WC-Räumlichkeiten. Dort raunen sie sich geheime Botschaften zu, stecken sich Couverts zu oder vertauschen Aktenkoffer. Was im Film spannend ist, kann in der Realität ruf- oder sogar geschäftsschädigend sein. Welcher seriöse Gastgeber möchte sein Haus als Handelsplatz für dubiose und illegale Geschäfte in den Medien sehen, geschweige denn den Namen seines Betriebes in Zusammenhang mit illegalen Substanzen hören.
Und doch gibt es in jeder Stadt Betriebe, von denen man munkelt, dass sich dort Gäste gerne eine Linie in die Nase ziehen, einen Joint rauchen oder bunte Pillen einwerfen, um unermüdlich Party zu machen.
«Offiziell weiss ich von nichts», sagt ein Luzerner Taxifahrer, der nicht genannt sein möchte. «Aber es kommt vor, dass ein Fahrgast zu einem bestimmten Lokal mit entsprechendem Ruf chauffiert werden möchte. Drückt er mir dann Geld in die Hand und sagt: ‹Warten Sie auf mich, ich muss nur rasch etwas holen› und sitzt er dann fünf Minuten später wieder bei mir im Auto, kann ich mir ja denken, was es da so Dringendes abzuholen galt.»
Cannabis ist seit Jahren die am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Bei einer telefonischen Befragung von Suchtmonitoring Schweiz im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit im Jahr 2015 gaben 6,5 Prozent der Befragten an, dass sie innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumiert hatten. Zum Vergleich: Weniger als ein Prozent der Befragten gab zu, im gleichen Zeitraum andere illegale Substanzen wie Heroin, Kokain oder Ecstasy zu sich genommen zu haben.
Diese Zahlen dürften in Wahrheit um einiges höher liegen, vermutet Suchtmonitoring Schweiz. Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Erstens: Die Chance, Menschen, die Drogen in intensivem Mass konsumieren oder gar süchtig danach sind, mittels einer Telefonbefragung zu erreichen, ist sehr klein. Zweitens: Da die zufällig ausgewählten Befragten sich am Telefon zu einer illegalen Tätigkeit bekennen müssten, dürfte bei den Antworten entsprechend oft geschummelt und beschönigt worden sein. Die Umfrage gibt vielleicht kein scharfes, aber dennoch ein interessantes Bild über den Konsum von legalen und illegalen Drogen.
Dass die Schweizer Bevölkerung sich in der Freizeit gerne an illegalen Substanzen berauscht und in welchem Ausmass sie dies tut, bestätigen Messungen in Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen in Städten. Nach Wochenenden werden dort erhöhte Kokain- und andere Drogenrückstände im Wasser gemessen. Bei Grossanlässen wie zum Beispiel der Street Parade soll der Wert illegaler Substanzen sogar bis zu viermal höher liegen als an normalen Wochenenden.
8,4 Prozent der Bevölkerung konsumieren zumindest zwei Substanzen in erhöhtem Ausmass. In der Regel handelt es sich dabei um tägliches Rauchen kombiniert mit Alkoholkonsum. Auffallend ist, dass Menschen mit erhöhtem Alkoholkonsum häufiger täglich rauchen als Personen ohne erhöhten Konsum von Alkohol. Die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen ist besonders exponiert.
Erhöhter Alkoholkonsum geht auch gerne Hand in Hand mit erhöhtem Cannabiskonsum. Bei den 15- bis 29-Jährigen vervierfacht sich ihr Cannabiskonsum, wenn sie oft Alkohol trinken. Ob jemand zu legalen Drogen wie Tabak und Alkohol greift oder illegale Substanzen konsumiert, ist grundsätzlich seine Privatsache. Schwieriger wird es, wenn der Konsum oder gar der Handel dieser Substanzen in einem Gastronomiebetrieb stattfindet.
Zwar ist der Gastgeber nicht verpflichtet, die Polizei zu informieren, wenn er Gäste beim Kiffen, Koksen oder Einwerfen von Partydrogen erwischt. Schaut er einfach weg und tut so, als hätte er nichts bemerkt, macht er sich im Sinne des Strafgesetzbuches nicht strafbar. «Allerdings wird ein seriöse Betreiber eines Hotels, Restaurants oder Clubs bei entsprechenden Erkenntnissen vermutlich doch eine Meldung machen. Er hat selber ja kein Interesse an unter Drogeneinfluss stehenden Gästen», sagt Anita Senti, Mediensprecherin der Kantonspolizei Graubünden. Das Problem dürfte für Gastgeber jedoch sein, überhaupt zu merken, dass in ihren Räumen oder auf ihrem Areal illegale Drogen ein Thema sind.
Etwas anders ist dies beim übermässigen Konsum von Alkohol, der Volksdroge Nummer eins. Hier verstösst der Gastgeber gegen das Gesetz, wenn er den Jugendschutz nicht einhält. Aber auch, wenn er übermässigem Alkoholgenuss Vorschub leistet, obschon er wissen sollte, dass dadurch jemand ernstlich gefährdet wird. Das kantonale Gastwirtschaftsgesetz von Graubünden beispielsweise sieht als Strafe für den Gastgeber Bussen vor. Und bei wiederholter Widerhandlung sogar den Entzug der Bewilligung für gastgewerbliche Tätigkeiten.
Es ist also im Interesse des Gastgebers, die Augen offen zu halten. Die Polizeisprecherin rät: «Mitarbeitende sensibilisieren, Problem erkennen durch Beobachten und im Verdachtsfall Meldung an die Polizei erstatten.»
«Das Fehlverhalten von Gästen, die offensichtlich im Drogenrausch sind, wird in unseren Betrieben nicht geduldet. Sie werden des Lokals verwiesen. Dies kann bis zu einem offiziellen Hausverbot führen», sagt Tina Candrian, Mediensprecherin der Candrian Catering AG.
Das Familienunternehmen betreibt insgesamt 36 Restaurants und Take-aways, zwölf Bars, neun Cafés, drei Hotels und einen Catering Service. Die meisten davon im Grossraum Zürich und am Hauptbahnhof. Insgesamt arbeiten rund 1000 Mitarbeitende in den unterschiedlichen Betrieben der Candrian Catering AG.
Für sie gibt es klare Verhaltensregeln im Umgang mit berauschten Gästen. «Mitarbeitende informieren ihre Vorgesetzten. Diese entscheiden über weitere Massnahmen. Grundsätzlich gilt es, Ruhe zu bewahren, damit weder Mitarbeitende noch Gäste gefährdet werden. Im Fall eines Vergehens in einem unserer Betriebe im Hauptbahnhof Zürich wird die Überwachungszentrale eingeschaltet», erklärt Tina Candrian.
Der Umgang mit Drogen im Mitarbeiterstab ist ebenfalls geregelt. Im Handbuch, das jeder und jede bei Stellenantritt erhält, ist festgehalten, dass der Konsum von Drogen und Alkohol vor und während der Arbeit verboten ist. «Verstösst jemand offensichtlich gegen diese Vorgabe, muss er im äussersten Fall mit einer fristlosen Kündigung rechnen.»
Auch bei den Accor-Hotels gilt ein striktes Alkohol- und Drogenverbot für Mitarbeitende. «Tritt dieser Fall trotzdem ein, suchen wir das Gespräch und entscheiden auf Basis der Umstände über geeignete Massnahmen», sagt Philippe Alanou, COO Accor HotelServices Schweiz. Er ergänzt: «Im Bereich Prävention sensibilisieren wir vor allem Mitarbeitende, die sich mit der Ausbildung junger Menschen beschäftigen, darauf, den Dialog mit Lernenden zu pflegen und ihnen Unterstützung zu bieten.»
Sportler werden beim Verdacht auf die Einnahme illegaler Substanzen zum Drogentest (Urinprobe) geschickt. Darf man das mit Mitarbeitenden auch tun? «Nein, das darf man unter keinen Umständen», stellt Stefan Unternährer, Leiter Sozialpolitik und Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union, klar. Hinschauen und das Problem thematisieren hingegen sollte man schon. Denn Arbeitgeber haben Angestellten gegenüber eine Fürsorgepflicht.
Diese gilt in besonderem Mass für minderjährige Angestellte, die im Mitarbeiterhaus fern der elterlichen Aufsicht wohnen. Dass die Jungen etwas erleben oder ausprobieren wollen und dabei vielleicht auch mal über die Stränge schlagen, ist normal. Stefan Unternährer setzt deshalb auf den gesunden Menschenverstand und sagt: «Nicht jeder Konsum ist gleich eine Sucht.»
(Riccarda Frei)
Diese private Stiftung verfolgt den gemeinnützigen Zweck, Probleme zu verhüten oder zu mindern, die aus dem Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen hervorgehen. Die Stiftung mit Sitz in Lausanne wurde 1902 gegründet. Auf ihrer Webseite findet man Infos zu Drogen, verschiedensten Süchten, Statistiken, Tipps und Selbsttests.
<link http: www.suchtschweiz.ch>www.suchtschweiz.ch
Das Suchtmonitoring Schweiz ist ein Berichterstattungssystem. Es sammelt repräsentative Daten der Schweizer Wohnbevölkerung zum Thema Sucht und Risiko des Konsums psychoaktiver Substanzen wie Tabak, Alkohol, Cannabis, Amphetamine, Schlaf- und Beruhigungsmittel.
<link http: www.suchtmonitoring.ch>www.suchtmonitoring.ch
Der Verein für Suchtprävention betreibt die Fachstelle suchtinfo.ch und hält Angebote zur Verhaltensprävention für Schülerinnen und Schüler bereit.
<link http: www.suchtinfo.ch>www.suchtinfo.ch
Safe Zone ist das schweizerische Portal für Online-Beratung zu Suchtfragen für Betroffene, deren Angehörige und Nahestehende, für Fachpersonen und Interessierte. Alle Beratungsangebote sind kostenlos und anonym.
<link http: www.safezone.ch>www.safezone.ch
Die Webseite saferparty.ch ist ein Angebot des Sozialdepartements der Stadt Zürich. Sie wird betreut durch die Jugendberatung Streetwork. Diese berät und begleitet junge Menschen bis 28 in Krisensituationen und ist in der Partydrogenprävention aktiv. Das Angebot kann kostenlos und anonym beansprucht werden.
<link http: www.saferparty.ch>www.saferparty.ch
Das Amt für Gesundheitsvorsorge St. Gallen betreibt die Abteilung Zepra. Unter der Rubrik Suchtprävention stellt es Material zur Unterstützung der Gastronomie zur Verfügung. Checklisten, Rezepte für alkoholfreie Drinks sowie eine alkoholfreie Bar zum Mieten.
<link http: www.zepra.info suchtpraevention>www.zepra.info/suchtpraevention
Dies ist nur eine kleine Auswahl an Beratungsstellen. Praktisch jeder Kanton hat eine eigene Beratungsstelle, die dem Gesundheitsamt oder dem Sozialdienst angegliedert ist.