Der Städtetourismus ist im Wandel. Die Veranstaltung Zürich Experience zeigte: Was für die Bevölkerung gut ist, gefällt auch den Touristen.
Zürich Tourismus will eine lebenswerte Stadt für Bevölkerung und Touristen gleichermassen. (Zürich Tourismus)
Die Prognosen für den Städtetourismus sehen gut aus – das stellte Guglielmo L. Brentel, Präsident von Zürich Tourismus, in seiner Begrüssung fest: «Gerade mittelgrosse Städte wie Zürich erfreuen sich derzeit grosser Beliebtheit. Wir können uns über eine weiter steigende Nachfrage freuen.» Die Herausforderung dabei: Qualitätstourismus zu erhalten und Overtourism möglichst zu vermeiden. Das Rezept: «Wir wollen nicht mehr Gäste anziehen, sondern mehr Übernachtungen generieren.» Das soll unter anderem mit der Zürich Card gelingen. Dank dieser wird Zürich zum Eintrittsticket für die gesamte Region und die Schweiz – unter anderem gibt es Vergünstigungen für Touristenmagnete wie den Titlis oder das Jungfraujoch.
Über eines war man sich an der Tagung im «The Circle» am Flughafen Zürich einig: Zustände wie in Barcelona oder Venedig, wo die Einheimischen sich vehement gegen den Tourismus wehren, müssen in der Schweiz verhindert werden. «Wenn es den Einheimischen gut geht, gefällt es auch den Touristen», sagte die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Die Bevölkerung selbst solle zur Zielgruppe von Tourismusmarketing-Organisationen werden – indem beispielsweise Gästekarten oder vergünstigte Tageskarten auch für sieerhältlichsind. OderindemVeranstaltungen sowohl für Einheimische wie auch für Auswärtige konzipiert werden – wie beispielsweise eine Frauenfussball-EM oder ein Food Festival.
Wie diese sogenannte «Visitor Economy», welche auch die Interaktion von Gästen mit der lokalen Gemeinschaft und Wirtschaft betrachtet, in der Praxis aussehen kann, zeigte Daniela Kolesa auf, Director Destination Management bei Wien Tourismus. «Zürich und Wien belegen gemäss Global Liveability Index gemeinsam den zweiten Platz bezüglich Lebensqualität – das ist ein Faktor, der völlig unterschätzt wird», sagte sie. In Wien frage man sich seit 2018 nicht mehr, was die Stadt für den Tourismus tun kann – sondern was der Tourismus für die Stadt tun kann. Das Marketing spreche nur noch den Wunschgast an: jenen, der sich für Kunst und Kultur interessiert, sich respektvoll verhält und bereit ist, auch mal etwas mehr Geld auszugeben. Mit Touroperators, die Gruppenreisen anbieten, arbeite man hingegen nicht mehr zusammen. «Wir müssen unsere Städte für die Zukunft wappnen, um das Wachstum nachhaltig zu gestalten», zeigte sich Kolesa überzeugt.
Am allgegenwärtigen Thema KI künstliche Intelligenz kam auch die Zürich Experience nicht vorbei. Philosoph Richard David Precht erörterte, wie diese die Arbeitswelt künftig verändern könnte. «Lange ging man davon aus, dass insbesondere geistige Routinearbeiten durch künstliche Intelligenz wegrationalisiert würden», sagte er. «Mittlerweile zeigt sich allerdings, dass kreative Tätigkeiten viel stärker gefährdet sind.» Ob beispielsweise der Tatort künftig noch von einem Drehbuchautor geschrieben werde, wage er zu bezweifeln.
Der Tourismus sei aber das beste Beispiel dafür, dass Jobs nicht zwingend verschwinden, nur weil KI sie übernehmen könnte. «An der Réception bräuchte es schon längst keine Menschen mehr – dennoch verzichten die meisten Hotels dort nicht auf ihre Mitarbeitenden.» Denn gerade die Hotellerie und Gastronomie leben vom menschlichen Kontakt, den sich die Gäste auch künftig wünschen – in einer zunehmend digitalisierten Welt vielleicht sogar immer mehr. «Während der Corona-Pandemie fragte man sich, ob Events künftig nur noch online stattfinden werden. Doch es hat sich gezeigt, dass die Menschen den direkten Austausch danach umso mehr schätzten.» Heute könne man sich mittels virtueller Realität die ganze Welt nach Hause holen. Dennoch bleibt es ein starkes Bedürfnis, selbst an Orte zu reisen: «In einer immer unechteren Welt bleiben Menschlichkeit und Authentizität Werte, die umso gefragter sind.» Beste Voraussetzungen für den Tourismus also.
Richard David Precht, Philosoph
Wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte, zeigte Zukunftsforscher Joël Luc Cachelin auf. Möglich sind beispielsweise sogenannte 15-Minuten-Städte, in denen alles Wichtige wie Arzt, Einkaufen und Schule innerhalb von 15 Minuten zu Fuss oder per Velo erreichbar ist.
Ebenfalls eine Rolle wird die «Healing Architecture» spielen: Architektur, die den Menschen gesünder machen soll – mit viel Grünflächen, natürlichen und unbehandelten Materialien, Aussicht auf Parks und genügend Rückzugsräumen. Ein Trend, der auch in der Hotellerie und Gastronomie immer mehr ankommt. Und nicht zuletzt wird die Kreislaufwirtschaft immer wichtiger – und dadurch der Fokus auf immateriellen statt materiellen Konsum. Die Menschen kaufen künftig Erlebnisse statt immer mehr Dinge – eine Entwicklung, welche die Tourismusbranche freuen dürfte.
(Angela Hüppi)
Die Zürich Experience ist das Gipfeltreffen für den Schweizer Städtetourismus und findet seit 2024 in Zürich statt. Neben spannenden Fachreferaten kommt auch das Netzwerken nicht zu kurz. Die dritte Ausgabe findet am 27. August 2026 statt.