Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Kochen ist noch besser als Skifahren»

Christian Vogel wollte Spitzensportler werden, doch es sollte anders kommen. Heute ist er Spitzenkoch und ein gutes Vorbild in Sachen Resilienz*.

Christian Vogel ist überzeugt: «Aus schwierigen Lebensphasen lernt man mehr und wird stärker, als wenn immer alles rund läuft.» (ZVG)

HGZ: Christian Vogel, Sie waren ein hoffnungsvolles Skitalent und erst 15 Jahre alt, als ein Sportunfall Ihre Profi-Karriere vorzeitig beendete. Was hat Ihnen geholfen, mit diesem Schicksalsschlag umzugehen?

Meine Vorliebe für gutes Essen. Dieser habe ich es zu verdanken, dass ich nach dem Unfall rasch eine neue Perspektive fand. Die Knieverletzung und zwei gebrochene Füsse waren ein herber Schlag, schliesslich trainierte ich von klein auf für mein Ziel, Skirennfahrer zu werden. Dementsprechend traurig war ich, den Traum von der Profisportlerkarriere aufzugeben, aber ich fiel dank meiner Leidenschaft fürs Kochen nicht gleich in ein Loch.

Stattdessen machten Sie eine Kochlehre.

Genau. Ich durfte bei Albert Koller im «Rössli» in Steinen/SZ als Koch schnuppern. Das hat mir so gut gefallen, dass man mich abends um 20 Uhr regelrecht aus der Küche verbannen musste, weil ich als Jugendlicher nicht länger arbeiten durfte. Für mich stand sofort fest: Ich werde Koch. Albert Koller stand kurz vor der Pensionierung und nahm keine Lernenden mehr an. Ich habe meine berufliche Grundbildung bei Dorly Camps im Restaurant Bergsonne auf Rigi Kaltbad/LU absolviert.

Würden Sie sich aus heutiger Sicht wieder so entscheiden?

Auf jeden Fall. Ich fahre immer noch sehr gerne Ski und bin mit Ehemaligen aus dem damaligen Ski-Nachwuchskader befreundet. Aber jetzt ist Kochen meine Berufung. Unter uns gesagt: So gross ist der Unterschied zwischen Spitzensport und Spitzenküche nicht.

Welche Parallelen sehen Sie?

Bei beiden Disziplinen muss man unter Druck Höchstleistungen erbringen. Während des Einsatzes ist man wie in einem Tunnel: ganz auf die Aufgabe fokussiert und voller Adrenalin. Ob auf der Piste oder in der Küche, das Resultat ist immer eine Teamleistung. Zwar muss jeder seine Leistung einzeln erbringen, aber ohne gute Teamarbeit ist Erfolg nicht möglich.

Gibt es noch mehr Parallelen?

Die grösste Gemeinsamkeit ist, dass Skirennfahrer und Spitzenköche immer auf der Suche nach Perfektion sind. Es geht ihnen darum, die Ideallinie zu finden und ihr konsequent zu folgen. Dazu müssen sie ihr Material – Ski oder Messer – gut pflegen. Und sie brauchen Leidenschaft, Disziplin, Durchhaltevermögen sowie Mut, um die Komfortzone zu verlassen.

Hat Ihnen der Sport geholfen, diese Fähigkeit zu entwickeln?

Ja. Zudem habe ich im Sport gelernt, Herausforderungen anzunehmen und mit Niederlagen und Rückschlägen umzugehen.


«Mein Rat: Immer positiv bleiben. Krisen dauern nicht ewig.»


Sie sind ein sehr kreativer Koch und Skifahren ist nach wie vor eine ihrer Leidenschaften. Wo sind Sie risikofreudiger: auf der Piste oder in der Küche?

Gute Frage (überlegt). Ich glaube, in der Küche. Ich kombiniere Dinge, von denen andere sagen, das gehe nicht. Ausserdem schmecke ich am Limit ab. Ich koche definitiv ausserhalb der Komfortzone. Die grosse Kreativität, die ich in der Küche habe, gefällt mir sehr. Sie macht das Kochen für mich noch spannender als das Skifahren.

Die Zahl der Jugendlichen, die an schwierigen Situationen zerbrechen und psychisch erkranken, nimmt zu. Welche Tipps zur Stärkung der Resilienz können Sie jungen Berufsleuten geben?

Mir hat geholfen, dass ich neben dem Skifahren noch weitere Interessen hatte. So ist durch den Unfall zwar ein Stück meiner Welt weggebrochen, nicht aber die ganze Welt untergegangen. Mein Rat lautet daher: Es ist gut, ein Ziel zu haben, aber versteife dich nicht darauf. Es gibt immer neue Wege und Möglichkeiten. Sei offen dafür. Selbst die schwierigste Zeit geht irgendwann vorbei. Dieses Wissen hilft mir, auch unter grossem Druck positiv zu denken.

Und wie entspannen Sie sich?

Um Stress abzubauen, gehe ich in die Natur oder powere mich beim Sport so richtig aus. Mit Freunden reden und mit ihnen ein feines Essen teilen, tut mir ebenfalls sehr gut. Will ich den Kopf leeren, lese ich ein Buch oder schaue mir einen Film an.

(Riccarda Frei)

*Resilienz ist die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen möglichst gut zu überstehen und sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Professionelle Tipps, wie man seine Resilienz und die psychische Gesundheit stärken kann, gibt es unter: wie-gehts-dir.ch sowie 147.ch für Jugendliche und 143.ch für Erwachsene.


Zur Person

Christian Vogel, alias Birdy, ist Küchenchef im Restaurant Birdy’s in Brunnen/SZ. Er liebt, mit der Textur von Gemüse zu experimentieren und immer wieder neue Kreationen zu erschaffen. Er ist mit 15 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden. In seiner Freizeit fährt Christian Vogel Ski und Wakeboard, oder er streift durch die Natur und sammelt Zutaten für seine Kreationen.

birdys-brunnen.ch