Der Lockdown hat die Welt der Gastgewerbler verändert. Von heute auf morgen haben viele von ihnen plötzlich sehr viel Zeit. Die HGZ hat sich umgehört, wie sich Betroffene organisiert haben, wie sie sich bei Laune halten und wie sie die ungewollte Pause nutzen.
Stimmen aus der Branche, die laufend ergänzt werden.
Ale Mordasini
Relais Châteaux Krone Regensberg/ZH, Bocuse d’Or-Teilnehmer 2020, skv-Mitglied
Ja, es sind schon crazy Zeiten. Natürlich ist auch bei uns alles heruntergefahren und geschlossen, auch das Hotel. Ich nutze die Zeit vor allem zum Trainieren für den «Bocuse d’Or Europe» in Tallinn im September. In meinem Betrieb, der «Krone» in Regensberg/ZH, gibt es darüber hinaus kreative Tage mit dem Küchenteam. So entwickeln wir das neue Menü für die Wiedereröffnung, Dann machen wir uns Gedanken über zukünftige Projekte, zum Beispiel, wenn wir im Wald sind. Und dann arbeiten wir an ein paar Dingen. Wir haben auch schon ein paar Cupcakes im Dorf verteilt. Und natürlich bleibt mal Zeit für einen selbst, was auch sehr gut ist. Wir freuen uns sehr darauf, wieder loslegen zu können. Wir vermissen unsere Gäste und wollen das Haus möglichst rasch wiederbeleben.
Christa Augsburger
Direktorin SHL, bvhh-Mitglied
«Am Freitag, 13. März 2020 traf an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern das ein, was sich vor Wochen noch niemand vorstellen konnte, uns allerdings von Tag zu Tag immer klarer wurde: Die Schulen mussten ihre Türen schliessen. Doch an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern stand deswegen längst nicht alles still. Seit der Schliessung haben wir die beiden Kadersemester zum Abschluss gebracht, Diplomprüfungen und Abschlussprüfungen mündlich via Videokonferenzen durchgeführt und den Unterricht für die anderen Klassen auf «Distance Learning» umgestellt, sodass der Unterricht ab kommenden Montag wieder für alle weiter- beziehungsweise losgehen wird. Alle Dozierenden und Mitarbeitenden wurden so innert kurzer Frist zu Spezialisten im Unterrichten aus dem Home Office. Auch wurden Büros und Esszimmer zu digitalen Klassenzimmern umgerüstet: Die Fotos an den Wänden von den Liebsten verschwanden, ebenso die vergilbte Pflanze im Hintergrund – ein Geschenk von der Schwiegermutter. Die Stimmung ist gut und alle sind froh, dass es weitergeht, obwohl uns allen die Studierenden fehlen. Ihre Gesichter am Bildschirm zu sehen, ist zwar Trost, aber halt doch ganz anders. Viel beschäftigt haben uns die Studierenden, die im Praktikum sind - irgendwo auf dieser Welt. Viele haben ihre Anstellungen verloren, einige können heimreisen, andere sitzen fest. Wir helfen, wo wir können und freuen uns darauf, alle Studierenden wieder gesund und «live» vor Ort an der SHL zu sehen - irgendwann dann, wenn die Schulen wieder aufgehen werden.»
Rolf Fliegauf
Executive Chef Ecco, Ascona
«Uns hat es im Tessin besonders schwer getroffen, und im Moment steht alles still. Ich nutze die Zeit, um die Beine etwas hochzulegen und auszuspannen, aber auch um private Dinge zu erledigen, die sonst eher keine Priorität haben. Zum Thema Arbeit: Ich werde ab nächster Woche mit meinem Team einen Creativ-Workshop machen, in dem wir uns einmal pro Woche zum Videochat verabreden und dabei über Gerichte, Produkte und Konzepte philosophieren, welche wir dann weiter ausarbeiten. So können wir die Zeit nutzen, um uns für die Zeit nach der Corona-Krise bestens aufzustellen. Im Moment haben wir schliesslich genügend Kapazität, um die Dinge bestmöglich zu planen und zu hinterfragen.»
Pascal Schmutz
Spitzenkoch, skv-Mitglied, Mühle Tiefenbrunnen, Zürich
«Die Krise hat bei mir gleich meinen Stellenantritt in der Mühle Tiefenbrunnen begleitet, wo ich als neuer Gastroleiter tätig bin. Dazu gehören unter anderem das Restaurant Blaue Ente und das Café Kornsilo. Wir lassen den Kopf aber nicht hängen, im Gegenteil. Wir nutzen die Zeit, um uns hier erst recht neu aufzustellen und für die kommende Zeit zu wappnen. Das Service- und Küchenteam hat als erstes Reinigungs- und Aufräumarbeiten erledigt. Dann haben wir zusammen frische Zutaten verarbeitet, Gemüse in Essig eingelegt, Pasta und Ravioli produziert. Dabei geht es auch darum, die Köche zu einem Team zusammenzuführen und sie an meinen Küchenstil zu gewöhnen. Jeden Morgen gibt es ferner ein paar Vorträge. Diese werden von denen aufbereitet, die noch Wissenslücken über Kochtechniken oder Warenkunde haben. So lernen sie spielerisch das jeweilige Thema, und die anwesenden Köche lernen auch etwas dazu. Aus dem Kornsilo haben wir ein kleines Take-away gemacht. Wichtig ist mir hier natürlich, dass nur der Koch da ist, der auch wirklich gebraucht wird.
Diese Woche hilft jeweils ein Teil des Teams freiwillig bei einem unserer Produzenten auf einem Hof aus. Diese Aktion will ich weiterziehen, da es mir wichtig ist, dass meine Leute sich engagieren und sich gleichzeitig weiterbilden. So stärke ich die Bindung zwischen Koch und Produzent. Diese Beziehung ist für mich für unseren Job absolut zentral.
Für mich ist dieses Herunterfahren momentan absolut in Ordnung. Ich prügle kein Konzept nach dem anderen aus meinem Kopf, jetzt liegt der Fokus auf Teambildung und dem Entwurf von Gerichten. Ferner möchte ich gerne auch andere Projekte vorantreiben, dort bin ich dann mehr fürs Design und den Bau verantwortlich.»
Nadja Schuler
Ex-Mitglied Schweizer Junioren-Kochnati und Gastgeberin im Hotel-Restaurant Hirschen in Villigen/AG
«Uns geht es gut und ich bin froh, habe ich endlich die ganzen Lohnabrechnungen hinter mir. Ich dachte schon, ich müsse noch einen Doktortitel abschliessen. Unser Hotel ist nach wie vor offen. Wir sind froh, dass wir nach vielen Stornierungen nun wieder Buchungen haben. Da die Revision in der Axpo ansteht, kommen viele auswärtige Arbeiter. Die Küche hatten wir auf Anhieb zu, jedoch fehlt mir das Kochen enorm. Deshalb habe ich ein Take-away-Konzept entwickelt für Freitag und Samstag, um so vielleicht mit den Einnahmen wenigstens die Sozialleistungen zu decken. Ansonsten geniesse ich meine Kinder. Soviel Zeit hatte ich nicht mehr, seitdem ich 16 Jahre alt war. Nebenbei erledigen wir Arbeiten im Betrieb, welche seit langem gemacht werden müssten – und dafür im bisherigen Alltag keine Zeit war.»
Torsten Götz
TV-Koch, skv-Mitglied, Kulinarische Genusswerkstatt, Unterseen/BE
«So unschön die jetzige Situation ist, kann sie doch für unsere Branche auch eine grosse Chance sein. Ich hoffe sehr, dass wir gestärkt aus dieser schwierigen Zeit gehen und die Gastronomen zusammenstehen werden. Es sind bereits neun Jahre her, seitdem ich als Küchenchef im «Victoria-Jungfrau» zurücktrat und mich mit meiner Genusswerkstatt selbständig gemacht habe. Wir verfolgen mit unserem kleinen Team verschiedene Standbeine, die nun aber alle ob der bundesrätlichen Verfügung derzeit nicht mehr funktionstüchtig sind. Bis Ende Mai wird es voraussichtlich keine Events geben. Meine Mitarbeiter sind alle auf Kurzarbeit. Nur ich als Chef bleibe an Bord und mache mir viele Gedanken über die Zeit nach Corona. Wie soll es dann weiter gehen? Wie schnell wird die Maschinerie wieder anlaufen? Ich vermute, das wird so schnell nicht wieder wie früher sein. Weil wir Köche uns nicht immer nur mit Bürokram, Zahlen und Fakten herumschlagen können, sondern gerne auch etwas für unsere Seele – und die der Gäste – tun, haben wir zudem einen Lieferservice ins Leben gerufen. Das ist zugegeben nicht besonders originell. Das machen viele Berufskollegen auch. Doch uns tut das gut. Wir machen das, was wir können: kochen. Und die Freude, die wir damit bei unseren Kunden auslösen, tut uns selber auch gut. Weil in dieser schwierigen Zeit, Engagement von allen gefragt ist, mache ich zudem unentgeltlich bei einem Fernsehprojekt mit Patricia Boser mit. Für ihr Lifestyle-Format auf den Regionalsendern der CH-Medien-Gruppe realisieren wir eine wöchentliche, kurze Kochsendung mit guten Rezeptvorschlägen, die in dieser Zeit die Menschen unterhalten soll.»
Nicole Manser
Housekeeper des Jahres 2020, bvhh-Mitglied, Hotel Bad Horn am Bodensee/TG
«Ich arbeite gerade neu im Betrieb und habe Glück, dass ich trotz Probezeit noch angestellt bin. Momentan habe ich eine Woche Ferien. Danach arbeite ich in Kurzarbeit.
In dieser Zeit machen ich zu Hause viele Spiele mit meiner Familie. Ich gehe auch gerne einmal mehr als sonst üblich joggen und verbringe viel Zeit mit meinem Freund. Wir backen oder kochen gemeinsam und probieren auch gerne etwas Aufwändigeres und Neues aus. Jeden Tag an die frische Luft gehen, gehört auch in dieser Zeit dazu, zum Beispiel spazieren oder auch einen Ping-Pong-Match machen. Wie viele andere auch schauen wir gerne mal bei Netflix vorbei. Was in dieser Zeit auch nicht zu kurz kommt, ist das Zimmer ausmisten und aufräumen.»
Michel Péclard
Pumpstation Gastro GmbH, Zürich
«Dass mit mir Hopfen und Malz verloren ist, das ist vielen klar. Aber denen, die Hopfen, Malz oder auch Gemüse anbauen, denen helfen wir jetzt. Zum Beispiel unserem Gemüsebauern Simon Müller aus Steinmaur/ZH. Der kann nicht mehr auf den Bürkliplatz- und an andere Märkte. Dem Simon haben wir «zägebumm» einen Webshop aufgeschaltet (Simon-Mueller.ch) und einen Lieferservice organisiert. Unsere Crew liefert - social distanziert natürlich - die Ware frisch in Zürich und Umgebung aus. Unserem Zürisee-Fischer Gerny helfen wir die Werbetrommel zu rühren und ebenfalls mit der Auslieferung. Dann helfen wir unserem ehemaligen Schober-Bäcker-Konditor. Einfach allen, die mit uns zu tun haben. Wäre schön, wenn auch die Vermieter in diesem Land Hilfsbereitschaft zeigen würden. Was wir ebenfalls versuchen: investieren und Kapital in Umlauf bringen. Wir sind bei der NZZ, im «L’O Horgen» und in Richterswil mit Bauarbeiten und Renovationen beschäftigt und möchten das, so gut es geht, durchziehen. So bleiben Handwerker ebenfalls im Geschäft.»
Rolf Caviezel
skv-Mitglied, freestylecooking.ch und Restaurant Station 1, Grenchen
«Wir haben sofort alle Register gezogen und ab dem ersten Tag ein Take-away gestartet mit Lieferdienst. Damit wir die Kosten im Griff haben, funktioniert das Take-away bei uns so: Die Kunden melden sich 24 Stunden vorher an. Gemäss diesen Bestellungen produzieren wir. Wir bieten nur ein Menü an. Dieses System klappt sehr gut. Dabei schauen wir, dass wir die lokalen Produzenten einbinden, um so die gesamte Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. Nebenbei wurde das Crafbread immer mehr zum Thema. Wir sind soweit, dass wir in der ganzen Schweiz per Post Brot versenden. Dort geht’s nicht um Masse, sondern wir haben uns auf zwei Brote spezialisiert und je ein Highlight. Momentan ist es das Bärlauch-Sbrinz-Crafbread. Auch das Projekt «Kids, ab an den Herd» läuft weiter. So bieten wir über Youtoube Kurzfilme an für die Kids. Wir nehmen jeden Tag, so wie er ist, sind überglücklich, dass wir gesund sind und kreativ bleiben. Ein Vorteil ist momentan sicher, dass unsere Betriebsstruktur sehr schlank ist und auch angepasst wurde. Ein Prozess, der weiterlaufen wird.»
Daniela Jaun
Servicemeisterin 2012, bvr Mitglied Gastgeberin «Wein und Sein», Bern
«Der Lockdown ist für uns klar eine schwierige Situation, nichts desto trotz kann man dies auch ein wenig positiv sehen und sich kreativ weiterentwickeln. Ich persönlich habe Zeit, wieder einmal alles aufzuarbeiten, was liegen blieb während des normalen Arbeitsalltags. Gleichzeitig nutze ich die Zeit, neue Konzepte für den Sommer zu erarbeiten. Mein ganzes Team macht ebenfalls eine solche kreative Pause und arbeitet an neuen Gerichten und Menüs. Ich schaue positiv in die Zukunft und wünsche allen Gastronomen alles Gute und nur das Beste.»
(Ruth Marending, Jörg Ruppelt)