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Weckruf der «Restgeldempfänger»

Uniterre, die Vereinigung für eine nachhaltige Landwirtschaft, lancierte ein Manifest für einen fairen Markt.

In der Landwirtschaftspolitik und der Nahrungsmittelproduktion läuft einiges schief. Jetzt wollen die Bauern ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. (Keystone)

Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen betrug 2018 brutto 59 Prozent. Ohne den Import von Futtermitteln sinkt dieser auf 52 Prozent. Billigimporte haben Folgen für die heimische Produktion. «Das Preisniveau wird den Importen angepasst», sagte Biobauer Stefan Brunner aus Spins/BE an einer Medienkonferenz. «Nachdem der Handel und die Verarbeitung satte Margen abgeschöpft haben, sind wir Bauern die Restgeldempfänger.»

Ein globales Desaster

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Landwirte aufgefordert, mit allen Mitteln viel und möglichst günstig zu produzieren. Fragen zur Umwelt und zum Tierwohl wurden damals nicht gestellt. Heute stösst die Lebensmittelproduktion an ihre Grenzen. Die Industrialisierung der Landwirtschaft hat einerseits eine massive Umweltverschmutzung durch Brandrodungen, Dünge- und Spritzmittel sowie Treibhausgase aus der Massentierhaltung zur Folge. Andererseits führt die Standardisierung der Lebensmittel zu Geschmacksverlust. Was nicht der Norm entspricht, bleibt als Food Waste auf dem Feld zurück – mit Aufwand, aber ohne Ertrag für die Produzenten. Derweil sind Gastronomen und Konsumenten nicht bereit, mehr für Lebensmittel zu bezahlen, entsorgen jedoch 30 Prozent als Food Waste im Abfall. 

Noch ein Beispiel, das Uniterre sauer aufstösst: Während im vergangenen Jahr der Brotpreis um acht Prozent auf 7.60 Franken pro Kilo anstieg, sank der Preis für Brotgetreide um 20 Prozent auf 53 Rappen pro Kilo. Die Landwirte müssten mindestens einen Franken für IP-Getreide und 1.20 Franken für Bio-Getreide erhalten. Gemäss Zahlen von Swiss Granum produzierten Schweizer Landwirte in 2017 rund 400 000 Tonnen Brotgetreide. Dazu kommen kontingentierte und besteuerte 70 000 Tonnen Brotgetreide-Importe. Importiert wurden zudem 130 000 Tonnen unversteuerte Teiglinge und Aufbackbrote. «In meinen Augen ist es ein Skandal, dass Bäcker Brot und Backwaren aus Schweizer Getreide ebenso wenig deklarieren müssen wie ausländische Aufbackprodukte», sagte Romain Beuret, Landwirt in Courchapoix/JU. «Dass dieses Jahr 25 000 Tonnen bestes Schweizer Brotgetreide zu Tierfutter heruntergestuft und finanziell abgewertet wurden, ist heutzutage eine nicht akzeptable Verschwendung.»

«Von der Produktion zum Konsum – alle müssen ihre Verantwortung wahrnehmen.»
 

Als Folge der Krise in der Landwirtschaft und in der Weinproduktion, haben Bäuerinnen und Bauern von Uniterre ein Manifest für faire Marktregeln lanciert.

Verantwortung übernehmen und die legale Basis dafür schaffen

Die Landwirtinnen und Landwirte sehen sich durchaus selbstkritisch. So fehle es gemäss Vanessa Renfer, Bäuerin und Sekretärin von Uniterre, zahlreichen Sektoren an straffen Strukturen. Noch stünden längst nicht alle Produzenten loyal hinter deren Statuten. «Alle Sektoren müssen ihre Entscheidungen unter Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder und im Hinblick auf die Entwicklung eines nachhaltigen Systems treffen, das auf einer ökologischen und sozial gerechten Produktion basiert», so Vanessa Renfer. In diesem Sinn fordert Uniterre die Politik auf, gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Uniterre ermahnt aber auch die Verarbeitung, den Handel sowie die Gastronomie und die Konsumenten, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

(Gabriel Tinguely)