Mitte Oktober erreicht die Traubenlese im Wallis ihren Höhepunkt. Seit 60 Jahren haben die Brüder Schmid in Salgesch keine Ernte verpasst.
Reinhard Schmid, welche Trauben haben Sie bereits gelesen und welche hängen noch an den Rebstöcken?
ReinhardSchmid: Wir haben alle Pinots, den Gamay und den Cornalin bereits im Fass. Auch die weissen Chasselas, Johannisberg und Muscat sind geerntet. Am nächsten Samstag folgen dann noch Petite Arvine und Syrah.
Sind Sie mit der Qualität der diesjährigen Ernte zufrieden?
Ja, es wird ein sehr guter Jahrgang, eine Freude für den Kellermeister. Wir haben schöne, reife und gesunde Trauben geerntet.
Entspricht die Menge dem langjährigen Durchschnitt?
Mengenmässig ist es eine mittlere Ernte. Aber das passt zu unserer Philosophie. Mit reduziertem Behang echte Genussweine zu vinifizieren, ist unser oberstes Ziel.
1959 gründeten Ihre Eltern das Weingut. Wie haben Sie das erlebt?
Meine Eltern kelterten schon früher für den Eigengebrauch und verkauften Wein in kleinen Holzfässern. 1959 füllten sie erstmals Wein in Flaschen, und der legendäre Dôle «Männerträne» war geboren. Seither tragen die Weine Phantasienamen. Später erwarben meine Eltern weitere Rebberge und bauten das Angebot der Nachfrage entsprechend aus. Wir Jungen wurden früh in die Reb- und Kellerarbeiten einbezogen.
Sie und Ihr Bruder Christian haben 1991 übernommen. Welches waren seither die Meilensteine?
Schon unser Vater hielt die Qualitätsstandards hoch. Wir wurden Mitglied der Schweizerischen Vereinigung der Selbstkelternden Weinbauern und sind Gründungsmitglied des Qualitätslabels «Grand Cru Salgesch». Wir praktizieren seit jeher einen naturnahen Weinbau. Heute sind wir in Umstellung für die Bio-Knospe. Die Weinschmiede sind eine etablierte Marke und sorgen immer wieder für Überraschungen.
Die Klimaerwärmung ist das Thema der Stunde. Wie erleben Sie diese?
An die Trockenheit sind wir im Wallis gewohnt. Die Hitze im Sommer setzt den Reben und den Menschen zu. Deshalb sind wir frühmorgens in den Reben und vermeiden Rebarbeiten während der Hitze. Zudem überlegen wir, wie wir mittelfristig mit dem Wasser umgehen. Das Tropfsystem wird die Bewässerungsanlage der Zukunft sein.
Sie kultivieren neun verschiedene Rebsorten. Wird es in Salgesch für gewisse Sorten bald zu heiss?
Noch gedeihen die Blauburgunder Trauben wunderbar in Salgesch. Daraus lassen sich Spitzenweine keltern, die international keinen Vergleich fürchten müssen. Es ist kein Geheimnis: Die Tendenz geht hin zu später reifenden Sorten. Auch ich habe kürzlich einen Rebberg mit Syrah, Cornalin und Petite Arvine bepflanzt. Wir beobachten und passen uns an.
Wie wirken sich Hitze und Trockenheit auf den Wein aus?
Wenn ein Rebstock um das Wasser kämpfen muss, wird der Wein edel – vorausgesetzt der Traubenbehang ist nicht zu gross. Dies gilt für ältere Reben. Jungreben müssen regelmässig viel Wasser aufnehmen können, damit sie sich in unseren trockenen, durchlässigen Kalkböden gut verwurzeln. Auch gilt es, die Laubarbeiten zum richtigen Zeitpunkt durchzuführen.
Sie keltern 20 verschiedene Weine. Verlieren Sie nie den Überblick?
Nein, da wir nicht jedes Jahr alle Weine vinifizieren. Wir richten uns nach der Nachfrage und der Leidenschaft des Kellermeisters, etwas Neues zu kreieren. Denn der Wein soll sowohl unseren Kunden beim Geniessen als auch dem Kellermeister bei der täglichen Arbeit Spass machen.
Mehrere Ihrer Weine werden regelmässig an nationalen Wettbewerben auszeichnet. Welches Geheimnis steckt dahinter?
Solides und ehrliches Handwerk. Wir kennen jeden einzelnen Rebstock und gehen liebevoll mit ihnen um. Manchmal sprechen wir sie persönlich an und singen ihnen gar ein Lied. Im Keller lassen wir dem Wein Zeit, fast wie bei einem jungen Menschen, damit er sich in Ruhe entwickeln kann, bis er schliesslich die Flaschenreife erreicht. Häufig lasse ich dabei Musik von Amadeus Mozart laufen. Das inspiriert den Wein wie auch den Kellermeister.
Denken Sie nach 60 Ernten an die Übergabe des Betriebs an die nächste Generation?
Noch sind mein Bruder und ich voll dabei. Die nächste Generation hilft jedoch seit Jahren in den Reben und im Keller.
In zwei Monaten ist Weihnachten. Was trinkt die Familie Schmid zum Festessen?
Zum Apéro werden wir mit Johannisberg «Goldtropfen» 2015 anstossen, der mit einer «Etoile du Valais» ausgezeichnet wurde. Zum Hauptgang trinken wir Pinot Noir «Grand Cru» Salgesch 2017, Goldmedaillengewinner bei Grand Prix des Vins Suisse und beim Mondial des Pinots in 2019.
(Interview Gabriel Tinguely)
Reinhard Schmid hat viele Berufe. Er lernte Mechaniker, Winzer sowie Kellermeister. Zudem arbeitete er als Jugendarbeiter und Qualitätscoach. Heute leitet der diplomierte Berufs-, Studien- und Laufbahnberater das S & B Institut in Bülach/ZH. Reinhard Schmid ist der Kellermeister und Weinmacher auf dem Familienweingut in Salgesch/VS. Sein Bruder Christian Schmid fungiert als Rebmeister. Vom Rebschnitt bis zur Ernte ist er das ganze Jahr hindurch auf Trab.