Das erste Quartal war zu trocken. Darunter leidet die Landwirtschaft. Schweizweit gibt es Versuche, Alternativen zu gängigen Kulturen zu finden, um sich breiter aufstellen zu können.
Reisanbau auf der Alpennordseite? Lange Zeit ein Ding der Unvorstellbarkeit. Doch dank der Klimaerwärmung wird diese Vorstellung immer realistischer. Agroscope, das Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung, betreut zum vierten Mal ein solches Projekt. Das erste Mal wurde in Grenchen/SO Nassreis angebaut, das zweite Mal in Schwadernau/BE und 2020 zum zweiten Mal im Kanton Aargau.
Der Klimawandel fordert die Landwirte heraus. Ihre Produktionsbedingungen dürften von Jahr zu Jahr schwieriger werden. «In Zukunft ist vermehrt mit Starkniederschlägen und Trockenperioden zu rechnen», erläutert Katja Jacot, Projektleiterin Reis bei Agroscope. «Mal hat es zu viel, mal zu wenig Wasser, und beides kann bei gängigen Anbausorten wie Kartoffeln, Mais oder Weizen zu Ertragsausfällen führen.»
Im Mittelland gibt es verbreitet landwirtschaftlich genutzte Böden, die ohne kulturtechnische Massnahmen regelmässig vernässen. Unter ihnen sind ehemalige Moorböden, Böden in Schwemmgebieten oder solche, die durch den Menschen verdichtet wurden. Auch dies führt zu Ernteausfällen.
Der Reisanbau ist für Landwirte in solchen Gebieten eine gute Alternative, da die Böden auf natürliche Weise überschwemmt werden. «Nassreis wird an Orten angepflanzt, wo Wasser bereits vorhanden ist», erklärt Katja Jacot. Die aargauische Versuchsfläche bietet sich für den Reisanbau an, weil sie im Wasserschloss der Schweiz liegt. So wird das Dreieck nahe Brugg bezeichnet, wo Aare, Reuss und Limmat zusammenfliessen. Auch wenn es wegen mangelnder Niederschläge trockene Sommer geben sollte, sei es nicht schlimm, einem Fluss kleine Mengen an Wasser zu entnehmen. «Ein Grossteil des Wassers versickert und gelangt wieder in den Fluss zurück», so Jacot. Durch die temporäre Flutung können sich zudem gefährdete Tiere und Pflan-
zen ansiedeln.
Schweizweit gibt es zahlreiche solche Pilotprojekte; immer auf der Suche nach alternativen Kulturen, die auch bei einer weiteren Klimaerwärmung genügend Ertrag versprechen. Doch was wird längerfristig angebaut? Jürg Hiltbrunner, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agroscope, sagt dazu: «Auch bei erfolgreichem Anbau einer neuen Nutzpflanzensorte entscheidet letztendlich der Konsument, ob sie in kleinerem oder grösserem Stil produziert wird oder gar nicht.»
Dass solche Bemühungen erfolgreich sind, zeigt der Anbau von Süsskartoffeln. Bislang war es der Süsskartoffel in dem weniger warmen Mittel- und Nordeuropa zu kalt. 2014 wagten sich die Landwirte Simon van der Veer aus Sutz-Lattrigen/BE und Christian Hurni aus Fräschels/FR an die exotische Knolle. Heute gibt es in der Schweiz über ein Dutzend Süsskartoffel-Landwirte.
Eine langjährige Erfahrung im Anbau von Alternativkulturen hat auch Amaranth-Anbauer Hanspeter Ryf aus Tenniken/BL. «Besonders das Amaranthmehl eignet sich hervorragend zur Suppenherstellung», so Hanspeter Ryf. «Ich warte schon lange darauf, dass Gastronomen dies für sich entdecken und damit ihren Gästen eine kulinarische Exklusivität anbieten.»
(Ruth Marending)
Die Landwirtschaft erwartet den dritten Dürresommer Europas in Folge. Wann werden wir die heute praktizierte Ackerkultur umstellen müssen?
Pierluigi Calanca: Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich das noch nicht sagen. Drei Jahre in Folge ergibt statistisch gesehen noch keinen Trend. Ähnliche Situationen gab’s schon früher in den 1940er-Jahren, Mitte der 1970er-oder zu Beginn der 1980er-Jahre. Zudem sollten wir nicht vergessen, dass die Pflanzenproduktion auch immer wieder durch zu nasse Bedingungen beeinträchtigt wird wie zum Beispiel 2016. Insofern wäre eine Umstellung auf trockenheitsresistentere Kulturen voreilig, auch weil die sich zuerst auf dem Markt bewähren müssen.
Dann sind die jetzigen Diversifizierungen und Versuche überflüssig?
Nein, das sind sie nicht. Eine Diversifizierung mit neuen, trockenheitsresistenteren Kulturen könnte helfen, das Gesamtrisiko von allfälligen klimabedingten Schäden zu minimieren. Welche Witterung uns die kommenden 10 bis 20 Jahre bringen werden, können wir heute noch nicht sagen.
Schweizer Medien stellten vor ein paar Monaten die Prognose auf, dass gängige Lebensmittel wie etwa die Kartoffel aus unserem Speiseplan verschwinden werden. Wird das eintreffen?
Nein, das denke ich nicht. Wenn wir Kartoffeln essen wollen, also eine Nachfrage dafür besteht, dann werden nicht einfach Kartoffeln nicht mehr angebaut. Sollte es für den Kartoffelanbau zu heiss oder zu trocken sein, kann bewässert werden. Bei Getreide etwa lässt sich über die Sortenwahl zum Beispiel mit frühreifem oder hitzetolerantem Wintergetreide eine Lösung finden.
Pierluigi Calanca ist stellvertretender Gruppenleiter in der Forschungsgruppe «Klima und Landwirtschaft» bei Agroscope, Zürich-Reckenholz.
Mehr Informationen unter:
www.batati.ch
Quinoa verträgt Hitze und Trockenheit gut und wächst problemlos auf kargen Böden. Es wird hauptsächlich in Ecuador, Peru und Bolivien angebaut. Mittlerweile gibt es auch in der Schweiz Kulturen. Der Anbau ist jedoch aufwendig, denn: «Die Felder müssen von Hand gejätet werden», so Samuel Chassot, Landwirt und Quinoa-Anbauer am Fusse des Mont Gibloux/FR.
In der Schweiz werden bislang kaum Artischocken angebaut. Interessant ist der Anbau dann, wenn die Pflanzen überwintert werden können. Dank der laufend wärmeren Winter ist es möglich geworden, mehr Sorten durch die kalte Jahreszeit zu bringen. Das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen in Salez testet seit diesem Jahr diverse Sorten aus dem In- und Ausland auf deren Überwinterungsfähigkeit.
8000 Jahre alte Funde kultivierter Kichererbsen belegen ihren jungsteinzeitlichen Anbau in Kleinasien. Seit dem Altertum wird die Kichererbse in Griechenland und Italien angebaut. In jüngster Zeit wird sie in der Schweiz wieder kultiviert. Der Plantahof, landwirtschaftliche Ausbildungsstätte von Graubünden, führt einen Anbauversuch für einen Lebensmittelverarbeiter durch.
Amaranth ist neben Mais und Quinoa die wichtigste Getreideart der Ureinwohner Südamerikas. Es handelt sich dabei um ein Pseudogetreide. Die weissen Körner können wie Hirse zubereitet, gemahlen oder gepoppt werden. Landwirt Hanspeter Ryf aus Tenniken/BL baut seit über 20 Jahren Amaranth an. Die Erzeugnisse verkauft er online oder über die Müller-Vitalshops.
Die Max Schwarz AG aus Villigen/AG und Agroscope, Kompetenzzentrum des Bunds für landwirtschaftliche Forschung, investieren zusammen mit verschiedenen Landwirten in ein Nassreis-Forschungsprojekt. Auf einer Fläche von 50 000 Quadratmetern zwischen Brugg und Würenlingen wird Reis angebaut. Am Projekt beteiligt sind auch die IG Nassreis, die Berner Fachhochschule, der Kanton Aargau und das Bundesamt für Umwelt.
Vor zwei Jahren startete das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen in Salez mit dem Anbau von Schwefelbohnen als Alternative zu tierischem Eiweiss. Die Schwefelbohne wurde früher im Rheintal zusammen mit Ribelmais auf einem Feld angebaut. Die Schwefelbohnen nutzten den Mais, um hochzuklettern. Mit der Modernisierung der Landwirtschaft in den 1950er-Jahren verschwand jedoch die Schwefelbohne.