Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Ich bin leider einer Liebe nachgereist»

Marcus G. Lindner war auf dem Weg zum Koch des Jahres. Bis sich der Küchenchef nach Zürich verirrte. Nun ist er zurück auf Erfolgskurs.

  • Marcus G. Lindner: höchstes Koch-Level, gepaart mit einer mutigen Prise Lockerheit. Seit dieser Wintersaison ist er Küchenchef im «Leonard’s».
  • Das «Le Grand Bellevue» in Gstaad wird seit 2014 von Daniel Koetser mit viel Charme und Witz geführt. (Bilder ZVG)

Geräuchertes Rucola-Sorbet, eine Röstzwiebelbutter zum Verlieben und ein leicht angeflämmter Saibling mit Apfel und Gurke – schon die Amuse-Bouche sagen es ebenso unaufgeregt wie unmissverständlich: Ich bin wieder da!

Marcus G. Lindner ist zurück. Zurück in Gstaad, zurück auf Erfolgskurs. Die Zeit, in der er auf dem Zürichberg im Restaurant Sonnenberg den unmöglichen Spagat zwischen Spitzenküche und einem Angebot für die breite Masse schaffen musste, hat er hinter sich gelassen. Nun sitzt er im «Leonard’s», dem Spitzenrestaurant des Gstaader Luxushotels Le Grand Bellevue und nippt an einem vorzüglichen Whisky Sour. «Ich wollte den ‹Sonnenberg› auf einem Niveau von 17 Punkten und einem Stern bekochen. Mehr nicht», blickt der Vorarlberger zurück. «Ich stellte mir vor, hinten einen Grill einzubauen, auf dem wir Sushi machen würden. So kannte ich es vom ‹Alpina› und hatte natürlich alle Rezepturen.»

Jacky Donatz warnte Lindner: «Es ist hier nicht einfach»

Frühlingsrollen, Nigiris und Makis wollte er als Nachfolger des pensionierten Jacky Donatz für seine Gäste zubereiten. «Ich fragte Jacky, ob er sich mich als Sonnenberg-Koch vorstellen könnte. Jacky meinte, es sei hier nicht einfach, aber er würde meine Dokumente weiterleiten.»

Nach nur einem Jahr kam das Aus in Zürich. Pächter Freddy Burger plante eine einfachere Gastronomie. Ohne Lindner. Und unter den Spitzenchefs des Landes fragte man sich: Wieso hat Marcus G. Lindner sich das überhaupt angetan? Er, der davor das Gstaader Fünfsternehotel Alpina  (1 Michelin-Stern, 18 Gault-Millau-Punkte) mit harter Arbeit zum Gourmet-Treff aufgebaut hatte und auf bestem Weg zur Auszeichnung «Koch des Jahres» war? Lindner verrät: «Ich bin einer Liebe nachgereist. Es nützte nichts.» Die Beziehung ist gescheitert, der Job war weg.

Viel Zeit zum Trübsal blasen blieb nicht. Bald schon folgte Lindner dem Ruf von Robert Speth, Sterne-Koch im Gstaader «Chesery» und Platzhirsch im Nobelort. Das «Le Grand Bellevue» suchte einen Küchenchef für das Spitzenrestaurant Leonard’s. Lindners moderne, harmonische Kreationen waren wieder gefragt.

Küche und Service sprechen die gleiche Sprache

Zweierlei von der Gänseleber paart er mit Mangold, einem Dashi und Kokosnuss – Lindner beweist, dass er nach wie vor ein Meister seines Fachs ist. Der souveräne Sommelier Diogo Veloso findet mit dem Walliser Païen «Octoglaive» von der Domaine Cornulus das perfekte Pairing. Der Gang mit Steinbutt, Carabinero und den in Gemüseflocken gewendeten Mangowürfeln ist brillant.

Gewiss: Bei Lindner wird es bald wieder Punkte regnen, ein Stern dürfte ihm auf Anhieb verliehen werden. Vielleicht dereinst gar zwei, wie damals, als er im «Mesa» Zürichs bester Koch war? «Damit befasse ich mich wirklich nicht», beteuert der 57-Jährige.  Lieber feilt er an seiner Küche und an seinem Team. Mit Oberkellner Sebastian Dahlinger hat er auch im Service bereits einen Mann gefunden, der bei der Präsentation von Lindners Gerichten dessen Philosophie mitträgt: höchstes Level, gepaart mit einer mutigen Prise Lockerheit.

«Es ist schön, wieder hier oben zu sein», findet Lindner und nippt an seinem Cocktail. «Erst recht in einem solchen Betrieb und mit Direktor Daniel Koetser, der mir alle Freiheiten lässt.» Lindners Glück scheint perfekt. Nicht nur beruflich, sondern auch privat – dank einer neuen Liebe.

(Benny Epstein)